Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

DOI Heft:
8. Heft
DOI Artikel:
Friedeberger, Hans: Die Ausstellung der freien Sezession
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0320
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE AUSSTELLUNG DER FREIEN SEZESSION

Ihnen ift gemeinfam das Überwiegen einer nur gefühlsmäßig begründeten Gebärde
über das Leben der Form. Die Bilder wirken unruhig, man fpürt, daß der Autor viel
fagen möchte, ohne daß man doch imftande wäre, fich ihm und feinen Abßditen
völlig hinzugeben. Eine Stelle für fich nimmt Max Oppenheimer ein. In feinen
Arbeiten, einem Herrenporträt und dem Bilde des Heßquartettes, fteckt foviel malerifch
Gelungenes, in den Köpfen, namentlich dem des Herrenbildniffes und dem des Prim-
geigers, äußert fich eine fo ftarke Porträtiftenbegabung, daß man fich wundert, daneben
immer noch die kubiftifch frifierten Einzelheiten anzutreffen. Man hat es längft emp-
funden, daß er keiner der Unbedingten ift, und ich werde mich nicht überreden laffen,
daß ihm diefe geometrifche Zerlegung der Wirklichkeit die Erfüllung einer inneren
Forderung bedeute.

Und die Meifter? Liebermann hat, außer einer wohl älteren prachtvoll lebendigen
Skizze Friedrich Naumanns ein Bildnis Ludwig Fuldas ausgeftellt, viel ruhiger als feine
fonftigen Bildniffe, nämlich viel kühler, objektiver und doch von einer fchonungslofen
Ehrlichkeit. Daneben hängen Hundeftudien, von denen ich ein wenig enttäufcht war.
Sie find fehr fchlicht und auch teilweife prachtvoll gemalt, aber da ift nichts von der
Hingabe an das Motiv, von der Verliebtheit in den Stoff, die man erwartet hatte.
Empfindlich enttäufcht hat mich die Trübnerfche Kollektion. Ich vermag mich fchwer
darein zu finden, daß er jetjt fozufagen auswendig malt, mit aller freien Meifter-
fchaft feiner Hand, aber auch nur noch der Hand und dem Auge folgend, und der
Seele faft entratend. Der Mann, der den gerüfteten Knaben gemalt hat, ift nicht mehr
der gleiche, von dem der Blick aus dem Heidelberger Schlöffe im Nebenfaale ftammt.
Oberländer, Th. Hagen, Hodler, ein ßotter Habermann, ein gutes Winterbild
von Curt Herrmann vervollftändigen diefe Abteilung.

Von der PLASTIK ift in diefem Jahre nicht viel zu fagen. Selbft Barlachs Werke
erfcheinen kühler, unerlebter als fonft. Bei Lehmbruck muß man fich diesmal an
Details halten, da in den Formen zu viel Eigenfinn fteckt, fo daß der Stil zur Manier
wird. Gaul hat eine mäßige Circe gemacht, und Engelmanns große Gruppe ift be-
denklich akademifch. Gut find, wie immer, die Arbeiten Kolbes, Bewegungsftudien,
und der ftehende Jüngling und die Herzbüfte von Auguft Krauß. Eine Hoffnung
weckt Wilhelm Gerftel mit einem Chriftuskörper, von dem nur zu wünfchen wäre,
daß er ihn felbft in Holz ausführte, und einem Kinderkopf, und Krückeberg mit
einer tüchtigen Knabenbüfte. Seltfam nimmt fich Klingers Gewandfigur im hellen
Lichte des Mittelfaales aus. Man ftaunt die Sicherheit der technifchen Arbeit und die
Schönheit des Stückes gelben Marmors an, aber man bleibt völlig ungerührt und ohne
die Glücksempfindung, die immer das ficherfte Zeichen für die Anwefenheit eines
großen echten Kunftwerkes ift.

292
 
Annotationen