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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 16
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Noack, Friedrich: Ponte-Molle und Cervaro
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0557

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Ponte-Molle und Cervaro

Von FRIEDRICH NOACK

Fortsetzung aus Heft 14


BER die Cervarofeste der nächsten Jahre haben wir in deutschen Zeitungen

und Berichten von Romfahrem zum Teil ausführliche Beschreibungen, aus
denen wir uns ein vollständiges Bild von dem Verlauf eines solchen großen
Auszugs der Künstlerschaft machen können. Die Vorbereitungen begannen
mehrere Wochen vorher mit einer Ankündigung im Caffe Greco, womit die
Genossen zur Zahlung des erforderlichen Beitrags eingeladen wurden, der sich
gewöhnlich auf 5 Paoli (2 Lire 50 Centesimi) für die Fußgänger und einen
Scudo (5 Lire) für die Eselreiter belief. Der Präsident ernannte seinen General-
stab, dem die Leitung des Festes im einzelnen zufiel: die Kohortenführer sam-
melten die Gelder und teilten die Schar in mehrere Kohorten ein, Reiter zu
Pferd, zu Esel, Artillerie und Fußvolk, die Küchen- und Kellermeister sorgten
für Beschaffung von Speise und Trank, die Hofmaler und -bildhauer für die
künstlerische Ausschmückung des Zugs; sie malten Fahnen mit dem Wappen
der P.-M.-Gesellschaft, einer Foglietta (Weinflasche), umgeben von der Um-
schrift „Praeses Populusque Pontemollicus“ (PPQP), und statteten
den Wagen des Präsidenten würdig mit allerlei Zierat aus, meist in der Form
eines antiken Triumphwagens. Der Polizeimeister instruierte seine Schar, die
für die Aufrechterhaltung der Ordnung während des Festes und besonders für
die Fernhaltung lästigen Gesindels von der Feststätte, der Küche und den
Weinfässern zu sorgen hatte; diese Gendarmerie, zu welcher immer ein starker
Zulauf war, wurde humoristisch uniformiert und bewaffnet; sie trug hohe
Pappdeckelhüte mit dem Abzeichen der Foglietta, Achselstücke aus Salat-
blättern und war mit hölzernen Schwertern bewaffnet, die mit berühmten
Namen oder mit Sprüchen, wie: „Du sollst nicht töten“ und „Meide meine
Schneide“ beschrieben waren. In der Morgenfrühe des festgesetzten Tages
wurden bei der Kirche S. Maria Maggiore die Esel verlost, dann sammelten
sich die Teilnehmer an der Porta Maggiore, legten ihre Kostüme an, da die
karnevalistische Verkleidung innerhalb der Stadt nicht gestattet war, der Zug
ordnete sich nach Kohorten, den Schluß bildeten die Wein- und Küchen-
wagen, und um 7 Uhr rückte das bunte Heer auf der Via Prenestina aus. An
der Ruinengruppe Torre degli Schiavi wurde der Präsident erwartet, der
später auf seinem von riesigen weißen Ochsen gezogenen, reich geschmückten
Wagen, umgeben von seinem Hofstaat, abgefahren war. Als galoppierende
Adjutanten das Herannahen des Triumphwagens meldeten, stellten die Ko-
hortenführer ihre Mannschaften in Parade auf der Wiesenfläche um Torre
degli Schiavi auf, die Ankunft des Wagens, dessen Zugtiere mit Vergoldung
an den Hörnern und Blumengewinden geschmückt waren, wurde mit Hurra-
geschrei begrüßt, der Präsident nahm die Parade seines Heeres ab und hielt
darauf eine Ansprache von der Höhe seines Wagens, lobte die gute Haltung
der Truppen und erteilte zum Lohn die Erlaubnis zum Frühstück, das in
Eiern, Brot, Schinken und Wein bestand. Darauf bewegte sich der Zug über
die Via Collatina nach Cervaro, wo man gegen Mittag eintraf. Unter Leitung
des Hofarchitekten richtete ein Teil in der größten Grotte die Tafel und Sitze
mit Hilfe von Steinblöcken her und zierte den Präsidentensitz mit einer
Trophäe von Fahnen, andere bereiteten in einer Nachbargrotte das Mahl,
und der Hofbildhauer meiselte in die Wand der Hauptgrotte die Zahl der

Der Cicerone, XVIII. Jahrg., Heft 16

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