DER KUNSTMARKT — VERSTEIGERUNGEN
VOM AMERIKANISCHEN
KUNSTHANDEL
NEW YORK Der europäische Krieg hat den
hiefigen Kunfthandel ganz natürlicherweife in
Mitleidenfchajt gezogen. Amerikanifche Händler
hatten zuerst gehofft, für ein geringes bedeu-
tende Kunftwerke in Europa aufkaufen zu können,
um fie früher oder fpäter hier mit einem außer-
ordentlichen Gewinn an den Mann zu bringen.
Darin aber haben fie fich bitter getäufcht. Ja
es ift ihnen fogar eine recht ftarke, ieider nur
zu oft wenig iegitime Konkurrenz im eignen
Lande erwachfen, indem nämiidi europäifche
Händier und foidie, die es zu fein Vorgaben,
mit aiieriei wunderbaren Kunftfchäßen über den
Ozean kamen, hier nur zu fchneli die Schwäche des
Pubiikums für fchöne und eiegante „Aufmach-
ung" begriffen und deshalb ein paar vornehme
Salons in einem der fafhionablen Hotels mieteten
und dort zwifchen Schweren Samtvorhängen,
Seidentapeten oder Holztäfelungen und immer
bei „magifcher" elektrifcher Beleuchtung die
„Perlen" ihrer Sammlungen den Kaufluftigen
geheimnisvoll wie in einer Geifterfeance vor-
führten. Und diefes Tuns ift noch keineswegs
ein Ende. Die amerikanifchen Sammler und
Händler nicht weniger ais die europäifchen
müffen der Redaktion der „American Art News"
dankbar fein, daß fie mehrfach mit Warnungen
vor folchen „Händlern" und auch Auktionsfirmen
ephemeren Dafeins hervorgetreten und fogar fo
weit gegangen ift, ihre Informationen über der-
artige unfichere Kantoniften den Sammlern frei
zur Verfügung zu ftellen. Dasfelbe Blatt hatte
vor einigen Monaten auch eine fehr zeitgemäße
Warnung vor gefälfchten Bronzen eriaffen, die
ein italienifches Syndikat anfertigen und ver-
treiben läßt. Eine beliebte Art folcher Händler
erft einmal von fich reden zu machen, ift, allerlei
oft recht romantifch klingende Notizen über fich
und ihre Kunftwerke in die Zeitungen zu bringen.
Diefe können nämlich einer derartigen Lockfpeife
abfolut nicht widerftehen, ja machen aus bloßer
Gewohnheit gleich aus einer Mücke einen Elefan-
ten. So kann man von echten Tizians und an-
deren Meifterwerken lefen, die viele taufende
Dollar wert feien, ln einem folchen Falle konnte
die „American Art News" herausfinden, daß der
Sachverftändige der Regierung, der die einge-
führten Werke der Zoiiformalitäten wegen be-
fichtigen und abfchäßen mußte, einen „echten"
Tizian von fchier unfchäßbarem Wert als ein
Schulbild erklärt und feinen richtigen Preis mit
kaum einem halben Taufend Doliar angefeßt
hatte. Natürlich wird auch die momentane Vor-
liebe der Amerikaner für alles, was zur foge-
nannten „Entente" gehört, gehörig ausgebeutet.
So kam jüngft ein angeblicher Ruffe aus Moskau
hier an mit dreißig alten Meiftern aus der Kol-
lektion des verstorbenen Grafen Galmitfcheff-
Kutufoff und ließ in den vor Bewunderung fich
nicht laffen könnenden Zeitungen urbi et orbi
erklären, daß der Erlös für diefe Meifterwerke —
er nannte Gemälde von Filippo Lippi, Luini,
Sodoma, van Dyck, Memling, Potter, S. Ruysdael
und fogar dem alten Hunnen Lucas Cranach —
dazu beftimmt fei, für die ruffifche Armee die fo
dringend nötige Munition hier zu kaufen und,
was ja nun mal leider auch verlangt wird, zu
bezahlen. Ob millionenfchwere Sammler ange-
biffen haben, ob womöglich Herr Morgan, das
Haupt der Ententepumpkommiffion in den Ver-
einigten Staaten, einige oder gar alle Bilder
als Pfand für eventuelle zukünftige Zahlung zu
dem übrigen (d. h. den netten, kleinen, aber fo
hartnäckig unverkäuflichen englifch-franzöfifchen
Anleihepapieren) geiegt hat, um im Falle Spä-
terer Nichtzahlung feine ja fo arg zufammen-
gefchrumpfte Sammlung zu ergänzen, das ent-
zieht pch leider meiner Kenntnis.
Herrn Morgans fenfationelle Verkäufe biideten
ja fozufagen den Höhe- oder vielleicht beffer
ausgedrückt den Tiefpunkt des amerikanifchen
Kunfthandeis während des eben abgelaufenen
Jahres. Seltfame Umftände waren mit ihnen
verknüpft, die alierdings niemanden wundern
können, der Morgans Verbindung mit einem ge-
rade jeßtvor den Gerichten fchwebenden ebenfo
fenfationellen Prozeß wegen Verlegung gewiffer
Bundesgefeße (aus recht „handgreiflichen" Grün-
den natürlich) kennt. Der verftorbene Morgan,
der feine Kunftfchäße wie ein Vater liebte, und
wie ein folcher vielleicht ziemlich oft blind gegen
ihre Schwächen war, hatte nicht den Mut be-
feffen, fie bedingungslos dem Metropoiitan-
mufeum in New York als Erbe zu hinteriaffen,
obwohl jedermann das erwartet hatte, und das
dem Sohn ohne fie zufallende Erbe ja immer
noch recht annehmbar gewefen wäre. Nach dem
Tode des Alten hüllte fich der Sohn in Schweigen
und ließ fogar feelenruhig und wohl heimlich
lächelnd ein befonderes Gefeß durchgehen (wenn
er es nicht etwa gar felber angeregt hat!), dem-
zufolge er zunächft für zwei Jahre von der Zah-
lung der natürlich zu einer recht hohen Summe
fich zufammenaddierenden Erbfchaftsfteuer, So-
weit diefe die Kun]'twerke des Verstorbenen be-
traf, befreit wurde. Gleichzeitig waren Sämtliche
Werke mietfrei im Mufeum untergebracht, was
auch nicht zu verachten ift. Als dann der Krieg
ausbrach, und Morgan zum ftillen Finanzteil-
haber der „Entente" avancierte, hieß es mög-
lichst viel Bargeld in den Beutel tun. Und da
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VOM AMERIKANISCHEN
KUNSTHANDEL
NEW YORK Der europäische Krieg hat den
hiefigen Kunfthandel ganz natürlicherweife in
Mitleidenfchajt gezogen. Amerikanifche Händler
hatten zuerst gehofft, für ein geringes bedeu-
tende Kunftwerke in Europa aufkaufen zu können,
um fie früher oder fpäter hier mit einem außer-
ordentlichen Gewinn an den Mann zu bringen.
Darin aber haben fie fich bitter getäufcht. Ja
es ift ihnen fogar eine recht ftarke, ieider nur
zu oft wenig iegitime Konkurrenz im eignen
Lande erwachfen, indem nämiidi europäifche
Händier und foidie, die es zu fein Vorgaben,
mit aiieriei wunderbaren Kunftfchäßen über den
Ozean kamen, hier nur zu fchneli die Schwäche des
Pubiikums für fchöne und eiegante „Aufmach-
ung" begriffen und deshalb ein paar vornehme
Salons in einem der fafhionablen Hotels mieteten
und dort zwifchen Schweren Samtvorhängen,
Seidentapeten oder Holztäfelungen und immer
bei „magifcher" elektrifcher Beleuchtung die
„Perlen" ihrer Sammlungen den Kaufluftigen
geheimnisvoll wie in einer Geifterfeance vor-
führten. Und diefes Tuns ift noch keineswegs
ein Ende. Die amerikanifchen Sammler und
Händler nicht weniger ais die europäifchen
müffen der Redaktion der „American Art News"
dankbar fein, daß fie mehrfach mit Warnungen
vor folchen „Händlern" und auch Auktionsfirmen
ephemeren Dafeins hervorgetreten und fogar fo
weit gegangen ift, ihre Informationen über der-
artige unfichere Kantoniften den Sammlern frei
zur Verfügung zu ftellen. Dasfelbe Blatt hatte
vor einigen Monaten auch eine fehr zeitgemäße
Warnung vor gefälfchten Bronzen eriaffen, die
ein italienifches Syndikat anfertigen und ver-
treiben läßt. Eine beliebte Art folcher Händler
erft einmal von fich reden zu machen, ift, allerlei
oft recht romantifch klingende Notizen über fich
und ihre Kunftwerke in die Zeitungen zu bringen.
Diefe können nämlich einer derartigen Lockfpeife
abfolut nicht widerftehen, ja machen aus bloßer
Gewohnheit gleich aus einer Mücke einen Elefan-
ten. So kann man von echten Tizians und an-
deren Meifterwerken lefen, die viele taufende
Dollar wert feien, ln einem folchen Falle konnte
die „American Art News" herausfinden, daß der
Sachverftändige der Regierung, der die einge-
führten Werke der Zoiiformalitäten wegen be-
fichtigen und abfchäßen mußte, einen „echten"
Tizian von fchier unfchäßbarem Wert als ein
Schulbild erklärt und feinen richtigen Preis mit
kaum einem halben Taufend Doliar angefeßt
hatte. Natürlich wird auch die momentane Vor-
liebe der Amerikaner für alles, was zur foge-
nannten „Entente" gehört, gehörig ausgebeutet.
So kam jüngft ein angeblicher Ruffe aus Moskau
hier an mit dreißig alten Meiftern aus der Kol-
lektion des verstorbenen Grafen Galmitfcheff-
Kutufoff und ließ in den vor Bewunderung fich
nicht laffen könnenden Zeitungen urbi et orbi
erklären, daß der Erlös für diefe Meifterwerke —
er nannte Gemälde von Filippo Lippi, Luini,
Sodoma, van Dyck, Memling, Potter, S. Ruysdael
und fogar dem alten Hunnen Lucas Cranach —
dazu beftimmt fei, für die ruffifche Armee die fo
dringend nötige Munition hier zu kaufen und,
was ja nun mal leider auch verlangt wird, zu
bezahlen. Ob millionenfchwere Sammler ange-
biffen haben, ob womöglich Herr Morgan, das
Haupt der Ententepumpkommiffion in den Ver-
einigten Staaten, einige oder gar alle Bilder
als Pfand für eventuelle zukünftige Zahlung zu
dem übrigen (d. h. den netten, kleinen, aber fo
hartnäckig unverkäuflichen englifch-franzöfifchen
Anleihepapieren) geiegt hat, um im Falle Spä-
terer Nichtzahlung feine ja fo arg zufammen-
gefchrumpfte Sammlung zu ergänzen, das ent-
zieht pch leider meiner Kenntnis.
Herrn Morgans fenfationelle Verkäufe biideten
ja fozufagen den Höhe- oder vielleicht beffer
ausgedrückt den Tiefpunkt des amerikanifchen
Kunfthandeis während des eben abgelaufenen
Jahres. Seltfame Umftände waren mit ihnen
verknüpft, die alierdings niemanden wundern
können, der Morgans Verbindung mit einem ge-
rade jeßtvor den Gerichten fchwebenden ebenfo
fenfationellen Prozeß wegen Verlegung gewiffer
Bundesgefeße (aus recht „handgreiflichen" Grün-
den natürlich) kennt. Der verftorbene Morgan,
der feine Kunftfchäße wie ein Vater liebte, und
wie ein folcher vielleicht ziemlich oft blind gegen
ihre Schwächen war, hatte nicht den Mut be-
feffen, fie bedingungslos dem Metropoiitan-
mufeum in New York als Erbe zu hinteriaffen,
obwohl jedermann das erwartet hatte, und das
dem Sohn ohne fie zufallende Erbe ja immer
noch recht annehmbar gewefen wäre. Nach dem
Tode des Alten hüllte fich der Sohn in Schweigen
und ließ fogar feelenruhig und wohl heimlich
lächelnd ein befonderes Gefeß durchgehen (wenn
er es nicht etwa gar felber angeregt hat!), dem-
zufolge er zunächft für zwei Jahre von der Zah-
lung der natürlich zu einer recht hohen Summe
fich zufammenaddierenden Erbfchaftsfteuer, So-
weit diefe die Kun]'twerke des Verstorbenen be-
traf, befreit wurde. Gleichzeitig waren Sämtliche
Werke mietfrei im Mufeum untergebracht, was
auch nicht zu verachten ift. Als dann der Krieg
ausbrach, und Morgan zum ftillen Finanzteil-
haber der „Entente" avancierte, hieß es mög-
lichst viel Bargeld in den Beutel tun. Und da
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