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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 1
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Pauli, Gustav: Fritz v. Uhde in unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0020
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.Volkes anschaulich nahe zu bringen, um einen neuen bereichert. Leider ist
er, wie wir gesehen haben, nicht der letzte geblieben. Der Irrtum dieser Künst-
ler wurzelt darin, daß sie sich einbilden, mit ihren individuellen Mitteln eine
religiöse Kunst von heute a,uf morgen schaffen zu können, indem sie Bilder
religiösen Gegenstandes malen. Es kommt indessen gar nicht darauf an, ob
Franzosen oder Engländer den alten Orient naturgetreu darstellen, ob Gebhardt
esthnische Bauern in das Kostüm der Reformationszeit steckt, ob Uhde
Christus als proletarischen Wanderprediger malt und Nolde seine Farben-
explosionen zu Ehren der Heiligen abbrennt. Nicht einmal darauf kommt es
an, ob der Einzelne von frommem Eifer erfüllt ist und „daran“ glaubt. Sondern
es kommt allein darauf an, ob ein auf alte Überlieferung gegründetes Über-
einkommen der Gläubigen, der Völker desselben Glaubens, vorhanden sei.
Nur auf solchem Boden kann eine religiöse Kunst, die diesen Namen ernst-
lich verdient, allmählich erwachsen. Eine solche wahrhaft religiöse Kunst
sieht daher schon zur Zeit ihrer Blüte altertümlich aus, symbolhaft und über-
individuell. Wir haben sie seit dem fünfzehnten Jahrhundert in Europa nicht
mehr. Denn durch die Kulturwende der Renaissance, in deren Verfolg die
Reformation eintrat, wurde einer solchen Kunst der Boden entzogen. Am
wenigsten aber war das überhebliche individualistische und naturwissen-
schaftliche neunzehnte Jahrhundert dazu berufen, den Mangel zu ersetzen.
Und kein Versuch war so verfehlt wie der, den Inhalt des neuen Testamentes,
der ganz Geist ist und bei dem das sinnlich wahrnehmbare äußere Geschehen
symbolhaft zu verstehen ist, in den Alltag herabzuziehen. Der Erfolg war
denn auch danach. Uhdes religiöse Gemälde sind nicht Bilder der Andacht
geworden. (Wogegen es selbstverständlich gar nichts besagt, daß eins von
ihnen in eine protestantische Kirche gelangt ist. Wofür wären unsere auf-
geklärten Pastoren nicht zu haben?) Auch haben sie schwerlich einen ein-
zigen Proletarier bekehrt. Wem war wohl, nebenbei gesagt, die ganze Arme-
leutemalerei gleichgültiger als den armen Leuten? — Sollten indessen wirklich
noch fromme Gemüter übrig sein, denen Uhdes Christusbilder als Denkmale
des Glaubens ans Herz gewachsen sind, so hat der Meister selber ganz naiv
das Seine getan, um ihre Illusion zu zerstören. Bei Herrn Martin Fiersheim
in Frankfurt hängt das vortreffliche Bild der Atelierpause, wo wir sehen, wie
es gemacht wird. Da treten die Darstellerin der Jungfrau Maria und ihr Ge-
mahl, der Herr Huber aus Schwabing, prüfend vor ihr Konterfei, und die
lieben Englein rekeln sich gelangweilt und mit zerzausten Flügeln auf Stuhl
und Bank. Das ist das veritable impressionistische Bild der Heiligen Familie!
Es ist dasselbe, wie wenn ein Zauberkünstler vor dem Publikum seine Hand-
griffe erläutert.
Für Uhde selber aber wurde die Zweideutigkeit seiner „religiösen“ Malerei
zum Verhängnis. Durch den Erfolg gefesselt, kam er nicht davon los und malte
Jahrzehntelang Varianten derselben nicht sehr zahlreichen Kompositionen,
bei denen sein Glaubenseifer schwerlich erstarkte, seine Malerei aber erlahmte.
Sein erstes religiöses Bild, der Christus als Kinderfreund von 1884, ist sein
bestes geblieben. Doch zeigte er sich nach wie vor von seiner Mission erfüllt.
Lichtwark bemerkte einmal, Uhde sei in der Unterhaltung nicht mitteilsam
gewesen und nur bei dem einen Thema der religiösen Malerei warm ge-
worden.
Wie vieles mag Uhde uns vorenthalten haben! Seine besten Gemälde sind
nebenbei entstanden und werden im großen Publikum wohl gar nicht einmal
als charakteristisch für ihn angesehen. Es sind die Bilder seiner Nächsten
und ein paar Schilderungen aus dem Volksleben — um so besser je einfacher.

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