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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 14
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0521
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Ausstellungen

Stellung seiner Aufgabe entsprechend und
macht lebendig, was sonst in Magazinen
verstaubt. Alfred Salmony.
PRAG
Künstlervereinigung Man es zeigt eine
Kollektion neuester Arbeiten Boris D. Gri-
gorjeffs, die langsam aber sicher an-
ziehen und dann intensiv beschäftigen. Man
dringt schichtweise in sie ein. Zuerst hält
einen die fast bäuerlich-kräftige, in groß-
flächige Kontur schwingende Farbigkeit.
Darunter fesselt eine unerwartete Feinheit
der Tönung. Die führt zur Zeichnung, in
der sich in lauter Verspannungen, Verstre-
bungen, Entgegnungen und Paradoxien der
Linien ein dialektischer Prozeß entwickelt,
der diese zunächst so unscheinbaren Blät-
ter in ein unglaublich spirituelles Schauen
und „Bedeuten“ hinauftreibt. Aus dieser
unerhört gespannten Sehschicht treibt dann
als Tiefstes ein geheimnisvoller Mythos des
Wirklichen heraus, der die präzisest ge-
gebenen Alltäglichkeiten wie tiefste Wun-
der und Zeichen erscheinen läßt. Auf dieser
Stufe führt die Malerei den Prozeß des ma-
lerischen Erkennens in breite, allem Ding-
lichen offene Bereiche, in denen sich nun
die Dramen des Sichtbaren begeben. Und
die merkwürdige Durchdringung der drei
geologischen Schichten dieses Schauens,
der Vitalität, der Dialektik und des Mythos,
ergeben nun zwanglos und für alle ver-
ständlich jenes „russische Gesicht“, das
Grigorjeff in reicher Variation und zu
höchst persönlichen Bildern gestaltet vor
uns hinstellt.
Im Kunstverein die Vereinigung deut-
scher Künstler aus Mähren und Schlesien
„Die Scholle“. Nur der Grundklang kräf-
tiger Natürlichkeit erinnert an die Münch-
ner Namensschwester, im übrigen schwin-
gen hier — den Wanderfahrten der durch
kein eigenes Kunstzentrum gebundenen
Mähren entsprechend — Münchner, Wiener
und Pariser Einflüsse zusammen zu einem
lebendigen Gesamtbild. Sehr bodenständig
der im vorigen Jahre verstorbene Thuma,
der aus der mährischen Landschaft sehr
innige, dabei großgesehene Farben heraus-
holt. Den Kern der Vereinigung bilden der
farbig-lebendige Czank, der Habermann-
schüler Beran und der an Pariser Farb-
kultur geschulte Böhm. Um sie eine Reihe
jüngerer Kräfte, die von dem künstlerischen
Leben dieser stillen Provinz des Ausland-
deutschtums gutes Zeugnis ablegen. Die
Prägekunst Oppenheimers verdient erwähnt
zu werden.
Gleichfalls im Kunstverein eine Kollek-

tion von Zeichnungen und Aquarellen der
Pariser Malerin Cilette, die auch in Dresden
und Hamburg nicht mehr unbekannt ist.
Ihre sehr feine Art, begrenzte Sichten, stille
Menschen, ein Kind in klingende Rhyth-
men zu heben, verdient Beachtung. Hier ist
eine stille, aber tiefe Kultur am Werk.
Schürer.
WINTERTHUR
Der Kunstverein veranstaltet eine große
Gedächtnisausstellung des Lausanner Ma-
lers Felix Valloton (1865—1925), dessen
Hauptsammler in Winterthur sitzen. Vallo-
ton ist keine eindeutige Erscheinung. Die
Stilsicherheit der französischen Malerei
fehlt ihm. Er entgleist, er packt. Er greift in
die Tiefe, er wirkt dekorativ bis zur Ge-
schmacklosigkeit. Ununterbrochene Gegen-
sätzlichkeiten häufen sich in seinem Werk:
Er hat in allen Perioden Momente, in denen
es ihm möglich ist, unmittelbar die Kreatur
zu erfassen, gleichgültig, ob er einen toten
Fisch wiedergibt, dem man es ansieht, daß
er brutal dem ihm zugehörigen Element ent-
rissen ist, ob er das pessimistische Gesicht
Octave Mirbeaus mit dem schiefgezogenen
Mund malt oder — noch 1925 — eine
alternde Frau halb entblößt und verbittert
ihr Bild vor der Staffelei betrachten läßt.
Seinen Höhepunkt erreicht er in gewissen
vorahnenden Bildern der „neuen Sachlich-
keit“, die bei ihm, trotz seines persönlichen
Umgangs mit den Spätimpressionisten,
sich in einem Zurückgreifen auf Ingres äu-
ßert. Unvergessen werden vorab seine Holz-
schnitte bleiben (L’anarchiste), die teils einen
Masereel vorwegnehmen. Zu den Großen
wird er nie zählen, dazu fehlt ihm die gleich-
mäßige Qualität. Er hat nur Momente; diese
aber greifen rasch ins Geniale. Giedion.
ZÜRICH
Über die vorzüglichen Südseeplastiken
aus der Galerie Flechtheim, die im Kunst-
haus Aufnahme fanden, und wertvolle Be-
lebung brachten, hat bereits Eckart von Sy-
dow berichtet.
Eine wichtige Ausstellung ist dem Kunst-
salon Wolfsberg zu danken. Eine Gesamt-
schau des cenvre von Theophile Robert,
einer der bemerkenswertesten Schweizer
Nachexpressionisten, der der Künstlerfami-
lie gleichen Namens entstammt.
Mit einem sorgfältigen Oeuvrekatalog
wurde im Mai-Juni eine Gedächtnisausstel-
lung Emil Anners (1870—1925) im Kunst-
haus gezeigt. Eine Stellungnahme entfällt,
da der Name das Lokale nicht überschrei-
ten kann. Giedion.
 
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