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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 5
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0163
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Auswahl bei den großen Quattrocentomcistern. Sie
sind in langer Folge nebeneinandergereiht: Por-
trätköpfe und Reiter Paolo Uccellos aus den Uffi-
zien, streng konturierte Aktstudien Antonio Pol-
laiuolos, Studienköpfe Yerrocchios und Ghirlan-
dajos und ihrer Schule, Gewand- und Komposi-
tionsstudien Botlicellis und Filippinos (von den
fiinf Oxforder Zeichnungen [Nr. 4 2 4] sind die
oberen drei manieristische Nachzeichnungen nach
dem gleichfalls ausgestellten Bilde Piero di Cosi-
mos mit der Darslellung des Lapithen- und Zen-
taurenkampfes), Köpfe, Akte und Kartons Signo-
rellis und Peruginos. Den größten Raum nehmen
Leonardo, Raffael und Michelangelo ein. Wäh-
rend man auf der Ausstellung Raffael in Gemäl-
den und Zeichnungen aus allen Zeiten, Michelan-
gelo in seinem David aus dem Bargello, dem Lon-
doner Madonnentondo und gleichfalls in einer gros-
sen Reilie Zeichnungen studieren kann, hat man
sich bei Leonardo auf eine besonders glückliche
Auswahl von Zeichnungen von überallher be-
schränkt, die die Yielseitigkeit seiner Studien und
Inventionen aufs beste dokumentieren.

Während in Mittelitalien bis zu Raffael hin der
Silberstift ein wesentliches Ausdrucksmittel der
Zeichner ist, bestimmen die oberitalienische Zei-
chenkunst des Quattrocenlo fast ausschließlich Fe-
der und Kreide. Ilöhepunkte sind die fein ausge-
führten Naturstudien Pisanellos und die Komposi-
tionsskizzen Mantegnas, die ihm oder den Ste-
chern als Yorlagcn dienten. Eine der veronesischen
Schule zugeschriebene Fedcrzeichnung mit der
Darstellung eines Reiters steht slilistisch Jacopo
Bellini, von dem das British Museum eine ver-
wandte Darstellung mit dem heiligen Georg ver-
wahrt, nahe. Merkwürdigerweise fehlt Jacopo Bel-
lini in der sonst lückenloscn Reihe der veneziani-
schen Zeichner. Die Auswahl erhebt sicli kaum
über das von Hadeln in seinen allgemein leicht zu-
gänglichen Werken über die venezianische Zeich-
nung gesannnelte Material.

Unter den venezianischcn Blättern der Hoch-
renaissance fallen eine bisher nur wenig beach-
tete Federzeichnung mit der Figur cines stehen-
den jungen Mannes von Giorgione (Uffizien) auf,
die leider durch Flecken entstellt und von späterer
Hand mit schwarzer Kreide übergangen, große
Sicherheit im Erfassen der körperlichen Anatomie
cnthüllt; von Tizian außer den prachtvollen Uffi-
zienzeichnungen ein jugendlicher KopfderSanmi-
lung Russell in drei Kreiden; von Tintoretto außer
den bereits publizierten Blättern eine Aktfigur in
schwarzer Kreide aus der Sammlung Witt.

Die gleiche Zeitspanne, etwa von i4oo bis 1600,
erfaßt die ergänzende Ausstellung des Kupfer-
stichkabinetts des British Museum, das in einer
gewissen Zahl von Blättern die kostbarsten Probcn
seines reichen Besitzes an ilalienischen Iiandzeich-
nungen gesondert zugänglich gemacht hat. Beide
Ausstellungen zusammengenommen bieten die urn-

fassendste Darstellung der italienischen Zeichen-
kunst der Renaissance, wie sie midieloser nie vor-
her studiert werden konnte. Scharf

AUSSTELLUNG ALTFRANZÖSISCHER PLASTIK
IN DER GALERIE DEMOTTE, NEW YORK
Endc Februar ist in der Galerie Demotte, New
York, eine zwar kleine, aber sehr interessante Aus-
slellung französischer Plastik eröffnet worden, zu
der der verdiente Präsident der Gesellschaft für
französische Kunstgeschichte, Louis Reau, ein le-
senswertes Vorwort geschrieben hat. Die Ausstel-
lung beschränkt sich darauf, an einer Reihe gut
gewählter Beispiele die Enlwicklung dcs Madon-
nentyps vom 12. bis 18. Jahrhundert zu erläu-
tern und die charakteristischen Merkmale des
»Geopolitischen« in der Kunst anschaulich zu ma-
chen. So sind in diesem Zusammcnhang die Ver-
schiedenheiten der Auffassung und der künstleri-
schcn Einstellung innerhalb der Landschaften
Frankreichs besonders aufschlußreich. Als ältestes
Beispiel wird eine Mutter Gottes aus der Auvergnc
(12. Jahrhundert) vorgeführt, die den Typ der
französischen Kunst des Nordens repräsentiert,
und sich als solche auch mit anderen berühmten
Darstellungen der gleichen Gegend berührt. Aus
dem 12. Jahrliundert sieht man eine Mutter Got-
tes in polychromiertem Stein, die aus Avranche
in der Normandie stammt, ebenfalls für sich ein
Beispiel des frühen Stils in der französischen Pla-
stik, der sieh in den beiden folgenden Jahrhunder-
ten mehr dem Lebcn zu entwickelt und das Bild
dcr Gottesmutter vermenschlicht. Als besonders
schönen Proben dieser hohen plastischen Gestali-
tung sei hier auf die begleitenden Abbiklungen
einer Madonna mit Kind in polychromiertem Stein
aus der Schule von Burgund, Ende i4.Jahrhun-
dert, und eine etwas spätere Madonna in bemal-
tem Holz aus der Schule von Reims, Mitte des
15. Jahrhunderts, verwiesen. In dieser Gegeniiber-
stellung einer stehenden und einer sitzenden Mut-
ter Gottes verdeutlicht sich zugleich auch das
eigentliche Problem der Ausstellung nach ihrer
typologischen Seite hin, und so wird den ameri-
kanischen Kunstfreunden zum erstenmal ein Ge-
biet anschaulich gemacht, das zu dem schönsten
und edelsten der mittelalterlichen Kunst in Enropa
gehört. Zu bedauern bleibt vielleicht, wie lleau be-
merkt, das Fehlen der Schule der Touraine und
des Südens von Frankreich. Dafür aber ist der
Gesamteindruck durch die Variation der Objekte
im Hinblick auf Zeit und Landschaft absolutüber-
zeugend. B.

DIE BERLINER REMBRANDT-AUSSTELLUNG
Zum zweiten Male haben sich die Akademie der
Künste und die Berliner Museen zusammengetan,
urn einen der Größten der Kunst zu ehren. Beide
Male waren die Prinzipien, unter denen man die
Ausstellung geschaffen hat, dieselben, den Besitz

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