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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 8.1916

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Heft 3/4
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Der Kunstmarkt - Versteigerungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26378#0094
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VOM AMERIKANISCHEN KUNSTHANDEL

Mr. Frick bereit war, die meiftumworbenen Mor-
ganfchäße für Riefenfummen an [ich zu bringen,
warf Morgan die Maske ab und begann mit
dem Ausverkauf. Erft katn das chinefifche Por-
zellan dran, das ihm faft vier Miiiionen einge-
tragen haben foii, und von dem Mr. Frick und
auch Widener die beften und ausgefuchteften
Stücke für [ich erwarben. Dann mußten die großen
Fragonards daran giauben, fürdieMr. Frick, wie
es heißt, faft ein und eine haibe Miiiion Dotlar
gezahit haben foii. Schließlich mußten die Kunft-
möbei und Skuipturen aus dem 18. Jahrhundert
das Mufeum veriaffen. Für fie foii Morgan nicht
weniger als drei Miiiionen Doiiar erhaiten haben.
Mit Kleinigkeiten gibt [ich diefer Finanzkönig
eben mai nicht ab. Daß weitere Verkäufe ftatt-
finden werden, erfcheint ficher. Aber Morgan
wird die für ihn befte Zeit abwarten. Momen-
tan find Regierungsvertreter dabei, Teiie der
Sammlung für die leider, leider fchiießiich doch
zu zahiende Erbfchaftsfteuer abzufchäßen. Wann
Morgan in den fauren Apfel wird beißen müffen,
fcheint noch nicht ficher zu fein. Je reicher hier-
zulande ein Mann ift, um jo fpäter braucht er
Steuern zu zahlen. Man nennt das auf ameri-
kanifdr „echte und wahre" Neutraiität feitens
des Staates aiias Demokratie. Die in jenem
SpezialgefeßangeführteZeitgrenze, bis zu welcher
Morgan [ich erkiären mußte, ob er die Kunft-
fchäße dem frommen Wunfdi feines Vaters ge-
mäß einem öjfentlichen Inftitut überweifen werde,
lief am l.Apriil915 ab. Wann wird er endiich
zahlen? Freigebig und hochherzig wie er ift,
bot er dem Metropolitan-Mufeum an, wenigftens
deffen tatfächiiche Auslagen für die langjährige
Aufnahme der Sammlung zu erfeßen. Diefe Aus-
lagen beiiefen [ich, wie die an Größenwahnfinn
jeder Art leidende amerikanifchePreffe—feibft
die „NewYorkTimes", diefich fo vornehmdünkt —
zuerft meldete, auf mehr als eine Miiiion Dol-
lar (!); der Direktor des Mufeums fteitte dann
diefes Märchen in fein ironifcher Weife richtig.
Es handeite [ich nämiich nur um etwa 35000,
aifo etwa um ein Dreißigftei der angegebenen
Summe! (In gleicher Weife muß man fo ziem-
lich aiie Nachrichten der hiefigen Preffe divi-
dieren, um in die ungefähre Nähe desmögiichen
Körnchens Wahrheit zu geiangen. Wer das jeßt
hier geiernt hat, fieht z.B. dem Kriege mit ruhiger
Zuverficht entgegen). Herr Morgan hätte gar
zu gern als Wohitäter der Öffentlichkeit dage-
ftanden — um den Preis von ^'35000, jedoch
die Mufeumsdirektion hat ihm den Gefallen nicht
getan, wiewohl das Mufeum wahrlich nicht reich
an Verwaltungsgeldern ift.
Exit die Morganfammlung als das große Wun-
der der amerikanifchen Kunftwelt; enter die

H. C. Frick-Kollektion als folche. Es fcheint, als
wolle Mr. Frick die fallengeiaffene Krone des
großen Mäcens verftorbener Künftler [ich refolut
aufs Haupt feßen. Seine Ankäufe während des
Jahres 1915 waren in der Tat ganz außerordent-
liche. Neben den bereits erwähnten Schäßcn
aus der Morganfammlung, von der ihm wohl
noch fo manches andere Stück im Laufe der
Zeit zufailen dürfte, beftehen die zwei wichtig-
ften Bildererwerbungen Fricks aus Holbeins Por-
trät des Thomas Cromwell aus dem Jahre 1534,
das vorher dem unglückfeligen Sir Hugh Lane,
einem Opfer der Lufitania, gehört hatte, und für
das Fridc ^'235000 gezahlt haben [oll, und fo-
dann aus Giovanni Bellinis „Heiligem Franz",
der in einer wunderbaren Landfchaft ftehend die
Stigmata empfängt. Das Bild, das von neu und
frei um [ich fehenden Augen konzipiert fcheint,
war im Jahre 1912 in der Altmeifterausfteliung
derRogalAcademg in London ausgeftellt und ift
damais auch im „Cicerone" befprochen worden.
Es hatte früher der Contarinofamilie in Venedig
gehört, war dann nach England gekommen und
1857 in der bekannten Manchefterausftellung zu
fehen gewefen. Dann verfchwand es und blieb
lange Zeit in einem Privathaus zu Sunninghiil,
bis Mr. Langton Douglas es entdeckte. Meffrs.
Knoedler erwarben es darauf und fchloffen dann
den Kauf mit Mr. Frick um eine Vierteimillion
Dollar ab. — Kürzlich hief^ es, Frick habe Rem-
brandts Porträt feines Sohnes Titus aus der
Lord Spencer-Kollektion erworben. Diefes Bild
ift jedoch in den Befiß Herbert Cooks in Rich-
mond bei London übergegangen, der feine be-
deutende Sammlung auch troß der Kriegsnot zu
vergrößern fcheint (fo foii er auch ein früher im
Kgl. Palaft zu Madrid befindliches Werk des
Velasquez, Porträt des Calbacillas, erworben
haben).
Ein paar andere Werke, die von amerikani-
fchen Sammlern während des vergangenen Jahres
angekauft wurden, find: ein Ifpahanteppich, der
[ich einft im Palaft des Großmoguls in Dehli be-
fand und 58'/, X 18 Fuß groß ift- Erftammtaus
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und foii
nur bei befonderen Gelegenheiten benüßt wor-
den fein. Seine Grundfarbe ift rot und fein
Mufter befteht aus Blumen ufw. in geib, grün,
lila und fchwarz (Käufer Mrs. Alexander Hamil-
ton Rice, Witwe des verftorbenen GeorgeD. Wid-
ner; Preis, wie es heißt eineViertelmiilion Dol-
lar); zwei Holztafeln, 8X12 inches, von Barthel
Brugn. offenbar Stifterbildniffe, Peter Hugmans
und feine Frau Sgbille Keffel darftellend, Flügel
eines Triptgchons, deffen Mittelftück verloren ift
(Käufer Mr. Mortimer L. Schiff); Selbftporträt
der Madame Le Brun aus der Kollektion des

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