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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 22
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Neugass, Fritz; De Chirico, Giorgio [Gefeierte Pers.]: Giorgio de Chirico
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0678
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Giorgio cle Chirico Le Musee Inquietant. 1914
Coli. Paul Guillaume
Architekturbilder des Trecento und Quattrocento mächtig angeregt1. 1910, als Zwei-
undzwanzigjähriger, schafft er sein erstes selbständiges Bild: Rätsel eines Herbstabends.
Seine Jugendwerke sind in Form und Inhalt einheitlich. Immer handelt es sich um
visionäre Stadtansichten und -Landschaften, in welchen Phantasie und Wirklichkeit
traumhaft verschmelzen: Unruhig drohende Leere der Plätze von beängstigender Ein-
samkeit, umrahmt von Torbogen, Säulen, Ruinen und Türmen, die sich in harter
Silhouette von dem leuchtenden Abendhimmel abheben. Totenblässe, Unwirklichkeit
und magisches Mondlicht erfüllen die Komposition. Tiefe Schatten unsichtbarer
Statuen überschneiden den Platz oder dunkle einsame Figuren verlieren sich in der
Tiefe des Raumes. Dazwischen schreiende paradoxale Wirklichkeit: Eine Uhr im
Giebel eines Tempels oder rauchende Lokomotiven hinter einer Mauer. Diese Er-
innerung des Alltags erhöht noch das Angstgefühl des Betrachters und betont die
Leuchtkraft und Unwirklichkeit der Vision. Hell und Dunkel sind rhythmisch gestuft,
von der Seite durch ein verborgenes tiefes Lichtzentrum beleuchtet, das lange Schatten
wirft. Die tiefe Raumwirkung ist typisch für die südländische Mentalität, die Stärke
1 Man vergleiche hierzu den wichtigen Beitrag Theodor Däublers im Cicerone bzw. Jahrbuch der
jungen Kunst 1920 unter dem Titel »Neueste Kunst in Italien«. JQer Herausgeber.

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