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Einleitung.
des alles verschlingenden Staates eine große geistige Einheit zwischen den
Bölkerftämmen hergestellt, welche von da ab die Träger der geistigen Ent-
wickelung der Menschheit blieben.
Der Gott, den der neue Glaube predigte und dem die götterberaubten
Menschen zuströmten, war ein unsichtbarer Gott, nur im Geiste und in
der Wahrheit wollte er angebetet sein. Selbst von seiner Menschgestalt in
Christo scheute man sich lange ein Bild zu machen. Und als es geschah,
da wolltet: die Züge des Heilandes anders aufgefaßt seit: als die der
griechischen Gottheit. Sein Reich ofsenbarend, sollte die Herrlichkeit seines
Innern die Formen der Leiblichkeit durchleuchtet:. Auch sonst wollte man
in der Erscheinung des Gerechten die Kampfeszeiche:: des Fleisches und
Geistes wiedersehet:. Damit aber wurde die Kuust herausgeführt aus dem
harmonischen Reiche des griechische:: Ideals und zugleich hineingeführt in
das Ganze des Lebens und der Geschichte. Je mehr die Kunst auf das
Leben einging, je mehr sie de:: Menscher: in seinem mannigfachen Be-
ziehungen zu einem andern auffaßte, desto mehr wurde sie geuöthigt, die
Gestalten zu individualisiren und auf ihre:: geistige:: Ausdruck zu achten.
Das willigste Darstellungsmittel, die mystische Gluth des Herzens durch
die Form leuchten zu lasse::, die Eigenheit des Individuums in seinem
geistigen Ausdruck herauszuarbeiten und den Wechselbezug der Gestalte::
anzudeuten, fand man in dem bewegten, fließenden, am meisten körperlosen
Element der Farbe, in der Malerei, der geistigsten unter den bildenden
Künsten. Die Malerei wurde so die spezifisch christliche Kuust, die Kunst
der neuen Zeit. In: Anfang freilich wurde sie von dem Geiste ascetisch welt-
loser Innerlichkeit niedergehalten und die Schwesterkünste scheinen ihr voraus-
zukommen. Aber die christliche Anschauung war nicht die Lebenslust für
die Plastik, die auf der bruchlosen Einheit von Seele und Leib basirt; sie
blieb am meisten im Banne der Antike und nur zur Zeit der höchsten
Knnstblüthe erzielt auch sie eiue Versöhnung der christlichen und antiken
Schönheit. Unabhängiger und freier von der Antike entwickelte sich, be-
sonders im Norden, die Architektur des Mittelalters, aber auch ihr drückt
in der Vorliebe für perspeetivifche Wirkungen die vorwiegend malerische
Phantasie des Christenthums ihr Charaktergepräge auf.
Die „Weltflucht" der ersten Christenzeit ließ die Kunst nnr langsam
sich entwickeln. In der kunstgebildeten Sphäre Roms erwachte in der
jungen Gemeinde das erste Bedürfniß nach künstlerischem Schmuck. Schüchtern
macht sich dieses Bedürfniß an den Sarkophagen wie an den Wänden der
Einleitung.
des alles verschlingenden Staates eine große geistige Einheit zwischen den
Bölkerftämmen hergestellt, welche von da ab die Träger der geistigen Ent-
wickelung der Menschheit blieben.
Der Gott, den der neue Glaube predigte und dem die götterberaubten
Menschen zuströmten, war ein unsichtbarer Gott, nur im Geiste und in
der Wahrheit wollte er angebetet sein. Selbst von seiner Menschgestalt in
Christo scheute man sich lange ein Bild zu machen. Und als es geschah,
da wolltet: die Züge des Heilandes anders aufgefaßt seit: als die der
griechischen Gottheit. Sein Reich ofsenbarend, sollte die Herrlichkeit seines
Innern die Formen der Leiblichkeit durchleuchtet:. Auch sonst wollte man
in der Erscheinung des Gerechten die Kampfeszeiche:: des Fleisches und
Geistes wiedersehet:. Damit aber wurde die Kuust herausgeführt aus dem
harmonischen Reiche des griechische:: Ideals und zugleich hineingeführt in
das Ganze des Lebens und der Geschichte. Je mehr die Kunst auf das
Leben einging, je mehr sie de:: Menscher: in seinem mannigfachen Be-
ziehungen zu einem andern auffaßte, desto mehr wurde sie geuöthigt, die
Gestalten zu individualisiren und auf ihre:: geistige:: Ausdruck zu achten.
Das willigste Darstellungsmittel, die mystische Gluth des Herzens durch
die Form leuchten zu lasse::, die Eigenheit des Individuums in seinem
geistigen Ausdruck herauszuarbeiten und den Wechselbezug der Gestalte::
anzudeuten, fand man in dem bewegten, fließenden, am meisten körperlosen
Element der Farbe, in der Malerei, der geistigsten unter den bildenden
Künsten. Die Malerei wurde so die spezifisch christliche Kuust, die Kunst
der neuen Zeit. In: Anfang freilich wurde sie von dem Geiste ascetisch welt-
loser Innerlichkeit niedergehalten und die Schwesterkünste scheinen ihr voraus-
zukommen. Aber die christliche Anschauung war nicht die Lebenslust für
die Plastik, die auf der bruchlosen Einheit von Seele und Leib basirt; sie
blieb am meisten im Banne der Antike und nur zur Zeit der höchsten
Knnstblüthe erzielt auch sie eiue Versöhnung der christlichen und antiken
Schönheit. Unabhängiger und freier von der Antike entwickelte sich, be-
sonders im Norden, die Architektur des Mittelalters, aber auch ihr drückt
in der Vorliebe für perspeetivifche Wirkungen die vorwiegend malerische
Phantasie des Christenthums ihr Charaktergepräge auf.
Die „Weltflucht" der ersten Christenzeit ließ die Kunst nnr langsam
sich entwickeln. In der kunstgebildeten Sphäre Roms erwachte in der
jungen Gemeinde das erste Bedürfniß nach künstlerischem Schmuck. Schüchtern
macht sich dieses Bedürfniß an den Sarkophagen wie an den Wänden der