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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 19
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0656
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Ausheilungen

Berlin gemacht worden ift, tritt in diefer Syftem-
lofigkeit peinlich) klar in Erfcpeinung.
3wei Kunftausftellungen zeigen gefcploffene
Kollektionen einzelner Künftler: Carl Nicolai,
Viktoriaftraße, ölerke (Halter Fjippels, im
wefentlicpen Porträts, die ißn als ausgefprocpe-
nen Akademiker zeigen. Es find tüchtige Ar-
beiten, routiniert in der Mache, bei allem Patpos
offenbar fepr äpnlicp. Doch) bleibt es bei der
bloßen Korrektheit auch dort, wo Cemperament
dieFjand energifieren müßte. — Das intereffantefte
Ereignis des Monats find die neueften Arbeiten
von Carl F)ofer> die Caffirer ausftellt. Man
kennt die Vergangenheit diefes letzten Deutfcp-
Römers, den man in früheren Jahren in par-
monifcp komponierten Gruppen fcpöner nackter
GQefen wie einen Nachkommen Fjans von Marees
empfand. Kein (Xlunder, daß der Impreffionis-
mus, den er um 1910 in Paris erlebte, an ipm
ziemlich fpurlos vorüberging, aber vielleicht
Gauguin, der exotifcpen Menfcpen verwandte
Rpytpmen abforderte, ihm berührt pat. Der Krieg
ifolierte ihm in Indien; jept, zurückgekeprt, müffen
diefen Romantiker gerade die expreffioniftifcpen
Gedankengänge, die ftatt des Formerlebniffes
wieder das Seelenerlebnis wollen, tief berühren.
Die Ausftellung zeigt feinen Kampf mit ihnen.
Er ift offenbar von Greco, primitiven Glas-
bildern, von Kokofcpka, Pecpftein und manchem
Minderen berührt worden. Aber fie werden nie
Vorbilder, fondern nur Anregungen und es ent-
ftept immer ein perfönlicpes ölerk, das oft aus-
drucksvoller als die Anregung ift. Dazwifcpen
klingt in Gruppen Nackter das alte Stilwollen
wieder auf, fo ftark, daß man erwarten kann,
es werde nach diefen Epifoden in konfequenter
Fortentwicklung zu neuen klaren fielen führen.
Dr. Ern ft Copn-Kliener.
* *
*
Die Akademie der Künfte beabficptigt, in ihren
Räumen, Parifer Plat} 4, im November und De-
zember d. Js. eine Ausftellung von Bild —
niffen aus Berliner Privatbefiß zu ver-
anftalten und dadurch dem Publikum die zahl-
reichen, fonft unzugänglichen Scpälje deutfcper
Porträtkunft, die fiep in Berlin befinden, zu zeigen.
Aufgenommen werden in die Ausftellung Bild-
niffe, die vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis
zur Jetztzeit entftanden find, Arbeiten Berliner
und auswärtiger deutfcper Künftler, und zwar
Gemälde wie plaftifcpe Porträts, Graphiken und
3eicpnungen. Sammler und Befiper folcper künft-
lerifcp wertvollen Bildniffe werden gebeten, diefe
möglicpft bald der Akademie der Künfte, Pa-
rifer Plalj 4, für die Ausftellung namhaft zu
machen. Die näheren Bedingungen für die Dar-

leihung werden alsdann den Befißern von der
Akademie bekanntgegeben werden.
Frankfurt a. M.
Bei M. Goldfcpmidt & Cie. ftellt zur 3ßit
die fepr radikale Karlsruher „Malergruppe Rip“,
deren Fjaupt Georg Scpolz, Gröpingen, ift, aus:
Scpolz felbft weiß aus dem Kubismus fiep ein
trefffieperes Kunftgewerbe herzuleiten, mit dem
er fcplagende Karikaturen biblifcper Fjelden-
fzenen ufw. fertig bringt. Liefere Bedeutung pat
feine fmarte Art niept. Ein anderer, Rudolf
Schlichter, erfepeint als deutfcper grobfcpläcp-
tiger Imitator von Picaffo: 3edegung des Bild-
ganzen in bunt geometrifierte Einzelflächen,
zwifepen die naiv realiftifcpe, kleine Gegenftände
eingeftreut find. Audi hier fehlt noch jede innere
Notwendigkeit. Der Befte diefer Malergruppe
wird wopl der Kandinsky-Jünger ttlladimir
3abotin fein, deffen anmutig verfeinertes For-
men- und Farbengefüpl auf Parifer Schulung
zurückgept: fflie in den Sßicbnungen der älte-
ren Steinzeit erfepeinen als klare Silhouetten
zierliche Figuren, paarweife Pferde, graziöfe
Frauen auf einheitlich gefärbtem Grund, fo daß
man wünfept, derlei Kompofitionen als Ceppicp-
gewebe ausgeführt zu fepen. — Als wefensver-
wandt fcpließt fiep der „Gruppe Rip“ der Mün-
chener A1 o y s öd a cp (ÖJacpenmeyer, z. 3t- Ober-
öfterreich) an, unter der Räterepublik Kultusmini-
fter, deffen erfte Amtshandlung die Entthronung
der Akademiepäupter Stuck und 3ügel war.
ÖJacp ift reiner Kubift von jener prismatifepen
Richtung, welche die Sichtbarkeit von bunten
Lichtkegeln kreuzweife durcpftraplen läßt. Alles
Gegenftändlicpe formt fiep zu vielfarbigen Kri-
ftallen, die fiep dann iprerfeits wieder in Kreifen,
elliptifcpen Linfen ufw. zufammenordnen. Die
Farben ftepen bald komplementär zueinander
wie etwa Rot und Grün, bald perrfept ein fonorer
Grundton, Ciefgrün, Ciefblau, als ftimmunggebend
vor. Für diefe Art Kubismus ift es ftets eparak-
teriftifcp, wie ßcp die Farben von größter In-
tenfität zur pellften Verblafenpeit abwandeln:
man denkt unwillkürlich an pellbeleucptete Sei-
denftoffe, und Aloys ötaep ziept tatfäcplicp auch
diefe Folgerung, indem er einige feiner Kompo-
fitionen, „öleiblicper Akt“, „Frauenkopf“, in Platt-
ftiep mit bunten Seidenfäden ausführen läßt. —
Das könnte wieder auf das Kunftgewerbe führen,
wie man denn auch bei dem an fiep für die
3ukunft vielverfprecpenden ölacp nie des Ge-
fühls fiep erwehren kann, daß fiep hier einer
künftlicpen Sprache, fremder Formulierungen be-
dient wird, die mepr aus einem Stil- als einem
perfönlicpen Organismus erwaepfen find. Das

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