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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 14
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Noack, Friedrich: Ponte-Molle und Cervaro, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0504

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Ponte-Molle und Cervaro
Von FRIEDRICH NOACK

Fortsetzung aus Heft io
DER Bajocco-Orden als Abzeichen der Zugehörigkeit zum deutschrömi-
schen Künstlervolk wurde seit Nerlys Herrschaft zugleich mit der Aufnahme
verliehen, die in einer der Schenken stattfand, wo man eines guten Weines
sicher war. Man nannte die mit allerhand scherzhaften Feierlichkeiten um-
gebene Aufnahme symbolisch den Übergang über Ponte-Molle, der
Schauplatz war um 1830 in der Regel die Osteria Scozzese bei der Piazza Bar-
berini. Wenn ein neuer Ankömmling „über P.-M. gehen“ wollte, so hatte er
der gesamten Ritterschaft auf seine Kosten einen Trinkabend zu geben. Ein
Anschlag im Caffe Greco kündigte ihn an, und alle fanden sich mit reichlichem
Durst und in Erwartung einiger lustigen Stunden zeitig ein. Als die Ver-
sammlung vollzählig war, meldete einer, der die „Fama“ spielte, es sei ein
Neuling angekommen, worauf der Präsident befahl, ihn hereinzuführen. Die
„Volkstribunen“ holten den draußen Harrenden, der seinen Einzug in irgend-
einer spaßhaften Weise vollzog. Da keuchte einer mit einer riesigen Studien-
mappe und Staffelei beladen und staubbedeckt herein, ein anderer ließ sich in
einem Kinderwägelchen anfähren, ein dritter ritt auf einem Langohr in den
Saal. Nachdem er dem Präsidenten über Name, Herkunft und Begehr Aus-
kunft gegeben hatte, befahl dieser der „Hebamme“, ihres Amtes zu walten.
Ein P.-M.-Ritter, der dies wunderliche Amt bekleidete, mußte auf scherzhafte
Weise feststellen, daß der Ankömmling männlichen Geschlechts war; alsdann
hatte der Aufzunehmende eine Prüfung über seine Fähigkeiten und Kenntnisse
als Künstler abzulegen. Sie bestand in einem Zwiegespräch zwischen dem
Präsidenten und dem Neuling, welches beiden Gelegenheit bot, die Gesell-
schaft mit witzigen Einfällen aufs beste zu unterhalten. Die Antworten des
Prüflings gaben gewöhnlich Zeugnis von einer bejammerswerten Einfalt und
Unwissenheit; er konnte die Farben von Salz und Wein nicht unterscheiden,
hielt eine Artischoke für den Rest eines antiken Tyrsusstabs, einen rohen
Heiligenholzschnitt für einen echten Lionardo da Vinci, ein römisches Zei-
tungsblatt für eine Papyrusrolle. Um ihn zu erleuchten, ließ der Präsident ihm
ein Glas Römerwein reichen, nach dessen Genuß ihm die Schuppen von den
Augen fielen und er die Dinge sah, wie sie wirklich waren. Zur Ergänzung
der mündlichen Prüfung mußte der Neuling, der „fresco“, auch eine Probe
seiner Kunst ablegen, indem er an der Tafel eine Zeichnung oder mit Ton
oder Brotkrume ein plastisches Modell anfertigte, wobei natürlich eine Kari-
katur oder sonst eine lustige Leistung zustande kam. Karl Blaas erhielt 183g
vom Präsidenten die Aufgabe gestellt, die Brücke über den Tiber zu zeichnen,
und zwar im strengen Stil, da er sich der kirchlichen Kunst widmen wollte.
Er zeichnete flugs eine „foglietta“ (Weinflasche) mit einem Heiligenschein,
als Wahrzeichen der edeln P.-M-Ritterschaft und bestand damit unter all-
gemeiner Heiterkeit die Probe glänzend. Hatte der Neuling seine künstlerische
Fähigkeit befriedigend bekundet, so schmückte der Präsident, der selber als
Abzeichen seiner Würde eine Kette von Bajocchi um den Hals trug, ihn mit
dem Bajocco-Orden und ließ zur Feier seiner Aufnahme eine sogenannte
Schnitzelbank aufführen. Diese Kurzweil bestand darin, daß der Präsident
etwas an die Tafel zeichnete und dabei sang: „Ist das nicht das Kurz und
Lang?“ (Chor: „Ja, das ist das Kurz und Lang.“) — „Ist das nicht die Schnitzel-
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