Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Ėttinger, Pavel D.: Die modernen Franzosen in den Kunstsammlungen Moskaus, Teil 2
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0127

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die modernen Franzosen in den
Kunstsammlungen Moskaus
II. TEIL: Mit sechzehn Abbildungen auf zehn Tafeln Von PAUL ETTINGER

DER Übergang von den Impressionisten zu der Trias Cezanne—Gauguin
—Van Gogh und den von ihnen ausgehenden Kunstströmungen, den wir
jetzt mit solcher Leichtigkeit bewerkstelligen, wie schwer muß er einst den
Moskauer Sammlern gewesen sein! Lebhaft in der Erinnerung ist mir die un-
sichere Miene Ssergej Iwanowitschs geblieben, mit welcher er seine beiden
ersten tahitanischen Gauguins dem Besucher zeigte, die vorderhand offiziell
noch gar nicht in der Sammlung figurierten, sondern aus einem Hinterzimmer
hervorgeholt wurden. Aber es dauerte nicht lange, da wurde Schtschukin ein
enragierter Gauguinsammler, der bald einen ganzen Saal mit den Gemälden
des Meisters füllen konnte. Eine wunderbare Symphonie polynesischen Seins
und Webens entstand von geradezu grandioser dekorativer Einheitlichkeit
mit einigen Glanzpunkten, wie die herrliche tahitanische Venus („La femme
au Mango“) oder die märchenhaft-exotische Landschaft mit dem Götzenbild
(„Rave tehiti aamu“)1. Hätte doch Gauguin einst, wie Denis, Bonnard und
Matisse, auch in Moskau Wandmalereien ausführen können! Auch Morosoff
hatte eine gehörige Anzahl Gauguinbilder zusammengebracht, und das Mos-
kauer Museum besitzt deren jetzt mehr als zwanzig, also eine Kollektion, die
wohl kaum ihres gleichen haben dürfte.
Quantitativ und qualitativ nicht minder imponierend ist die Cezanne-
Sammlung, bei welcher das größere Verdienst auf Iwan Abramowitsch fällt.
Die ersten Cezanne-Erwerbungen dürften übrigens nicht allzu beunruhigend
gewesen sein, handelte es sich doch um Stilleben, die auch konservativem
Geschmack annehmbar erscheinen konnten. Aber der Ankauf des bekannten
„Mardi gras“ seitens Schtschukins (Abb.) war gewissermaßen eine revolu-
tionäre Tat, um welche sich ein heißer Streit entspann, ebenso wie um die
ersten Landschaften, die so befruchtend auf die neueste russische Landschafts-
malerei gewirkt haben. Jetzt ist die Auswahl groß, und mit gleicher Bewunde^
rung steht man vor dem wie ein ungeheuerer Saphir blau erstrahlenden „Mont
St. Jean“, dem tiefgrünen „Marne-Ufer“ oder der „Gegend um den St. Viktorien-
berg“, die mit ihrem Aufbau von sandiggelben Flächen und saftigen Baum-
gruppen an eine ähnliche Leinwand in der Münchener Tschudi-Stiftung er-
innert. Unter den figürlichen Bildern und Studien, die auch zwei Selbstbild-
nisse auf weisen, frappieren einige durch ungewohnte Motive und Farbenwahl,
so ein Interieur mit pianospielendem Mädchen Und der frühe „Besuch“, augen-
scheinlich nach einem Modeblatt fast plakatartig auf flachem Hintergründe
gemalt, aber koloristisch ganz eigenartig in der Zusammenstellung des grün-
gestreiften Kleides, des Mädchens in Gelb und der roten Jacke der rechts-
stehenden Dame (Abb.). Das nicht vollendete Bildnis der Gattin des Künstlers
(Abb.) verdient noch besonderer Erwähnung, da das Körperliche hier mit einer
bei Cezanne seltenen Plastik herausgearbeitet ist.
Einen ganzen weiten Raum, wie den Moskauer Gauguin-Saal, könnte man
1 Die meisten der Moskauer Gauguins sind in dem Band „Gauguin“ der „Junge
Kunst“ Bd. 36 reproduziert Und zum Teil auch bereits im Jahrgang 1924 dieser Zeit-
schrift veröffentlicht worden. Die Schriftl.

Der Cicerone, XVIII. Jahrg., Heft 4

7

III
 
Annotationen