Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

DOI issue:
Heft 24
DOI article:
Der Kunstmarkt
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1231
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
DER KUNSTMARKT

STATTGEHABTE
VERSTEIGERUNGEN
DIE DREI BOERN ER-AUKTIONEN
vom 23.— 27. November
Die Kupferstichversteigerungen, die C. G.
Boerner vom 23.—27. November in Leip-
zig abhielt, dürften als wichtigste Veran-
staltung ihrer Art während dieser Winter-
saison eine besondere Würdigung verdie-
nen. Die hauptsächlichen Einzelergebnisse
finden unsere Leser in der Beilage „Ver-
steigerungsergebnisse“.
I.
Die Auktion der in Katalog 147 beschrie-
benen drei Privatsammlungen brachte ein
Material an älterer Graphik auf den Markt,
das zwar nicht jene fast gleichmäßig bril-
lante Durchschnittsqualität aufwies wie die
Albertinadublettenversteigerung im letzten
Frühjahr, aber doch eine große Menge aus-
gezeichneter Abdrucke, auch von Haupt-
blättern der geschätztesten Meister, enthielt.
Diese Blätter von internationaler Klasse wur-
den mit wenigen Ausnahmen außerordentlich
hoch bewertet und blieben leider für die
deutschen und österreichischen Interessen-
ten meist unerschwinglich. Der deutsche
Handel beteiligte sich wohl etwas lebhafter
als im Frühjahr am Bieten, schien aber
mehr im Auftrag als für eigene Rechnung
zu steigern. Im ganzen zeigte sich das Aus-
land, das durch Händler aus der Schweiz,
England und Belgien sowie durch Sammler
aus Holland und der Tschechei vertreten
war, dem Inland wohl noch mehr über-
legen als vor einem halben Jahr, wo sich
die deutschen Kabinette stärker und erfolg-
reicher als diesmal beteiligen konnten. Im-
merhin wanderte — um einige wichtige Ge-
genbeispiele zu nennen — das teuerste Blatt
dieser Auktion, der wundervolle Abdruck
des Ritter, Tod und Teufel nach Öster-
reich; der schönste Ostade ging in eine
deutsche Privatsammlung über; ebenso der
seltene Holzschnitt des deutschen Mono-
grammisten HWG; und die interessante Ma-
donna Wechtlins, die als vereinzelte Du-
blette des Britischen Museums in die Auk-
tion gegeben war, wurde nicht, wie er-
wartet, nach Amerika verkauft, sondern wird
ebenfalls in Deutschland verbleiben.
II.
Die Sammlung englischer und französi-
scher Kupferstiche des 18. Jahrhunderts aus
einem königlichen Schlosse, die im An-
schluß unter den Hammer kam, hatte ein

anderes, breiteres Publikum angezogen, und
während ein Teil der Interessenten der Vor-
tage abgereist war, waren mehrere Händler
aus Paris und Holland, ein schweizer Pri-
vatsammler und eine Anzahl deutscher
Händler und Sammler hinzugekommen.
Die schwarzen französischen Li-
nienstiche, etwa die nach Saint-Aubin,
Baudouin, Freudeberg blieben durchschnitt-
lich billiger als taxiert, wohl weil die Mehr-
zahl der Blätter nur Plattenrand aufwies,
während dies bei den Farbdrucken und
Schwarzrotdrucken weniger den Preis zu
bestimmen schien. Hier spielte Druckquali-
tät (und gelegentlich auch Seltenheit) deut-
lich die ausschlaggebende Rolle: so ver-
kauften sich der vollrandige, wundervolle
Lecoeur Nr. 16g ebenso über der Taxe wie
die Nummern 164 und 165 von Debucourt,
die nur Plattenrand aufwiesen, und die
Mädchenköpfe in Crayonmanier von De-
marteau nach Boucher erreichten bei bril-
lanter Druckqualität trotz des Fehlens eines
Randes das Doppelte, ja Dreifache der
Schätzungen (Nr. 183, 184), während die
Jahrmarktsszene von Descourtis, aber auch
das schöne, breitrandige Exemplar von J.
R. Smiths „The Soldiers Farewell“ ziemlich
viel unter Schätzung blieben. Bei den eng-
lischen Schabkunstblättern überrasch-
ten die hohen Preise von Nr. 317 (nach
Höppner) und einiger Hauptnummern der
prachtvollen Reynoldsserie (besonders von
Nr. 521).
Größtes Interesse fand die Abteilung der
Städteansichten; hier erzielte die Nr.621
mit zwölf frühen Abdrucken Berliner An-
sichten einen höchsten Preis. Von den
sechs farbigen Stockholmer Ansichten
gehen vier nach Stockholm zurück, eine
wurde von einem Pariser, die sechste von
einem englischen Händler gesteigert.
Der Nachtragskatalog 148A enthielt
keine Blätter, deren Versteigerung eine
Überraschung bedeutet hätte. —
III.
Zum Schluß noch einige Worte über die
Versteigerung der Sammlung farbiger säch-
sischer Ansichten, meist von vor etwa hun-
dert Jahren. Nochmals hatte sich das Käu-
ferpublikum verändert, und der kleine Kreis
seriöser Interessenten bestand aus den Ver-
tretern von Ortsmuseen, Gemeindevorstän-
den und wenigen Händlern und Spezial-
sammlern. Trotz wundervoller Qualität und
Erhaltung erzielten die Blätter durchschnitt-
lich nur zwischen 10 bis 100 Mark, wenige
Nummern brachten an die 200 Mark oder

1199
 
Annotationen