Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

DOI Heft:
Heft 7
DOI Artikel:
Reimann, Bruno W.; Honigberger, Ernst [Gefeierte Pers.]: Ernst Honigberger
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0247
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
seiner Studienzeit aufzuweisen hatten, erfuhren eine befreiende, für sein wei-.
teres Schaffen sehr wesentliche Lockerung. Die lebendigen, blutdurchpulsten
Motive waren Examina zugleich für äußere Kraft und inneren Impuls, die der
Künstler wohl bestand. Die großformatigen, figurenreichen Kompositionen
aus dieser Zeit sind kühn angelegt, frisch gewagt, mit einem gewissen rück-
sichtslosen Selbstvertrauen gemeistert. Es ergaben sich Härten, Unüberbrück-
bares, Unlösbares; dennoch erkannte man in diesen Werken als wertvolles
Resultat die zielbewußte Persönlichkeit selbständiger Observanz. Bei aller
Leidenschaftlichkeit der Bildkonzeption waren Leere, Konvention oder Über-
treibung verantwortungsbewußt gemieden, die aufrauschende Form entsprang
einem blutvollen Herzen, die Arbeit des Malers hielt ihre charakteristische
Richtung zur Innerlichkeit.
Der beseelte Ausdruck des menschlichen Antlitzes bot Ernst Honigberger
schon frühzeitig anregende Probleme. Ebenso wie er seine freien Bildkompo-
sitionen in eine harmonische Ordnung brachte, gliederte er den Ausdruck
seiner Köpfe und Gestalten stets einer symphonischen Form ein. Es schwingt
eine Melodie in diesen Werken des Malers, der seine hervorragende musi-
kalische Begabung mit in seiner Kunst zum Ausdruck bringt. Die Musik,
die in der ganzen Entwicklung des Künstlers von Jugend auf eine maßgebende
Rolle gespielt hat und der er noch heute als Geiger zusammen mit seiner
Frau und seiner Schwester manche Stunde der Andacht widmet, ist mit den
Elementen seines malerischen Schaffens eng verwachsen. Es ist die Melodie
in seiner Kunst, die die weitere Entwicklung Ernst Honigbergers maßgebend
beeinflußt. Sein Weg durch revolutionäre Ausdrucksformen hat ihm Erleb-
nisse und Förderung in bezug auf die Kompaktheit seiner großzügigen Kom-
positionen, seiner blutvollen Farbgebung erschlossen. Sein rastloses Streben
nach einer lapidaren, geläuterten Gegenständlichkeit bringt ihn seinem Ziele
nahe.
In der Reife seiner Entwicklung kommt der Maler ganz zu dem großen,
absoluten Vorbild der Natur, das seine innerliche Phantasie in eine harmo-
nische, künstlerische Lösung bringt. Abgeklärte Stilisierung, Einfachheit der
Ausdrucksmittel, klare großangelegte Farbe wurden die Wesenszüge seiner
Kunst. Bilder seiner Familie, die den Maler zu immer neuen Kompositionen
anregten, haben in ihrer edlen Wirkung etwas Sakrales. Ein Höhepunkt in
dieser Reihe ist das Doppelbildnis seiner Kinder. Die neuen Figurenbilder
gehen in ihren Titeln auf biblische Motive zurück und doch gestalten sie die
tiefinnerlichen, seelischen Impulse in beispielloser Wirklichkeitsnähe. Die
neueren Werke Ernst Honigbergers haben bei all ihrer absoluten Gegenwarts-
kraft etwas von jener altmeisterlichen Ruhe, die man schon seit langem gar
nicht mehr in den Reihen der schaffenden Jugend vermutet, vor der man doch
und wider Erwarten erstaunt und mit großer Achtung steht. Eine durch-
geistigte Handwerklichkeit schafft hier im vibrierenden Puls der Gegenwart,
eine reine und zukunftsfrohe Menschlichkeit ist in diesen Bildern gestaltet.

Der Cicerone, XVIII. Jahrg., Heft 7

14

23I
 
Annotationen