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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 10
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Kippenberger, Albrecht: Der große Ofen der Veste Coburg und die gußeisernen Öfen der Renaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0323
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Der große Ofen der Veste Coburg und
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die gußeisernen Ofen der Renaissance
Mit 29 Abbildungen auf 12 Tafeln Von ALBRECHT KIPPENBERGER

DIE Kunst des Eisenflachgusses, der Ofen- und Kaminplatten, der eisernen
Grabdenkmale, der Wappenplatten und der eisernen Brunnen, der gegos-
senen Türen ist bisher von der Kunstgeschichte gänzlich übersehen worden.
Nur Techniker und Sammler haben sich ihrer angenommen. Man wird sie
noch als einen dem Bronzeguß ebenbürtigen — zwar nicht so kostbaren —,
aber für das volkstümliche Wesen der deutschen Renaissance fast bezeich-
nenderen Zweig der Kunstübung des 16. Jahrhunderts kennenlernen. Die ge-
schmeidigere Bronze kann überarbeitet werden; das Vornehme geht von dem
Stoff in seine Ausgestaltung über; sie wird von den in Italien geschulten,
humanistisch gesonnenen Meistern, wie etwa Peter Vischer d.J., bevorzugt1. Am
Eisen dagegen hängt etwas von Schlichtheit, von der sauren Arbeit unter der
Erde, von dem harten Schlag des Schlegels, der es aus den Felsen löste, von
der Urwüchsigkeit des Berg- und Hüttenmannes und der deutschen Wälder,
in denen die Schächte gegraben wurden. Wäre Hans Sachs Bildschnitzer ge-
wesen, so hätte er sicher Modeln für den Eisenguß gearbeitet. Mit dem Ende
der innigen, volksnahen Frührenaissance, mit dem Beginn der Gegenrefor-
mation und der auf großartigere Wirkung bedachten Spätkunst tritt an Stelle
des spröden Eisens wieder der Ton — die Kachelöfen2.
Die ersten Eisenöfen kamen in der späten Gotik auf. Von ihnen scheint
uns vollständig nur der große Ofen auf der Veste Koburg erhalten zu sein
(Abb. 1—6). Er müßte am Eingang einer Geschichte der Gußeisenkunst stehen.
Wie im Mittelalter Schreine der Heiligen — auch noch das Sebaldusgrab in
Nürnberg — als Gebäude verstanden wurden, so kreisen auch um den Kobur-
ger Ofen Vorstellungen der großen Architektur: Die einzelnen Figurenfelder
sind wie Glasfenster mit Heiligen in einer gotischen Kirche. In der Ofenwand
über den Wimpergen werden Fenster, teils mit Maßwerk, teils mit angedeu-
teten Scheiben bedeckt, wiedergegeben. Ein Gesims mit einer Art Rund-
bogenfries gliedert bei den Platten mit Wappen diese Wand in der liegenden
Richtung. Die senkrechte Aufteilung übernehmen die Leisten, in die die ein-
zelnen Tafeln eingeschraubt wurden, die als Pfeiler gedeutet werden mögen.
Wie der Chor einer Kirche schließt der dem Raume zugekehrte Teil des Ofens
polygonal. Der Oberofen, der durch ein schattendes, starkes Gesims von dem
unteren abgesetzt ist, könnte — wenn es nicht zu kühn erscheint — als Ober-
gaden gelesen werden. Die Aufteilung des Vielecks, zu dem durch die gleiche
Breite und den gleichen Wappenschmuck auch die beiden Schmalplatten der
Seitenwände zu rechnen sind, schlägt auch noch in den Breitwänden durch,
denn je einem Teile zwischen zwei „Pfeilern“ entsprechen zwei Figuren-
fenster ungefähr auch in der Breite der Felder des Polygons. Daß indessen

1 Flötner wählte sogar das sich noch mehr schmiegendere und edlere Silber oder
das weiche Blei für seine Plaketten.
2 Eine gleich unterschiedliche Einwirkung der Stoffe auf den Künstler wie zwischen
Eisen und Bronce besteht zum Beispiel auch zwischen Steingut-Fayence einerseits
und andererseits Porzellan.

Der Cicerone XVIII. Jahrg., Heft 10

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