400
brauweiler: kapitelsaal.
Es ist zweifelhaft, inwieweit hier wieder maßgebend der Orient eingewirkt hat. Der älteste griechische
Ausleger des Hebräerbriefes ist Origenes, aber von seinen Homilien sind nur zwei Fragmente in der
Kirchengeschichte des Eusebius erhalten, von seinem Kommentar zwei kleine Stücke in der Apologia pro
Origene des Pamphilus. Aber das Abendland hat sich schon früh gegen die griechische Theologie ab-
geschlossen, so daß auch in den frühesten lateinischen Kommentaren in unserem Brief nicht mit Deut-
lichkeit griechische Vorbilder nachgewiesen werden können. Doch ist gerade in der Deutung der frag-
lichen Verse des 11. Kapitels des Hebräerbriefes auf einzelne Heilige ersichtlich, daß hierbei orientalische
Reminiszenzen reichlich mitsprechen111.
Von dem ältesten lateinischen Kommentar, den wir besitzen, dem am Ende des 8. Jh. entstandenen
Kommentar des Alcuin, mit dem wieder der sog. Ambrosiaster übereinstimmt, sind leider die drei letzten
Kapitel nicht erhalten112. Aber schon der überaus ausführliche und wortreiche Kommentar, den wenig
später (zwischen 842 und 847) Rabanus Maurus dem Hebräerbrief gewidmet hat, bringt, und soweit
wir sehen können, in der abendländischen Literatur am frühesten, eine detaillierte Auslegung zu den
einzelnen Versen113. Freilich ist er hier sehr stark Kompilator und leimt in diesem Kommentar mehr
noch als in der Auslegung der übrigen paulinischen Briefe zusammen, was er sonst bei den Kirchenvätern
vorgefunden hat. Er erwähnt schon als Illustration zu den Worten ,obturaverunt ora leonum' Daniel
in der Löwengrube, zu dem Wort ,exstinxerunt impetum ignis' die drei Männer im feurigen Ofen, zu dem
,acceperunt mulieres ex resurrectione mortuos suos' Elisa und Elias. Dann freilich treten Parallelen
zu den Schriftstellen auf, die in dem Bilderkreis von Brauweiler nicht vorkommen. Zu den alii
distenti sunt nennt Rabanus Johannes und Jakobus, die distentio bedeute die decollatio. Zu dem
,lapidati sunt' bringt er das naheliegende Bild des Martyriums des h. Stephanus, zu den vineula et
carceres aber abweichend den Zacharias, zu denen, die in Schaffellen und Ziegenfellen umherwandelten,
zitiert er auffallenderweise nicht die Einsiedler und Eremiten, wie schon Johannes Cassianus, den er
sonst fleißig benutzt114, sondern wiederum Elias.
Rabans Schüler, der als Abt der Reichenau 849 gestorbene Walafrid Strabo hat, vielleicht unabhängig
von seinem Lehrer, einen Kommentar zum Hebräerbrief geschrieben, in dem er vor allem Alcuin reichlich
ausschreibt. In den Auslegungen des letzten Teiles dürfen wir wohl manche Reminiszenzen an die nicht
überlieferten drei letzten Kapitel des Alcuinischen Kommentars erblicken. Walafrid Strabo bringt aber
nur die üblichen Parallelen zu v. 32, zu v. 33 nennt er David und Abraham, zu v. 35 als die exempla
patientiae Abel bis Zacharias115.
Neben diesen drei großen Namen aus der karolingischen Literatur ist noch ein weniger bekannter
Name aus dem Anfang des 9. Jh. unter den Auslegern des Hebräerbriefes zu nennen. Smaragdus, der Abt
in dem Michaelskloster in der Diözese Verdun war, vorher Lehrer der Grammatik und 810 als Legat
Karls des Großen in Rom, hat zwar keinen eigenen Kommentar zum Hebräerbrief geschrieben, aber in
seinen Collectiones in epistolas et evangelia per cireuitum anni auch Hebr. XI, v. 33—39 ausgelegt. Auch
er ist Kompilator, arbeitet mit reichen Kollektaneen aus den Vätern. In der Deutung der einzelnen Verse
gibt er aber eine größere Zahl von Namen der als Parallelen angezogenen Persönlichkeiten des Alten und des
Neuen Testamentes und der Heiligen, er nähert sich schon mehr der in Brauweiler durchgeführten Reihe116.
111 Vgl. hierzu eingehend Ed. Riggenbach, Historische
Studien zum Hebräerbrief. I. Die ältesten lateinischen Kom-
mentare zum Hebräerbrief (Forschungen z. Gesch. d. neu-
testamentlichen Kanons u. d. altchristlichen Literatur,
herausgeg. v. Th. Zahn VIII, Leipzig 1907). Von den Kom-
mentaren vor allem zu nennen F. Bleek, Der Brief an die
Hebräer, 2 Bde., Berlin 1828—40. — Bernh. Weiss,
Kritisch exegetisches Handbuch über den Hebräerbrief
(Krit. exeget. Kommentar über das neue Testament v.
H. A. W. Meyer XIII), Göttingen 1888. — Aloys Schäfer,
Erklärung des Hebräerbriefes (die Bücher des neuen Testa-
mentes erklärt, V), Münster 1893. Vgl. im übrigen
Wetzer u. Welte, Kirchenlexikon IX, S. 1706. — Hauck,
Realencyclopädie f. Protestant. Theologie VII, S. 492.
112 Alcuini expos. in epistolam Pauli ap. ad Hebraeos:
Migne, Patrologia lat. 100, p. 1031. Die drei letzten Kapitel
fehlen.
113 B. Alcuini Mauri enarrationes in epp. Pauli lib. XXIX
(Migne, Patrologia lat. 112, p. 805).
114 Vgl. darüber Riggenbach a. a. O. S. 35.
115 Walafridi Strabi glossa ordinaria. Epistola ad Hebraeos:
Migne, Patrologia lat. 114, p. 643.
116 Smaragdi abbatis S. Michaelis ad Mosam collectiones
in epistolas et evangelia: Migne, Patrologia lat. 102, p. 544:
Obturaverunt ora leonum. Hic de Daniele eum dicere
puto.
Exstinxerunt impetum ignis . . . Hic autem de tribus
pueris eum dicere puto.
brauweiler: kapitelsaal.
Es ist zweifelhaft, inwieweit hier wieder maßgebend der Orient eingewirkt hat. Der älteste griechische
Ausleger des Hebräerbriefes ist Origenes, aber von seinen Homilien sind nur zwei Fragmente in der
Kirchengeschichte des Eusebius erhalten, von seinem Kommentar zwei kleine Stücke in der Apologia pro
Origene des Pamphilus. Aber das Abendland hat sich schon früh gegen die griechische Theologie ab-
geschlossen, so daß auch in den frühesten lateinischen Kommentaren in unserem Brief nicht mit Deut-
lichkeit griechische Vorbilder nachgewiesen werden können. Doch ist gerade in der Deutung der frag-
lichen Verse des 11. Kapitels des Hebräerbriefes auf einzelne Heilige ersichtlich, daß hierbei orientalische
Reminiszenzen reichlich mitsprechen111.
Von dem ältesten lateinischen Kommentar, den wir besitzen, dem am Ende des 8. Jh. entstandenen
Kommentar des Alcuin, mit dem wieder der sog. Ambrosiaster übereinstimmt, sind leider die drei letzten
Kapitel nicht erhalten112. Aber schon der überaus ausführliche und wortreiche Kommentar, den wenig
später (zwischen 842 und 847) Rabanus Maurus dem Hebräerbrief gewidmet hat, bringt, und soweit
wir sehen können, in der abendländischen Literatur am frühesten, eine detaillierte Auslegung zu den
einzelnen Versen113. Freilich ist er hier sehr stark Kompilator und leimt in diesem Kommentar mehr
noch als in der Auslegung der übrigen paulinischen Briefe zusammen, was er sonst bei den Kirchenvätern
vorgefunden hat. Er erwähnt schon als Illustration zu den Worten ,obturaverunt ora leonum' Daniel
in der Löwengrube, zu dem Wort ,exstinxerunt impetum ignis' die drei Männer im feurigen Ofen, zu dem
,acceperunt mulieres ex resurrectione mortuos suos' Elisa und Elias. Dann freilich treten Parallelen
zu den Schriftstellen auf, die in dem Bilderkreis von Brauweiler nicht vorkommen. Zu den alii
distenti sunt nennt Rabanus Johannes und Jakobus, die distentio bedeute die decollatio. Zu dem
,lapidati sunt' bringt er das naheliegende Bild des Martyriums des h. Stephanus, zu den vineula et
carceres aber abweichend den Zacharias, zu denen, die in Schaffellen und Ziegenfellen umherwandelten,
zitiert er auffallenderweise nicht die Einsiedler und Eremiten, wie schon Johannes Cassianus, den er
sonst fleißig benutzt114, sondern wiederum Elias.
Rabans Schüler, der als Abt der Reichenau 849 gestorbene Walafrid Strabo hat, vielleicht unabhängig
von seinem Lehrer, einen Kommentar zum Hebräerbrief geschrieben, in dem er vor allem Alcuin reichlich
ausschreibt. In den Auslegungen des letzten Teiles dürfen wir wohl manche Reminiszenzen an die nicht
überlieferten drei letzten Kapitel des Alcuinischen Kommentars erblicken. Walafrid Strabo bringt aber
nur die üblichen Parallelen zu v. 32, zu v. 33 nennt er David und Abraham, zu v. 35 als die exempla
patientiae Abel bis Zacharias115.
Neben diesen drei großen Namen aus der karolingischen Literatur ist noch ein weniger bekannter
Name aus dem Anfang des 9. Jh. unter den Auslegern des Hebräerbriefes zu nennen. Smaragdus, der Abt
in dem Michaelskloster in der Diözese Verdun war, vorher Lehrer der Grammatik und 810 als Legat
Karls des Großen in Rom, hat zwar keinen eigenen Kommentar zum Hebräerbrief geschrieben, aber in
seinen Collectiones in epistolas et evangelia per cireuitum anni auch Hebr. XI, v. 33—39 ausgelegt. Auch
er ist Kompilator, arbeitet mit reichen Kollektaneen aus den Vätern. In der Deutung der einzelnen Verse
gibt er aber eine größere Zahl von Namen der als Parallelen angezogenen Persönlichkeiten des Alten und des
Neuen Testamentes und der Heiligen, er nähert sich schon mehr der in Brauweiler durchgeführten Reihe116.
111 Vgl. hierzu eingehend Ed. Riggenbach, Historische
Studien zum Hebräerbrief. I. Die ältesten lateinischen Kom-
mentare zum Hebräerbrief (Forschungen z. Gesch. d. neu-
testamentlichen Kanons u. d. altchristlichen Literatur,
herausgeg. v. Th. Zahn VIII, Leipzig 1907). Von den Kom-
mentaren vor allem zu nennen F. Bleek, Der Brief an die
Hebräer, 2 Bde., Berlin 1828—40. — Bernh. Weiss,
Kritisch exegetisches Handbuch über den Hebräerbrief
(Krit. exeget. Kommentar über das neue Testament v.
H. A. W. Meyer XIII), Göttingen 1888. — Aloys Schäfer,
Erklärung des Hebräerbriefes (die Bücher des neuen Testa-
mentes erklärt, V), Münster 1893. Vgl. im übrigen
Wetzer u. Welte, Kirchenlexikon IX, S. 1706. — Hauck,
Realencyclopädie f. Protestant. Theologie VII, S. 492.
112 Alcuini expos. in epistolam Pauli ap. ad Hebraeos:
Migne, Patrologia lat. 100, p. 1031. Die drei letzten Kapitel
fehlen.
113 B. Alcuini Mauri enarrationes in epp. Pauli lib. XXIX
(Migne, Patrologia lat. 112, p. 805).
114 Vgl. darüber Riggenbach a. a. O. S. 35.
115 Walafridi Strabi glossa ordinaria. Epistola ad Hebraeos:
Migne, Patrologia lat. 114, p. 643.
116 Smaragdi abbatis S. Michaelis ad Mosam collectiones
in epistolas et evangelia: Migne, Patrologia lat. 102, p. 544:
Obturaverunt ora leonum. Hic de Daniele eum dicere
puto.
Exstinxerunt impetum ignis . . . Hic autem de tribus
pueris eum dicere puto.