Die große Aquarell-Ausstellung
(Als Ergänzung der deutschen Abteilung auf der
Internationalen Kunstausstellung Dresden ig2ö)
Von WILL GROHMANN
ES war eine glückliche Idee des Sächsischen Kunstvereins, die Internatio-
nale 1926“ durch eine große Aquarell- und Handzeichnungs-Ausstellung
der deutschen Künstler zu ergänzen. Das Gesamtbild der Kunst in Deutsch-
land erfährt dadurch quantitativ eine Erweiterung und wird verzweigter, bunter.
Die Ausstellung hat auch die kleineren Sonderbegabungen und lokalen Größen
heranzuziehen nicht verschmäht und aus über 3000 Einsendungen schließlich
ein Drittel ausgewählt, das sich zu gleichen Teilen auf die Prominenten, den
Durchschnitt und das Gros verteilt. Aquarelle und Handzeichnungen sind
gemeinsam eingeladen worden, und es zeigt sich, daß bei allen den Künstlern,
die nicht Spezialisten sind, diese Methode richtig war; denn die Grenze
zwischen Aquarell und Zeichnung ist fließender geworden und heute auch bei
demselben Künstler der Aufgabe und Absicht entsprechend veränderlich. Oft
drängen diese zur stärkeren Betonung des linearen Gerüstes (George Groß), oft
zur Ausschließlichkeit der Farbe (Schmidt-Rottluff). In der Fähigkeit, den
Aufwand der Mittel präzis zu bestimmen, unterscheidet sich auch hier der
Künstler vom Dilettanten. Die Zeiten der konventionellen Normierung sind
zunächst einmal vorbei, und jeder Künstler hat mit sich selbst auszumachen,
wo für seine darstellerischen Absichten die sprachlichen Mittel erschöpft sind;
ebenso wie es seine Sache ist, aus welchem Reservoir (Natur, Gedächtnis,
Imagination) er seine schöpferischen Kräfte speist, und bis zu welchem
Grade er seine Vorstellungswelt in Aquarell und Zeichnung ausformen will. In
Zeiten der Überlieferung und der Übereinkunft wird es immer eine Abgrenzung
der besonderen Mitteilungsarten auf Grund technisch-handwerklicher oder
gestalterischer Elemente geben; Aquarell und Zeichnung erscheinen als Vor-
stufe, als Naturstudie, Kompositionsskizze, Notierung eines Einfalls, nicht als
Selbstzweck, als eine Gattung für sich. Heute durchläuft beide Mitteilungs-
arten der ganze Prozeß des künstlerischen Schaffens vom ersten Einfall, der
ersten Notiz vor der Natur oder aus dem Gedächtnis bis zum fertigen Bild.
Unnötig zu sagen, daß mit diesem nicht die Vortäuschung eines Gemäldes
gemeint ist; fertig ist, was sein Gesetz erfüllt, nichts anderes. Fertig als Bild
ist eine Zeichnung von Schlemmer, ebenso wie ein Aquarell von Dix; in
beiden erreicht der Antrieb das in ihm liegende Ziel. Das gilt nicht für Aqua-
relle und Pastelle, die in unlauteren Wettbewerb mit dem Gemälde treten und
sich durch diese Prätensionen ad absurdum führen (Beispiele vorhanden). Es
wäre eine lohnende Aufgabe für später, einmal nach solchen rein gestaltungs-
mäßigen Gesichtspunkten eine Ausstellung aufzubauen.
Die Leitung des Sächsischen Kunstvereins (R. Richter) und der Arbeits-
ausschuß haben nach Bedeutung und Zusammenhang die Arbeiten geordnet
und die Produktion des einzelnen nicht getrennt, so daß jeder ganz sach-
lich und durch dekorative Hängerücksichten unbeschwert zur Geltung kommt.
Ein besonderes Verdienst ist der Ausbau des Materials nach der Seite der
Sonderfälle: Bildhauerzeichnungen (Barlach, Lehmbruck, Albiker, Kolbe,.
Wrba u. a.), Karikaturen (Gulbransson, T. T. Heine, K. Arnold), Humo-
risten (Eugen Kirchner, E. Harburger, Oberländer, Zille). In einem Raum
sind Arbeiten der jüngst Verstorbenen liebevoll gehängt (F. Marc, A. Macke,,
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(Als Ergänzung der deutschen Abteilung auf der
Internationalen Kunstausstellung Dresden ig2ö)
Von WILL GROHMANN
ES war eine glückliche Idee des Sächsischen Kunstvereins, die Internatio-
nale 1926“ durch eine große Aquarell- und Handzeichnungs-Ausstellung
der deutschen Künstler zu ergänzen. Das Gesamtbild der Kunst in Deutsch-
land erfährt dadurch quantitativ eine Erweiterung und wird verzweigter, bunter.
Die Ausstellung hat auch die kleineren Sonderbegabungen und lokalen Größen
heranzuziehen nicht verschmäht und aus über 3000 Einsendungen schließlich
ein Drittel ausgewählt, das sich zu gleichen Teilen auf die Prominenten, den
Durchschnitt und das Gros verteilt. Aquarelle und Handzeichnungen sind
gemeinsam eingeladen worden, und es zeigt sich, daß bei allen den Künstlern,
die nicht Spezialisten sind, diese Methode richtig war; denn die Grenze
zwischen Aquarell und Zeichnung ist fließender geworden und heute auch bei
demselben Künstler der Aufgabe und Absicht entsprechend veränderlich. Oft
drängen diese zur stärkeren Betonung des linearen Gerüstes (George Groß), oft
zur Ausschließlichkeit der Farbe (Schmidt-Rottluff). In der Fähigkeit, den
Aufwand der Mittel präzis zu bestimmen, unterscheidet sich auch hier der
Künstler vom Dilettanten. Die Zeiten der konventionellen Normierung sind
zunächst einmal vorbei, und jeder Künstler hat mit sich selbst auszumachen,
wo für seine darstellerischen Absichten die sprachlichen Mittel erschöpft sind;
ebenso wie es seine Sache ist, aus welchem Reservoir (Natur, Gedächtnis,
Imagination) er seine schöpferischen Kräfte speist, und bis zu welchem
Grade er seine Vorstellungswelt in Aquarell und Zeichnung ausformen will. In
Zeiten der Überlieferung und der Übereinkunft wird es immer eine Abgrenzung
der besonderen Mitteilungsarten auf Grund technisch-handwerklicher oder
gestalterischer Elemente geben; Aquarell und Zeichnung erscheinen als Vor-
stufe, als Naturstudie, Kompositionsskizze, Notierung eines Einfalls, nicht als
Selbstzweck, als eine Gattung für sich. Heute durchläuft beide Mitteilungs-
arten der ganze Prozeß des künstlerischen Schaffens vom ersten Einfall, der
ersten Notiz vor der Natur oder aus dem Gedächtnis bis zum fertigen Bild.
Unnötig zu sagen, daß mit diesem nicht die Vortäuschung eines Gemäldes
gemeint ist; fertig ist, was sein Gesetz erfüllt, nichts anderes. Fertig als Bild
ist eine Zeichnung von Schlemmer, ebenso wie ein Aquarell von Dix; in
beiden erreicht der Antrieb das in ihm liegende Ziel. Das gilt nicht für Aqua-
relle und Pastelle, die in unlauteren Wettbewerb mit dem Gemälde treten und
sich durch diese Prätensionen ad absurdum führen (Beispiele vorhanden). Es
wäre eine lohnende Aufgabe für später, einmal nach solchen rein gestaltungs-
mäßigen Gesichtspunkten eine Ausstellung aufzubauen.
Die Leitung des Sächsischen Kunstvereins (R. Richter) und der Arbeits-
ausschuß haben nach Bedeutung und Zusammenhang die Arbeiten geordnet
und die Produktion des einzelnen nicht getrennt, so daß jeder ganz sach-
lich und durch dekorative Hängerücksichten unbeschwert zur Geltung kommt.
Ein besonderes Verdienst ist der Ausbau des Materials nach der Seite der
Sonderfälle: Bildhauerzeichnungen (Barlach, Lehmbruck, Albiker, Kolbe,.
Wrba u. a.), Karikaturen (Gulbransson, T. T. Heine, K. Arnold), Humo-
risten (Eugen Kirchner, E. Harburger, Oberländer, Zille). In einem Raum
sind Arbeiten der jüngst Verstorbenen liebevoll gehängt (F. Marc, A. Macke,,
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