FRANZ MARC f
lvtun ruht auch Franz Marc in Frankreichs Erde,
^ die er [o lieb gehabt, nicht aiizu weit von
[einem Freunde Auguft Macke aus Bonn. Auch
wer die beiden nur äußeriich kannte, wird [ie
nie vergeben: die beiden hohen Ge[ta!ten, breit
und iachend der jüngere Macke, der We[t[aie
— hoch und nobei in ra[[iger Schiankheit der
[a[t 10 Jahre äitere Oberbager Franz Marc. In
[einer [tähiernen Ge[chmeidigkeit iag etwas vom
Stierkämpfer, wozu auch die Züge des [chmaien
Gepeiltes mit dem [traffen, [chwarzen Haar und
den kühnen Augen prächtig paßten. Nur, daß
[ofort eine [unkeinde Gei[tigkeit [ie aus der
Sphäre des Animaii[chen rückte. So war Franz
Marc zum Führer geboren. Ohne Reibung er-
kannten ihn ais [oichen die deut[chen Kün[tier
der jüng[ten Richtung an. Mit Kandinskg zu-
[ammen gab er 1912 bei Piper die Kampf-
[chrift des Bundes der Jungen, den „Biauen
Reiter" heraus. Hugo v. Tfchudi hat in [einen
lebten Tagen noch oft in ihr geblättert; das
deutfehe Phiiifterium, zünftig und weniger zünf-
tig, befann [ich ihr gegenüber mit Leidenfchaft
auf [eine angeftammten Rechte. Jeßt, da Marc
tot ift, ift er nach aiien Zeitungen ein Großer
gewefen In den Herzen [einer Freunde aber
wohnt ehrliche Trauer. Sie empfanden zu ein-
dringlich das Zieificbere [eines Weges, um nicht
troß aiiem von ihm bisher nur teiiweife Erreichten
den gewaitigen Ausfaii an pofitiven Leitungen
zu begreifen, die die deutfehe Kunft mit Sicher-
heit von ihm erwarten durfte. Noch war es
ihm bisher nicht vergönnt gewefen, einengroßen
Raum nach [einer Erfindung zu geftaiten, eine
Aufgabe, mit der man ihn in Frankfurt zu über-
rafchen hoffte. Ahes drängte in ihm nach weit
aushoiender Geftaitung, wobei [ich [eine Seeie
in weite Wanderungen bis an die Grenzen des
Kosmifchen verior. Keineswegs in müder, ro-
mantifcher Refignation. Troß alter Bewunderung
für ferne naive Kuituren fühite er [ich durchaus
[einer, unferer Zeit gemäß, und mit feften Hän-
den haif er den Stoff einer neuen, aiierorten
emporqueiienden Gtäubigkeit in neue Formen
zwingen, ebenfo [ehr Meifter der Sprache wie
des Pinfeis. Mit wundervohen Säßen wußte er
das deutfehe Wefen zu preifen und die ge-
heimen Wurzein unferes Seins aufzudecken.
Sein künftierifches Giaubensbekenntnis gipfeite
in der geheimen Gotik, deren Jahrhunderte aites
Wirken Wiiheim Worringer in [einem von Marc
hochverehrten Werke über die Formprobieme
der Gotik [o einzigartig fchiiderte. Wie dieaiten
Dombaumeifter [ah er in der Vereinigung des
metaphgfifch Triebhaften mit einer [trengen
Architektonik das Grundgefeß des deutfehen
Schaffens, wobei er kiar die Diszipiinen zu fchei-
den forderte: für die Tonkunft Aufbau in kon-
trapunktiieher Gebundenheit mit der [ich aus
ihm ergebenden [ekundären Wirkung auf das
Gefühi, für die Bau- und Biidnerkunft Wirkung
aus der Form, geboren aus raumgeftaitender
Leidenfchaft, für die Maikunft Eriebniffe aus den
der Tafei eigenen Gefeßen der farbig bewegten
Fiäche und der gegiiederten Linie. Daß [ich [eine
Werke, die von einem [o ausgefprochenen Wiiien
geienkt waren, dabei öfter [o weit von dem [ie
urfprüngiieh hervorrufenden „natüriiehen" Vor-
biide entfernten, daß diefes nur noch wie eine
entfernte Ahnung in ihnen iebte, iag vieiieicht
mit an derSeibftüberiaffenheit [einer Kunft. ihm
hätten große Raumaufgaben gegeben werden
müffen, anftatt daß er [tändig auf Staffeieibiider
angewiefen war, in denen [ich [ein Geift wie
Dampf in einem zu engen Gefäß überfpannte.
Er wäre fromm und fleißig genug gewefen, eine
moderne Kirche zu bauen. Wie die aiten Meifter
hätte er das uraite heiiige Gefchehen in [einen
kühnen Farbenrhythmen und Geftaitungen uns
neuen Menfchen mit [einem neuen Leben erfüiit,
das votier Kraft und Innigkeit war.
Vieiieicht, daß [ein früher junger Tod zu aiie-
dem in innerftem Einklänge [tand. Hoch zu
Pferd traf ihn vor Verdun ein Granatfpiitter in
die Schiäfe. Unter eine gewaitige Buche, die
einfam, unverfehrt mitten in den Trümmern des
Schioßparks von Guffainviüe [tehen biieb, bette-
ten ihn die Kameraden. Ais Vermächtnis [eien
nur noch einige Worte gefeßt, die Marc an den
Verfafferl9tl in einer Meinen Polemik über die
ießten Zieie Kandinskys und Picaffos fchrieb.
„ihren ideen über Picaffo und Kandinsky kann
ich aiierdings nicht recht beipfiiehten; ich denke
ganz anders über die beiden, denen fchon die
heutigen und noch mehr die kommenden Maier
einen Ehrendank fchuiden werden, der kaum
hoch genug bewertet werden kann. Die Maierei
von heute geht breit und bedächtig und iang-
[am vor wie eine Schnecke, — warum wollen
Sie ihr die beiden feinen Fühierabfchiagcn, durch
die [ie die Richtung abtaftet. Ohne die beiden
würde [ie wahrfcheiniich im Kreife laufen, [tatt
vorwärtszukommen." Ich giaube,diefes kiareBe-
kenntnis zu den beiden fremden Künftiern, denen
[ich Marc, wie [eine Werke beweifen, in den ießten
Jahren immer verwandter fühite, um [o weniger
jeßt der Öffentiichkeit vorenthaiten zu dürfen, ais
in den verfchiedenen Nachrufen [eine Beziehun-
gen zu ihrer Kunft mißverftanden dargefteiit
werden. Dr. Fried Lübbecke.
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lvtun ruht auch Franz Marc in Frankreichs Erde,
^ die er [o lieb gehabt, nicht aiizu weit von
[einem Freunde Auguft Macke aus Bonn. Auch
wer die beiden nur äußeriich kannte, wird [ie
nie vergeben: die beiden hohen Ge[ta!ten, breit
und iachend der jüngere Macke, der We[t[aie
— hoch und nobei in ra[[iger Schiankheit der
[a[t 10 Jahre äitere Oberbager Franz Marc. In
[einer [tähiernen Ge[chmeidigkeit iag etwas vom
Stierkämpfer, wozu auch die Züge des [chmaien
Gepeiltes mit dem [traffen, [chwarzen Haar und
den kühnen Augen prächtig paßten. Nur, daß
[ofort eine [unkeinde Gei[tigkeit [ie aus der
Sphäre des Animaii[chen rückte. So war Franz
Marc zum Führer geboren. Ohne Reibung er-
kannten ihn ais [oichen die deut[chen Kün[tier
der jüng[ten Richtung an. Mit Kandinskg zu-
[ammen gab er 1912 bei Piper die Kampf-
[chrift des Bundes der Jungen, den „Biauen
Reiter" heraus. Hugo v. Tfchudi hat in [einen
lebten Tagen noch oft in ihr geblättert; das
deutfehe Phiiifterium, zünftig und weniger zünf-
tig, befann [ich ihr gegenüber mit Leidenfchaft
auf [eine angeftammten Rechte. Jeßt, da Marc
tot ift, ift er nach aiien Zeitungen ein Großer
gewefen In den Herzen [einer Freunde aber
wohnt ehrliche Trauer. Sie empfanden zu ein-
dringlich das Zieificbere [eines Weges, um nicht
troß aiiem von ihm bisher nur teiiweife Erreichten
den gewaitigen Ausfaii an pofitiven Leitungen
zu begreifen, die die deutfehe Kunft mit Sicher-
heit von ihm erwarten durfte. Noch war es
ihm bisher nicht vergönnt gewefen, einengroßen
Raum nach [einer Erfindung zu geftaiten, eine
Aufgabe, mit der man ihn in Frankfurt zu über-
rafchen hoffte. Ahes drängte in ihm nach weit
aushoiender Geftaitung, wobei [ich [eine Seeie
in weite Wanderungen bis an die Grenzen des
Kosmifchen verior. Keineswegs in müder, ro-
mantifcher Refignation. Troß alter Bewunderung
für ferne naive Kuituren fühite er [ich durchaus
[einer, unferer Zeit gemäß, und mit feften Hän-
den haif er den Stoff einer neuen, aiierorten
emporqueiienden Gtäubigkeit in neue Formen
zwingen, ebenfo [ehr Meifter der Sprache wie
des Pinfeis. Mit wundervohen Säßen wußte er
das deutfehe Wefen zu preifen und die ge-
heimen Wurzein unferes Seins aufzudecken.
Sein künftierifches Giaubensbekenntnis gipfeite
in der geheimen Gotik, deren Jahrhunderte aites
Wirken Wiiheim Worringer in [einem von Marc
hochverehrten Werke über die Formprobieme
der Gotik [o einzigartig fchiiderte. Wie dieaiten
Dombaumeifter [ah er in der Vereinigung des
metaphgfifch Triebhaften mit einer [trengen
Architektonik das Grundgefeß des deutfehen
Schaffens, wobei er kiar die Diszipiinen zu fchei-
den forderte: für die Tonkunft Aufbau in kon-
trapunktiieher Gebundenheit mit der [ich aus
ihm ergebenden [ekundären Wirkung auf das
Gefühi, für die Bau- und Biidnerkunft Wirkung
aus der Form, geboren aus raumgeftaitender
Leidenfchaft, für die Maikunft Eriebniffe aus den
der Tafei eigenen Gefeßen der farbig bewegten
Fiäche und der gegiiederten Linie. Daß [ich [eine
Werke, die von einem [o ausgefprochenen Wiiien
geienkt waren, dabei öfter [o weit von dem [ie
urfprüngiieh hervorrufenden „natüriiehen" Vor-
biide entfernten, daß diefes nur noch wie eine
entfernte Ahnung in ihnen iebte, iag vieiieicht
mit an derSeibftüberiaffenheit [einer Kunft. ihm
hätten große Raumaufgaben gegeben werden
müffen, anftatt daß er [tändig auf Staffeieibiider
angewiefen war, in denen [ich [ein Geift wie
Dampf in einem zu engen Gefäß überfpannte.
Er wäre fromm und fleißig genug gewefen, eine
moderne Kirche zu bauen. Wie die aiten Meifter
hätte er das uraite heiiige Gefchehen in [einen
kühnen Farbenrhythmen und Geftaitungen uns
neuen Menfchen mit [einem neuen Leben erfüiit,
das votier Kraft und Innigkeit war.
Vieiieicht, daß [ein früher junger Tod zu aiie-
dem in innerftem Einklänge [tand. Hoch zu
Pferd traf ihn vor Verdun ein Granatfpiitter in
die Schiäfe. Unter eine gewaitige Buche, die
einfam, unverfehrt mitten in den Trümmern des
Schioßparks von Guffainviüe [tehen biieb, bette-
ten ihn die Kameraden. Ais Vermächtnis [eien
nur noch einige Worte gefeßt, die Marc an den
Verfafferl9tl in einer Meinen Polemik über die
ießten Zieie Kandinskys und Picaffos fchrieb.
„ihren ideen über Picaffo und Kandinsky kann
ich aiierdings nicht recht beipfiiehten; ich denke
ganz anders über die beiden, denen fchon die
heutigen und noch mehr die kommenden Maier
einen Ehrendank fchuiden werden, der kaum
hoch genug bewertet werden kann. Die Maierei
von heute geht breit und bedächtig und iang-
[am vor wie eine Schnecke, — warum wollen
Sie ihr die beiden feinen Fühierabfchiagcn, durch
die [ie die Richtung abtaftet. Ohne die beiden
würde [ie wahrfcheiniich im Kreife laufen, [tatt
vorwärtszukommen." Ich giaube,diefes kiareBe-
kenntnis zu den beiden fremden Künftiern, denen
[ich Marc, wie [eine Werke beweifen, in den ießten
Jahren immer verwandter fühite, um [o weniger
jeßt der Öffentiichkeit vorenthaiten zu dürfen, ais
in den verfchiedenen Nachrufen [eine Beziehun-
gen zu ihrer Kunft mißverftanden dargefteiit
werden. Dr. Fried Lübbecke.
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