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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 22
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Neugass, Fritz; De Chirico, Giorgio [Gefeierte Pers.]: Giorgio de Chirico
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0679

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Giorgio de Chirico Einsame Straße. 1914
Coli. Paul Guillaurue
des Ausdrucks und die Sparsamkeit der Mittel fast beängstigend für den Betrachter.
Man kann sich nicht ganz des Eindrucks einer Bühnendekoration erwehren, wobei die
Mitte der Bühne leer bleibt, die Seitenkulissen grell beleuchtet sind und monumen-
tale Statuen die Leere des Raumes noch verstärken. Licht und Schatten stehen in
grausamem Kontrast. Die Gebäude sind von jeglichem Ornament entblößt, nackt,
wie der leere Platz und der wolkenlose Himmel. Die Abstraktion der Details verstärken
noch den kalten Schauer dieser Szenen. Diese Bilder erfreuen nicht, sie verwirren
und haben etwas Dämonisches. Die Natur ist aus diesem Reich der steinernen Visionen
entschwunden.
Seit 1914 wird die Raumwirkung durch neue Gegenständlichkeit verdrängt. Der
Vordergrund seiner Kompositionen wird erfüllt von seltsam kontrastierenden Dingen:
Gipsköpfen, Kugeln, Gummihandschuhen und geometrischen Grundformen. Die
Mannequins sind Gestalten ohne Arme und mit flachen ovalen Köpfen, wobei die Ge-
sichter durch Ornamente ersetzt werden. Chirico nennt diese Periode seines Schaffens
»Pittura metafysica«. In anderen Bildern komponiert er Stilleben und Interieurs, wo-
bei die Details in lebhafter Plastik betont werden und mysteriöse Maschinen und ab-
strakte Konstruktionen seinen Tribut an den Zeitgeist bezeugen.
Erinnerungen an die italienische Renaissance verbinden sich mit dem Konstruktivismus
Picassos. Während des Krieges ging Chirico mit Carrä zusammen und erlebte die
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