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Clément, Charles; Clauß, Carl [Bearb.]
Michelangelo, Leonardo, Raffael: mit 40 Holzschnitten und zwei lithographirten Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.71514#0017
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Einleitung.
3n voller Prachtentfaltung hatte die Kunst des Alterthums in Griechen-
land geblüht, nach Italien verpflanzt, grünte sie nur in einigen Zweigen
fort, in den Zweigen, welche dem nüchternen, vorwiegend auf das Praktische
gerichteten Sinne der Römer entsprachen und zugleich sich dazu eigneten
die Macht und Größe des stolzen Volkes zu verherrlicheu. Der von
Alexander d. Gr. ererbte Gedanke der Weltherrschaft fand in der Architektur
den großartigsten Ausdrnck; weniger schöpferisch zeigten sich die Römer ans
den Gebieten der Skulptur uud Malerei. Neben griechischen, mit alt-
italischen Kunsttraditionen versetzten Einflüssen waren ägypto-asiatische Ein-
wirkungen die sthlbikdenden Elemente der römischen Kunst. Mit dem Ver-
fall der Sitten, dem zunehmenden Lupus trat das orientalische Element
immer mehr hervor und überwucherte uud erstickte das ihm antipathische
Schönheitsgesetz der Hellenen. Nur das stofflich Schöne und sinnlich
Reizende, nur Pracht und barbarischer Pomp vermochten noch auf den
stumpfer: Sinn des alternden Rom einzuwirken, bis es endlich zusammen-
brach und in seinem Fall die alte Welt begrub.
Eine neue Weltanschauung, mit ihr eine neue Kunst, rangen sich
mitter: aus dem Zusammensturz des Alterthums empor. Während das
greise Rom, im Gefühle seines Unterganges, wild verzweifelnd an den
Gebilden des Aberglaubens und Unglaubens aller Völker sich berauschte,
erstand still und unbemerkt, im ferner: Judäa, ein neuer Glaube. Die
geistige und sittliche Umgestaltung des Völkerlebens irn Gefolge, breitete er
sich rasch aus und pflanzte sein Kreuz siegreich auf die Trümmer des stolzer:
Römerreichs. Der Gedanke der Weltherrschaft verwandelte sich in der: der
Weltreligion, lind schor: nach kaum einem Jahrtausend war ar: die Stelle
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