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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 20
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Rinnebach, Helmuth: Echt oder Fälschung?: ein kunst-kritischer Beitrag über Kunstfälschungen und ihre wissenschaftliche Bekämpfung
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0692

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Echt oder Fälschung?
Ein kunst-kritischer Beitrag über Kunstfälschungen und ihre
wissenschaftliche Bekämpfung von helmuth rinnebach

Motto: „Es ist selten ein Schatz ohne falsche Münze.“
Abraham a Santa Clara.
DAS lateinische Sprichwort „mundus vult decipi, ergo decipiatur“ hat bis auf den
heutigen Tag — ganz besonders auch auf dem weiten Gebiete der Kunst — seine
Geltung behalten, und die Geschichte der Fälschungen ist wohl ebenso alt
wie die Geschichte der Menschheit und verliert sich im Dunkel der Vorzeit.
Immer wieder tauchen in den Tageszeitungen und Fachzeitschriften von Zeit zu Zeit
Mitteilungen auf über aufgedeckte Bilderschwindel und raffinierte Kunstfälschungen,
wodurch auch die Allgemeinheit auf ein Gebiet hingewiesen wird, das sonst eigentlich
nur den Mann vom Fach: den Kunstsachverständigen, den Museumsleiter oder
Sammler angeht, und womit sich dieser — gewollt oder ungewollt — fast ständig zu
befassen hat.
Bekanntlich wird der gesamte Kunstmarkt mit Fälschungen geradzu überschwemmt,
und der Betrug mit Altertümern vor allem blüht heute mehr denn je. Es gibt
wohl überhaupt keinen Kunstzweig, der von Fälschungen verschont geblieben ist, mag
es sich nun um Gemälde oder Kunstblätter, Handschriften oder Druckwerke, Keramiken,
Email oder Glas, Plastiken oder Möbel, Gewebe oder sonstige Kunstarbeiten handeln.
Alles wird gefälscht, wenn sich nur die Arbeit lohnt; doch ist selbst der Fälscher von
der Geschäftskonjunktur abhängig. Auch hier richtet sich das Angebot nach der
Nachfrage! —
Im „Cicerone“ (17. Jahrg., Dezemberheft 24, 1925, S. 1200) findet sich ein beachtens-
werter Hinweis auf die „Miß stände im Holländischen K u n s t h a n d e 1“, wobei
die im „Nieuwe Rotterdamsche Courant“ veröffentlichten Ergebnisse einer Rundfrage
des holländischen Schriftstellers J. Brusse zugrunde gelegt worden sind. Danach wer-
den in Holland im allgemeinen nur Fälschungen nach Werken zweiten Ranges her-
gestellt und zum Kaufe angeboten, da Fälschungen nach Werken ersten Ranges keine
Aussichten auf Absatz finden. In Amsterdam wirke ein Spezialist im Anbringen ge-
fälschter Signaturen; die Adressen der Fälscher seien unter den Händlern ein offenes
Geheimnis, und Brüssel und Gent die Hauptsitze für die Nachahmung primitiver
niederländisch-flämischer Meister. — Brusse weist u. a. auch darauf hin, daß es nament-
lich in Haag Privatsammlungen gibt, deren Zusammenbringung Hunderttausende von
Gulden gekostet hat, die aber infolge der falschen Zuschreibungen nicht einmal den
fünften Teil wert sind. —
Die hohen Preise, die in den letzten fünfzig Jahren für alte Kunst gezahlt worden
sind, bilden die Hauptgründe, die den Fälscher in Bewegung setzen, und es gibt in
der Tat wohl kaum eine Privatsammlung, die trotz aller Vorsicht nicht wenigstens
eine Fälschung aufgenommen hätte, und es sind Beispiele genug vorhanden, daß selbst
die Museen und ernste Kunsthändler mitunter „hereingefallen“ sind. — Das Fälschen
ist im allgemeinen ein kostspieliges und außerordentlich mühsames Handwerk. Es
braucht viel Zeit und wohlüberlegte, minutiöse Arbeit, um zu vollwertigen Resultaten
zu gelangen. Daher lohnt es sich auch garnicht, Mittelware zu imitieren, sondern der
Fälscher muß sich auf ganz seltene und kostbare Objekte verlegen. Die Fälschungen
müssen natürlich alle Merkmale der Echtheit aufweisen und bis ins Kleinste mit den
Originalen übereinstimmen. Hierbei gehen die Fälscher oftmals mit dem unglaub-
lichsten Raffinement und der größten Sachkenntnis vor und erreichen eine derartige
virtuose Kunstfertigkeit, daß selbst der Sachverständige manchmal wie vor einem
Rätsel steht. Es sind mir vereinzelte Fälle' bekannt, wo bei Gegenüberstellung von
Original und Kopie selbst der Besitzer und namhafte Kenner nicht unterscheiden
konnten, was echt und was falsch war. —
Für den Kunstsachverständigen ist es daher eine seiner interessantesten,
Wenn auch schwierigsten Aufgaben, auf Grund seiner reichen Kenntnisse und Erfah-
rungen den Wert oder Unwert von Kunstgegenständen zu beurteilen und den exakten
Nachweis zu führen, ob der Kunstgegenstand echt oder gefälscht ist. Vielfach muß
heute der Kunstsachverständige zugleich auch Physiker und Chemiker sein, um über-
haupt noch positive Resultate erzielen zu können.
So brachten z. B. erst die moderne Photographie und Reproduktionstechnik der
Kupferstichforschung ungeahnte Hilfen, um Kopien und Fälschungen feststellen zu

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