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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 8.1916

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Heft 1/2
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Der Kunstmarkt - Versteigerungen
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Aus der Sammlerwelt und vom Kunsthandel
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https://doi.org/10.11588/diglit.26378#0056

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STATTGEHABTE VERSTEIGERUNGEN ° AUS DER SAMMLERWELT

ornamentalen Infchrift in fchwarz, grün, blau
und aubergine dekoriert # 100 (Käufer das Me-
tropolitan Mufeum).
Schließlich mögen noch ein paarHandfchriften-
preife erwähnt werden, foweit fie für deutfche
Sammler Intereffe haben: für ein von J. S. Bach
unterfchriebenes Dokument wurden # 33, für
eine Notenhandfchrift Beethovens, deren Echt-
heit von A. Schindler belegt ift, #62.50 gezahit
Die erften Verkäufe der laufenden Saison hiel-
ten fich foweit in befcheidenen Grenzen. Einige
wenige Preife nur brauchen genannt zu werden:
Anderfon Galleries: Mezzotintos aus dem
Befiß des verftorbenen William B. Dick, 15.No-
vember: Wenzel Hollar: „Köln aus der Vogel-
perfpektive" (Partheg N. 857) #14.50; f. Penneli,
„Crgftal Palace, London" #16 und „Greenwich
Park" # 16; Segmour Haden: „KidweligCaftie",
1865, ein klein wenig lädiert, #15 und „Amfteio-
danum", 2terZuftand, #12. Ebenda: John
Burtonbibliothek am 18. November: Giam-
batifta Piranefi: „Antichitä romane" #75. Die
zur Auktion angekündigt gewefene Sammlung
japanifcher Buntdrucke, Bücher und Original-
zeidmungen des Mitfuo Komatfu wurde kurz
vor der Verweigerung zurückgezogen. Die hie-
figen Preife für japanifcheBuntdrucke find niemals
gleich hohe wie die in Europa gewefen, und der
Befißer hat wohl gefürchtet, daß fie unter den
jeßigenVerhältniffen noch mehr finken würden. F.
AUS DER SAMMLERWELT
UND VOM KUNSTHANDEL
P. A. B WIDENER, der bekannte Sammler
vornehmlich alter Gemälde, ift Anfang November
im Aiter von 80 Jahren inPhiiadelphia geftorben.
Er, der von deutfchen Eltern abftammte und
feine Laufbahn ais Fleifcherjunge begann, war
eigentlich fo recht der Tgpus des amerikanifchen
„Selfmademan", der, nachdem er in den Zauber-
kreis der Millionäre eingedrungen, meint, er
müffe nun auch etwas fürdieKunft übrig haben,
Ohne ein eigentiiches Verhältnis zu dieferzu be-
fißen, fing er an zu fammeln und wurde zu-
nächft denn auch dabei arg übers Ohr gehauen.
Schließlich lernte er Vorficht und fchloß Käufe
nur nodi durch bekannte Firmen ab, denen er
fein volles Zutrauen zugewandt hatte. Ihm ge-
fiei es, ganz im Gegenfaß zu dem ftillen, bei
Lebzeiten als Kunftfreund gar nicht gekannten
Benjamin Altmann, wenn von ihm als einem
Rivalen von Morgan, Frick und ein paar an-
deren gefprochen wurde, und er liebte „fenfa-
tionelle" Käufe. Solche waren vor allem die der drei
Cattaneoporträts von van Dgck, die der Boucher-

Paneele, der Rembrandtfchen „Mühle" und der
„CowperMadonna" von Rafael. WidenersSamm-
lung gehört zu den allerbedeutendften Privat-
fammlungen in Amerika und ift erftaunlich reich
an erftklaffigen Werken der beften Meifter. Das
wird verftändlich, wenn man lieft, daß Widener
im leßten Jahre feines Lebens nicht weniger als
5 Millionen Mark für den Ankauf neuer Werke
ausgegeben hat. Die wichtigften außer den be-
reits genannten Bildern feiner Sammlung find:
Rembrandt: „Befchneiduhg", „St. Paulus" und
„Männerporträt"; Tizian „Porträt zweier Schwe-
rem"; Botticelli „Die Madonna mit den Dornen"
(aus der Sammlung Chigi; 1900 über die ita-
lienifche Grenze gefchmuggelt); P.Veronefe „Raub
der Sabinerinnen"; El Greco „St. Martin", eines
der größten Werke des Meifters, ferner „Ma-
donna mit Heiligen" vom Altar der St. Jofe-
kirche zu Toledo und ein früheres Werk, zwi-
fchen 1585 und 90 entftanden, das infofern von
ganz befonderem Intereffe ift, ais es die einzige
von Greco gemalte Familiengruppe darftellt, von
der man annimmt, daß es die des Meifters felber
ift; Velasquez „Satyr und Reifender" und eine
Studie zu den „Zechern"; Muriilo „ZweiFrauen
am Fenfter"; eine farbige Skizze von Rubens,
die diefen trefflicher vertritt als viele feiner
Bilder; Vermeer van Delft „Frau Perlen wägend",
„der größte Schaß für einen amerikanifchen
Sammier", wie ihn Bode nannte, Werke von
Jan Steen, Cugp, Hobbema, A. v. de Veide,
J. van Oftade, Pieter de Hoogh und Potter.
Sodann finden fich hervorragende Beifpiele der
englifchen Schule, Porträts fowohl, wie z. B. „Mrs.
Graham" vonGainsborough und „Nelig O'Brien"
von Reynolds, wie Landfchaften (Turner und
Conftable). Von neueren Meiftern bevorzugte
Widener, der im großen und ganzen immer mit
der Mode ging, die Barbizonmeifter, Corot, Diaz,
Troyon.Rouffeau undDaubigny. Auch für Cour-
bet, Puvis de Chavannes, deffen Ruf durch die
Boftoner Bibliothekfresken in Amerika groß ge-
worden war, Fromentin, und ein paar andere
hatte er etwas übrig. Deutfche Gemälde, äiterer
wie neuerer Zeit, würde man bei ihm, dem deut-
fchen Sprößling, vergeblich gefucht haben. Keiner
der wenigen Holbeins, die in den leßten Jahren
nach Amerika wanderten, fand ein Heim bei ihm.
Philadelphia hätte diefe großartige Sammlung
fein eigen nennen können, wenn es rechtzeitig
Wideners Wunfch nachgekommen wäre und eine
Galerie zur Aufnahme der Sammlung gebaut
hätte. Widener wollte wiffen, daß man feine
Gemälde fchäße und für deren Erwerb auch zu
einem Opfer bereit fei. Da eine folche Galerie
vor feinem Tode nicht fertig wurde, fo hinter-
ließ er feine Kunftfchäße, wie einft Morgan,

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