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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 20
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Rinnebach, Helmuth: Echt oder Fälschung?: ein kunst-kritischer Beitrag über Kunstfälschungen und ihre wissenschaftliche Bekämpfung
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0693

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können, soweit dies überhaupt einwandfrei gelingt: Denn der Fälscher ist im allge-
meinen durchaus nicht dümmer als der Forscher, sondern oftmals — jedenfalls in tech-
nischer Hinsicht — noch klüger. So eröffnen gerade die modernen Reproduktions-
verfahren anderseits auch den Fälschern ganz ungeahnte Möglichkeiten.
Ein sehr interessantes Anschauungsmaterial für „Fälschungen mittelalter-
licher Kunstarbeiten“ — (Email- und Elfenbeinarbeiten) — birgt das Kestner-
Museum in Hannover. Sie stammen aus der C u 1 e mann s c h en Sammlung,
die 1887 für das damals erst projektierte Kestner-Museum erworben wurde. Einzelne
Stücke waren allerdings schon gleich seit der Eröffnung des Museums angezweifelt
worden, doch gelang es erst 1900 dem damaligen Direktorialassistenten Dr. Graeven,
der von 1900—1903 die mittelalterlichen Abteilungen bearbeitete, den Nachweis der
Fälscherwerkstatt mit ihren Vorbildern und ihrem Verfahren zu erbringen. In Aachen
hatten in den 1850 er und 60 er Jahren zwei namhafte Goldschmiedemeister und ein
Graveur, der zugleich in Elfenbein schnitzte, „auf antik gearbeitet“ und müssen mit
ihren Erzeugnissen einen schwunghaften Handel auch ins Ausland betrieben haben.
Gearbeitet wurde z. B. fleißig für den Diakonus Dr. Bock und den Pariser Sammler
Spitzer. — In dieser Werkstatt ist zumeist nur nach Zeichnungen oder Publikationen
kopiert worden, woraus sich die mancherlei Mißverständnisse bei der Wiedergabe der
Attribute usw. erklären, vielfach aber auch nach Originalen und Abgüssen von solchen
Kunstgegenständen, die die Besteller brachten. Teilweise sind auch „echte“ Stücke —
Elfenbeintafeln und Emailplatten — verwandt worden, um mit diesen ganz neue stil-
gerechte Stücke zu komponieren. Damit das Kopieren und Komponieren sich aber
besser lohnte, wurde oft ein so entstandenes neues Stück gleich in mehreren, immer
nur wenig veränderten Exemplaren hergestellt.
Als Adolf Furtwängler, der verstorbene Münchener Archäologe, den Dr. Carl
Jacobsen seinerzeit in Kopenhagen besuchte, dessen berühmte Glyptothek
damals noch in den Anfängen steckte, fand er ebenfalls unter den Antiken der Samm-
lung etliche neue „altrömische“ Stücke, die leicht ein eigenes Kabinett von Fälschungen
hätten abgeben können, wie es etwa sein Landsmann, der verstorbene Emil Hanno-
ver, für sein Kunstindustriemuseum später vorzubereiten suchte. —
Jedenfalls werden auch anderenorts heute noch in vielen Museen und Privatsamm-
lungen gewiß noch viele derartige Fälschungen unerkannt vertreten sein und tauchen
alle Augenblicke im Kunsthandel wieder auf. Eine allgemeine Reinigung aber kann nur
mit einiger Aussicht auf Erfolg durch rückhaltlose Aufdeckung und Zur-
schaustellung des Fäls cherverf ahr e n s erzielt werden! Deshalb sollte auch
der Sammler, der gewissenhaft arbeitet und einigermaßen wenigstens gegen Nacken-
schläge geschützt sein will, sich stets über die technischen Nachweise der Fälschungen
orientieren. Wer aber auch dann nicht die Kunst von der Pseudokunst unterscheiden
kann, lasse die Finger ganz vom Sammeln oder ziehe zumindest beim Ankauf von
Kunstgegenständen einen Sachverständigen zu Rate!! —
Übrigens fand erst kürzlich in Wien bis Ende März in der „Galerie des
ig. Jahrhunderts“ eine außerordentlich lehrreiche Wechselausstellung von
Kunstfälschungen statt, um auf diese anschauliche Weise auch dem größeren
Publikum einmal einen höchst willkommenen Einblick in dieses interessante Gebiet
der Kunstfälschungen zu bieten. Durch eigene Anschauung konnte hier auch der Laie
an Hand der zahlreichen charakteristischen Beispiele die verschiedensten Gebiete und
Arten von Kunstfälschungen kennenlernen, mit denen gerade heute der Kunstmarkt
überschwemmt wird. — Neben gefälschten Ölgemälden von Alt, van Gogh, Grützner,
Hodler, Klinger, Joseph Anton Koch, Spitzweg, Stuck u. a., um nur einige bekannte
Namen zu nennen, enthielt die Ausstellung auch kopierte Steindrucke von Kriehuter,
Gavami, Daumier usw. sowie raffinierte Fälschungen von Radierungen und Holz-
schnitten eines Millet, Anders Zorn, Emil Orlik u. dgl. mehr. Besonders lehrreich und
anregend wurde aber diese Ausstellung noch dadurch, daß zum Vergleich mit diesen
Fälschungen auch eine treffliche Auswahl von Originalen von Alt, Cezanne, Monet,
Waldmüller u. a. herangezogen werden konnte.
In diesem Zusammenhänge dürfte es vielleicht auch von allgemeinem Interesse
sein, hier wenigstens einen kurzen Ein- und Überblick über die „Geschichte der
Kunstfälschungen“ zu geben: Schon bei den Ausgrabungen in Ägypten
haben sich in den Gräbern Schmuckstücke gefunden, die neben echten Steinen
bereits bunte Gläser enthielten, und aus dem sog. „Neuen Stockholmer Papy-
r o s“, der aus dem 3. Jahrhundert stammt, wissen wir, daß man schon damals Edel-
steine nachzuahmen verstand, was aus den darin enthaltenen Vorschriften ersicht-
lich wird. Auch Seneca berichtet, daß es im alten Rom sogar Fabriken für falsche
Edelsteine gegeben habe, und Rhouosopoulos kommt auf Grund seiner Unter-

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