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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Grohmann, Will: Junge Dresdner Graphiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0114
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Molzaßn, Moßoly-Nagßi und verwandte Geifter, aber urfprünglicße Begabungen in
diefer Richtung fehlen völlig. Damit [oll nicßt geleugnet werden, daß Entdeckungen
wie [einer 3eit die des Kubismus [icß in der Formge[taltung vielfältig auswirken.
Rias ein Jaßrzeßnt naeß der „Brücke“ die Seze[[ioni[ten einte, konnte [icß im Äus-
druckswillen und im Dialekt nocß vielfach) auf diefe Pioniere berufen. Da aber die
Verwandlung durch) die Jaßre [eit 1914 mit daßinterfteckte, zerbrach) die Ba[is, [oweit
[ie arti[ti[ch) war, ra[d); erßält [ich) dafür ßeute noch) in einem ftarken menfcßlicßen Ge-
mein fcßaftsgefüßl. Otto Lange bewahrte das Erbe am treueften, ift aber in den
lebten Jaßren ein Eigner geworden und behauptet ßicß in allen Verwandlungen. Er
ift einer von den nie rußenden, niemals mit [ich) zufriedenen Sacßfen, von einer ro-
buften Eßrlicßkeit in Einfall und Darftellung. Solcße Bolzfcßnitte, wie [ie die „Schöp-
fung “ (Furcße-Verlag 1923) bringt, ßätten ißn an die Front vorgefcßoben, wenn er
nicßt den Erfolg zugunften anderer Möglichkeiten verlaffen ßätte. Jeßt, zeßn Jaßre
nach) der Entfteßung, find [ie viel begeßrt. Neuen Datums find die „Scßriftgeleßrten“.
Das Blatt ift grapßifcß faft [o zugefpißt wie die Pßyfiognomien der drei Dialektiker.
So wie in Äugen, Nafe und Mund das Denken und Reden kulminiert, verdienten fiel)
die Akzente des Seicßnerifcßen und Drucktecßnifcßen an diefen Stellen und wirken
dort [o überrafeßend wie die an ganz irrige Pläße des Geficßts verfeßlagenen Äus-
[traßlungen der Geßirntätigkeit. Sogar das Reden mit den Bänden wird dureß die
Pointierung der erregten Mäuler und Nafen in dem engen Umkreis dreier jüdifeßer Köpfe
vorgetäufeßt. Die Struktur der grapßifcßen Spracße zerfällt in zwei Ebenen wie die
Mentalität der Scßriftgeleßrten, 3ufammenballungen im Leeren. Lange ßat in den lebten
Jaßren ßauptfäcßlicß radiert, naeßdem er bis 1918 den Fjolzfcßnift [tark bevorzugt ßatte.
Das ift nicßt verwunderlich. Der Verdrängung im üeeßnifeßen folgt [tets eine ent-
fpreeßende Verdrängung im Empfindungsleben, die [icß räcßt und naeß einem Äusweg
[ueßt. Bei Felixmüller war es äßnlicß; er ßat [icß übrigens rafeßer in der Öffent-
lichkeit dureßgefebt und [eine Entwicklung ift bekannter als die [einer Ältersgenoffen.
Will Beckrott ßat in den lebten Jaßren grapßifcß nicßt [oviel gearbeitet, weil er dureß
Wandmalereien in Änfprucß genommen war. Seine „Entenjagd“ (1922) entßält nocß
Nacßklänge der erften 3eit, wo er im Gefolge des blauen Reiters ritt. Von der Melodie
ift nicßt ganz [oviel geblieben wie vom Rßytßmus, und der ift faft zu [tark. Der
Parallelismus in Gegenftand und 3eicßenfpracße forciert ißn, der primitive Duktus [einer
Scßrift gravitiert naeß derfelben Seite. Beide Mittel bewirken aber gleichzeitig, daß
aus den paar Cakten eine [eßr energifeße und abgerundete Mufik wird, daß eine ziel-
[trebige Energie entfteßt, die naeß der Seite der Monumentalität tendiert. Die Klarßeit
ift da, die Fülle, die Verdichtung wird [icß, naeß den lebten Arbeiten zu urteilen, fo-
weit [teigern, daß Beckrott eines Cages [eines küßnen Anfangs würdig werden dürfte.
Der Scßlefier Conftantin von Mitfcßke-Collande und der Weftfale Äuguft Böck-
[tiegel ßaben aueß ßeute nocß eine [tarke Beziehung zum Bolzfcßnitt. Böckftiegel ift
außerordentlich produktiv und ßat befonders in [einer Bcimat viele Freunde [einer Kunft.
Seine Bolzfcßnitte erfeben allerdings zuweilen dureß das äußere Format das innere.
C. v. Mitfcßke-Collande arbeitet bedäeßtig und [ein grapßifcßes Oeuvre ift nicßt groß.
Eine Bolzfcßnittfolge aus den Gagen der Revolution maeßte ißn bekannt. Das „Cafe“
(1923) ift für die Einfügung in den Scßriftfab gedaeßt. Die einfaeße Verteilung des
Scßwarzweiß ift vielleicht etwas dekorativ im Sinne Vallotons oder Mafereels, aber
wie bei diefen voll Gefundßeit, Ruße und Burnor. Soldße Naturen find vielleicht be-
rufen, einmal in die Brefcße zu [pringen, wenn den anderen die Nerven verfagen.
Das könnte z. B. einmal eintreten bei folcßen Akrobaten des europäifeßen 3irkus-
lebens wie Otto Dix. Von Bolbeinfcßer Glätte ift er über dadaiftifeße Experimente
zu einem breugßelfcßen Verismus gekommen, der dämonifcß und aktuell zugleich ift.
Dix war eine 3eitlang George Grosz [eßr naße, aber das ßat er diefer journaliftifeßen
Sonderbegabung voraus, daß er einen triebhafteren Inftinkt, eine größere Freiheit dem

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