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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 1
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Pauli, Gustav: Fritz v. Uhde in unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0019

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Fritz v. Uhde in unserer Zeit
Mit einer Vierfarbentafel und sieben Abbildungen auf vier Tafeln Von GUSTAV PAULI

UHDE hat von je den Kunstfreunden und der ernsthaften Kritik Verlegen-
heit bereitet. Zweifellos ist er einer unserer begabtesten Maler, aber er
war seiner selbst nicht gewiß, und als er es nach einem sensationellen Erfolge
zu sein glaubte, wurde er das Opfer eines Irrtums. Allerdings war dieser Irrtum
der seiner Zeit, aber man würde gleichwohl fehl gehen, wenn man Uhde
darum für gerechtfertigt halten wollte; denn auch der Zeitgeist kann sich irren
und eine überlegene Persönlichkeit erweist sich eben darin, daß sie dieses
rechtzeitig erkennt. — So ist es denn nicht nur äußeren Umständen, z. B. dem
Münchner Kunstgeschmack, zuzuschreiben, wenn Uhde an der Stätte seiner
Wirksamkeit eine schwierige Stellung einnahm, wenn bisher kein Sammler
und kein Museum darauf gekommen ist, sich seiner vorzugsv/eise anzunehmen.
Es gibt keinen Uhdesammler und keine Uhdesammlung und gerade die
Museen, von denen man erwarten sollte, daß sie ihn recht repräsentativ dar-
stellen, München oder die seiner sächsischen Heimat, haben ihn die längste
Zeit vernachlässigt und scheinen sich erst neuerdings ihres Versäumnisses
erinnern zu wollen.
Bei jedem Künstler sind seine Anfänge besonderer Beachtung wert, da
sein Charakter sich dann naiv zu äußern pflegt — mit einer Unbefangenheit,
zu der nach mancher Mühsal erst der Gereifte sich wieder zurückfindet. ,Wie
folgerichtig verläuft die Entwicklung eines Leibi, Liebermann, Trübner, ja
auch die eines Thoma, um nur bei Uhdes Zeitgenossen zu bleiben. Sie alle
haben auch im Alter ihr Bestes, wenn schon nicht in den Formen, so doch im
Sinne ihrer Anfänge geleistet. Anders Uhde! Der langweilige Schulbetrieb an
der Dresdner Akademie verdrießt ihn dermaßen, daß er gleich wieder den
Künstlerberuf an den Nagel hängt, um Soldat zu werden. Erst als er auch
im neuen Beruf sich unbefriedigt fühlt, da der Schaffenstrieb sich ungeberdig
regt, kehrt er zur Malerei zurück. Aber kein dumpfer Drang treibt ihn
in eine vorausbestimmte Richtung, vielmehr schwankt er seltsam bei
einer nicht unbedenklichen Neigung zum Sensationellen. Die Verschie-
densten, Makart, Wilhelm Diez, Raffet, verlocken ihn in seinen ersten Jahren
malerischer Betätigung auf Abwege. Munkacsy bringt ihn in Paris zur Besin-
nung; aber erst im Verkehr mit dem gleichaltrigen Liebermann gehen ihm
die Augen auf und nun, da er sich selbst gefunden, bricht seine Begabung
stark hervor und mit einem Male entstehen Meisterwerke. Sein Bild des
Christus, der die Kindlein zu sich kommen läßt — jetzt im Leipziger Mu-
seum — erregt großes Aufsehen und macht ihn mit einem Schlage berühmt.
Der Erfolg war gefährlich, denn in dem Streit der Meinungen, der nun anhob,
einem Streit, an dem die Theologen ebensosehr beteiligt waren wie die Künst-
ler, fühlte er sich selber als den Träger einer neuen Mission. Er sah es als
seine besondere Aufgabe an, die entseelte religiöse Malerei zu neuem Leben
zu erwecken, indem er die heiligen Geschichten in das Gewand des Alltags
und der Gegenwart kleidete. Die soziale Bewegung hatte damals die Phantasie
der Künstlerschaft ergriffen und an Stelle des Bauern wie bei Millet war der
Proletarier der Held des Tages geworden. Armeleutemalerei und Freilicht
waren die Schlagworte. Es lag für jene Zeit nicht allzu ferne, sie in den
Dienst der Kirche zu stellen. Damit wurden die seit den Tagen der Nazarener
immer wieder erneuten Versuche, die heiligen Vorgänge dem Bewußtsein des

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