SAMMLER UND MARKT
PARISER VERSTEIGERUNGEN
In Paris gab es in dieser Saison nur bis jetzt
zwei Versteigerungen größeren Ausmaßes,
die Auktion Warne ck und die AuktionDu-
tasta. Verkaufslustige scheuen sich, den
Pariser Markt in Anspruch zu nehmen, für
hochvalutarische Objekte Geld einzustrei-
chen, das am nächsten Tag schon um ein
paar Prozente entwertet ist. Man sucht zu
kaufen, vermeidet zu verkaufen. Die Seque-
sterversteigerungen und sonstigen Kriegs-
folgeliquidationen sind erledigt, seitdem
hat Paris infolge der unsicheren Valuta-
verhältnisse erheblich an seiner Vorkriegs-
geltung eingebüßt. Freilich gehen große
Vermögensverschiebungen Hand in Hand
mit der Frankenbaisse, und es ist vor-
auszusehen, daß nach der Stabilisierung
manches von Bedeutung hier wieder auf
den Markt kommt. Hervorragende Werke
alter Meister werden freilich immer rarer,
es sind deren zuviel in den letzten Dezen-
nien aus Privatsammlungen in Museen und
vor allem nach Amerika abgewandert.
Auf den Auktionen Warneck und Dutasta
herrschte etwas wie Champagnerstimmung.
Man berauschte sich an den angeblichen
Rekordpreisen. Wenn man aber durch etwa
acht dividiert und so auf den Goldmark-
stand gelangt, tritt ziemliche Ernüchterung
ein. Tatsache ist, daß für gute und mittlere
Qualität durchwegs nicht die Vorkriegs-
preise (in Goldwährung) erreicht werden.
Nur für seltene Meister oder Werke erster
Qualität in ausnahmsweise vorzüglicher Er-
haltung werden Liebhaberpreise gezahlt,
die eine starke Steigerung gegen früher be-
deuten. Auf der Auktion Dutasta erzielte
Latours Porträt der Mme. Rouille de
l’Estang 1200000 Frs. (inklusive der Kosten),
das 1897 noch für 35000 Frs. zu haben war.
Die Sammlung Warneck setzte sich
aus ganz kleinen Bildchen zusammen, de-
ren Höhe und Breite meist unter 30 cm
blieb. Die Kunst war für Warneck eine Art
Flohtheater. Die größten Namen der Kunst-
geschichte kommen übrigens seiner Leiden-
schaft entgegen: nicht nur Brouwer, son-
dern auch Rembrandt, Rubens, van Dyck,
Frans Hals. Die Versteigerung der 115
Nummern brachte 8772800 Frs., dabei
ein kleines Männerporträt von Dirk Bouts
allein gooooo Frs. (dazu igV2% Aufgeld).
Rembrandt war mit fünf „Bildchen“ ver-
treten, so mit dem Porträt seines Sohnes
Titus, 38 x24 cm, das mit den 620000 Frs.,
die es erzielte, so wenig, wie so manches
andere Werk auf dieser Auktion, den
Schätzungspreis erreichte. Es ist also doch
nicht so leicht, aus einem Floh einen Ele-
468
fanten zu machen. Der Louvre erstand
drei Werke, von denen jedes einen beson-
deren Museumswert hat: die kleine Tafel
„Christus und die Samariterin“ des für die
spanische Kunstgeschichte überaus wichti-
gen niederländischen Malers Juan de Flan-
des, dessen Hauptwerk, ein groß es Altarbild,
in der Kathedrale von Palencia zu sehen ist
(zoooooFr.); ferner ein kleines entzückendes,
zwischen Köln und den Niederlanden be-
heimatetes Bild „Die Legende des Spiel-
manns und des Sankt Volto von Lucca“
(112000 Frs.); schließlich ein Seestück von
Bonington mit 1/5 Wasser und 4/5 Himmel,
das mit seiner breiten Pinselführung, seinem
Licht und seiner durchsichtigen Luft viel
Impressionistisches antizipiert (170 000 Frs.).
Die Nachlaßauktion Dutasta war ein
kunstgeschäftliches und gesellschaftliches
Ereignis. Dutasta war während des Krie-
ges französischer Gesandter in Bern. Nach
Friedensschluß zog er sich mit einem Ver-
mögen, das ihm gestattete, so wertvolle
Stücke wie das Pastell Latours und die
Porträts von Drouais „Herault de Sechel-
les als Kind“ und „Der Graf von Nogent als
Kind“ zu erwerben, ins Privatleben zurück.
Vor ein paar Tagen fand in Paris die Ver-
handlung gegen den Schweizer Bossard
statt, der angeklagt w'ar, während des Krie-
ges den französischen Journalisten Judet
mit dem damaligen deutschen Gesandten
v. Romberg in Bern in Verbindung gebracht
zu haben. Bossard behauptete, gewisse
Gelder, über die er sich ausweisen sollte,
im Kunsthandel verdient zu haben. Ver-
dient man Millionen im Kunsthandel? Der
Verteidiger Paul Boncour wies in einer bos-
haften Bemerkung auf das Ergebnis der
Vente Dutasta hin.
Sie brachte in zwei Tagen 16 043 650 Frs.
(dazu ig1/2°/o Aufschlag). Die Hauptstücke
dieser Dixhuitieme-Sammlung waren außer
dem Pastell von Latour und den beiden
Porträts von Drouais, die auf 435000 und
601000 Frs. kamen, eine Beauvaistapisserie
„Der Quacksalber“ (1652000 Frs.) und zwölf
Fauteuils mit Gobelinbezügen (1220000 Frs.).
ig23 waren dafür in London g45o sß, also et-
was mehr, bezahlt worden. Die Sensation
aber waren „Die beiden Küsse“, der be-
kannte farbige Stich von Debucourt, ein
zweiter Zustand in hervorragender Erhal-
tung, mit seinem ganzen Rand, avant la
lettre, nur mit dem Namen des Künstlers.
Er kam auf 510000 Frs.; ein wirklicher Re-
kordpreis.
Dixhuitieme und moderne Kunst stehen
zur Zeit in besonderer Gunst des Publi-
kums. Versteigerungen von Whrken leben-
PARISER VERSTEIGERUNGEN
In Paris gab es in dieser Saison nur bis jetzt
zwei Versteigerungen größeren Ausmaßes,
die Auktion Warne ck und die AuktionDu-
tasta. Verkaufslustige scheuen sich, den
Pariser Markt in Anspruch zu nehmen, für
hochvalutarische Objekte Geld einzustrei-
chen, das am nächsten Tag schon um ein
paar Prozente entwertet ist. Man sucht zu
kaufen, vermeidet zu verkaufen. Die Seque-
sterversteigerungen und sonstigen Kriegs-
folgeliquidationen sind erledigt, seitdem
hat Paris infolge der unsicheren Valuta-
verhältnisse erheblich an seiner Vorkriegs-
geltung eingebüßt. Freilich gehen große
Vermögensverschiebungen Hand in Hand
mit der Frankenbaisse, und es ist vor-
auszusehen, daß nach der Stabilisierung
manches von Bedeutung hier wieder auf
den Markt kommt. Hervorragende Werke
alter Meister werden freilich immer rarer,
es sind deren zuviel in den letzten Dezen-
nien aus Privatsammlungen in Museen und
vor allem nach Amerika abgewandert.
Auf den Auktionen Warneck und Dutasta
herrschte etwas wie Champagnerstimmung.
Man berauschte sich an den angeblichen
Rekordpreisen. Wenn man aber durch etwa
acht dividiert und so auf den Goldmark-
stand gelangt, tritt ziemliche Ernüchterung
ein. Tatsache ist, daß für gute und mittlere
Qualität durchwegs nicht die Vorkriegs-
preise (in Goldwährung) erreicht werden.
Nur für seltene Meister oder Werke erster
Qualität in ausnahmsweise vorzüglicher Er-
haltung werden Liebhaberpreise gezahlt,
die eine starke Steigerung gegen früher be-
deuten. Auf der Auktion Dutasta erzielte
Latours Porträt der Mme. Rouille de
l’Estang 1200000 Frs. (inklusive der Kosten),
das 1897 noch für 35000 Frs. zu haben war.
Die Sammlung Warneck setzte sich
aus ganz kleinen Bildchen zusammen, de-
ren Höhe und Breite meist unter 30 cm
blieb. Die Kunst war für Warneck eine Art
Flohtheater. Die größten Namen der Kunst-
geschichte kommen übrigens seiner Leiden-
schaft entgegen: nicht nur Brouwer, son-
dern auch Rembrandt, Rubens, van Dyck,
Frans Hals. Die Versteigerung der 115
Nummern brachte 8772800 Frs., dabei
ein kleines Männerporträt von Dirk Bouts
allein gooooo Frs. (dazu igV2% Aufgeld).
Rembrandt war mit fünf „Bildchen“ ver-
treten, so mit dem Porträt seines Sohnes
Titus, 38 x24 cm, das mit den 620000 Frs.,
die es erzielte, so wenig, wie so manches
andere Werk auf dieser Auktion, den
Schätzungspreis erreichte. Es ist also doch
nicht so leicht, aus einem Floh einen Ele-
468
fanten zu machen. Der Louvre erstand
drei Werke, von denen jedes einen beson-
deren Museumswert hat: die kleine Tafel
„Christus und die Samariterin“ des für die
spanische Kunstgeschichte überaus wichti-
gen niederländischen Malers Juan de Flan-
des, dessen Hauptwerk, ein groß es Altarbild,
in der Kathedrale von Palencia zu sehen ist
(zoooooFr.); ferner ein kleines entzückendes,
zwischen Köln und den Niederlanden be-
heimatetes Bild „Die Legende des Spiel-
manns und des Sankt Volto von Lucca“
(112000 Frs.); schließlich ein Seestück von
Bonington mit 1/5 Wasser und 4/5 Himmel,
das mit seiner breiten Pinselführung, seinem
Licht und seiner durchsichtigen Luft viel
Impressionistisches antizipiert (170 000 Frs.).
Die Nachlaßauktion Dutasta war ein
kunstgeschäftliches und gesellschaftliches
Ereignis. Dutasta war während des Krie-
ges französischer Gesandter in Bern. Nach
Friedensschluß zog er sich mit einem Ver-
mögen, das ihm gestattete, so wertvolle
Stücke wie das Pastell Latours und die
Porträts von Drouais „Herault de Sechel-
les als Kind“ und „Der Graf von Nogent als
Kind“ zu erwerben, ins Privatleben zurück.
Vor ein paar Tagen fand in Paris die Ver-
handlung gegen den Schweizer Bossard
statt, der angeklagt w'ar, während des Krie-
ges den französischen Journalisten Judet
mit dem damaligen deutschen Gesandten
v. Romberg in Bern in Verbindung gebracht
zu haben. Bossard behauptete, gewisse
Gelder, über die er sich ausweisen sollte,
im Kunsthandel verdient zu haben. Ver-
dient man Millionen im Kunsthandel? Der
Verteidiger Paul Boncour wies in einer bos-
haften Bemerkung auf das Ergebnis der
Vente Dutasta hin.
Sie brachte in zwei Tagen 16 043 650 Frs.
(dazu ig1/2°/o Aufschlag). Die Hauptstücke
dieser Dixhuitieme-Sammlung waren außer
dem Pastell von Latour und den beiden
Porträts von Drouais, die auf 435000 und
601000 Frs. kamen, eine Beauvaistapisserie
„Der Quacksalber“ (1652000 Frs.) und zwölf
Fauteuils mit Gobelinbezügen (1220000 Frs.).
ig23 waren dafür in London g45o sß, also et-
was mehr, bezahlt worden. Die Sensation
aber waren „Die beiden Küsse“, der be-
kannte farbige Stich von Debucourt, ein
zweiter Zustand in hervorragender Erhal-
tung, mit seinem ganzen Rand, avant la
lettre, nur mit dem Namen des Künstlers.
Er kam auf 510000 Frs.; ein wirklicher Re-
kordpreis.
Dixhuitieme und moderne Kunst stehen
zur Zeit in besonderer Gunst des Publi-
kums. Versteigerungen von Whrken leben-