Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
DIE RHEINISCHE MONUMENTALMALEREI.

781

Am mittleren Niederrhein, zwischen Bonn und Mainz und in den beiderseitigen Uferbezirken, bleibt
noch weit in das 13. Jh. hinein der fließende Stil lebendig, nur wie in den beiden Kölner Kirchen und in
Bonn gemengt mit einzelnen eingesprengten byzantinischen Anklängen. Es ist schwer, aus dem Zyklus
mit der Legende des h. Severus in Boppard (vgl. oben S. 475), der um 1235 entstanden ist, einen
sicheren Rückschluß auf die ursprüngliche Formensprache machen zu können. Die ungeschickte Hand
des Restaurators ist hier allzu gefühllos über die feinen Linien der Komposition hinweggegangen, und auch
die Pausen sind hier, weil sie schon die

Ergänzung mit aufgenommen haben,
keine reine und untrügliche Quelle. Aus
den am wenigsten, entstellten Gruppen
und Einzelfiguren, wie etwa aus der
des h. Severus am Webstuhl (Abb.
S. 484), kann man aber doch ent-
nehmen, daß die Bilder keinesfalls zu
jener Kölner Gruppe der eckigen Ge-
stalten und der spitzen Gewandzipfel
gehören. Die Bewegung ist überall
eine gleitende, fließende, die Gestalten
bekommen bei dem Wunsch des Künst-
lers, diesen Charakter in seinen Linien
auszudrücken, leicht etwas Tänzelndes,
ja Affektiertes. Zumal um die Schultern
und um den Oberkörper herum schließt
sich die Gewandung glatt an. Eigen-
tümlich sind jene oft wiederkehrenden
gleichmäßigen Wellenfalten, die vor
allem die Mäntel bilden.

Um so deutlicher aber zeigt diesen
ausklingenden fließenden Stil, nur
wenig durch die Hand des Restaurators
berührt, die Reihe der Einzelfiguren im
D o m zu Limb u r g (vgl. oben
S. 500), die mit der ganzen Ausmalung
gleichzeitig mit Boppard um 1235 ge-
schaffen ist. Man vergegenwärtige sich
das weise ausgedachte und konsequent
durchgeführte dekorative System in
den einzelnen Jochen des Langhauses.
Wie anmutig fügen sich hier die Ge-
stalten der Propheten, Könige und

Königinnen in die Zwickel ein, Wie be- Fig. 512. Thronender Christus aus dem Skizzenbuch des Villard de Honnecourt in Paris.

deutend und monumental erscheinen

die Halbfiguren der Apostel über den drei Bogen der Empore! Bei den in weltlicher Auffassung
dargestellten königlichen Gestalten aus dem Alten Testament herrscht die Volkstracht, eine Tunika
mit engen Ärmeln und verzierten Borten, um die Hüften oder unter dem Busen hochgegürtet, die
Formen des Körpers, vor allem der Beine, zeichnen sich deutlich durch. Wie schön und frei ist das
Standmotiv bei der Gestalt des einen Propheten mit der Mütze über dem Bilde des Evangelisten
Johannes oder des jugendlichen Königs über dem h. Petrus (Taf. XXXIII)! Noch deutlicher bekennen
sich als zugehörig zu diesem Stil die Einzelfiguren der Paradiesflüsse, die Gestalten von Terra und
Aqua (Abb. S. 510 u. 511), die Darstellung Simsons und des gekreuzigten Petrus. Bei Samson (Abb.
S. 514) der schöne Fluß der Linien, die kraftvoll bewegte Gestalt in dem knapp anliegenden Gewände.
 
Annotationen