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Clément, Charles; Clauß, Carl [Bearb.]
Michelangelo, Leonardo, Raffael: mit 40 Holzschnitten und zwei lithographirten Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.71514#0127
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Michelangelo. 107

genaues Bild von ihm. Er war von mittlerem Wuchs, breit über die
Schultern, schmächtig und wohlproportionirt, von nervösem Temperament
und von sehr gesunder und kräftiger Leibesbeschasfenheit, welche er ebenso-
wohl seiner regelmäßigen Lebensweise, wie der Natur verdankte. Sein
Gesicht war rund, die Stirne eckig und frei, mit sieben Falten quer darüber
hin, die Nase war, wie man bereits weiß, durch den Faustschlag Torri-
giano's eingedrückt. Die Lippen waren sein, die untere etwas dicker, was
man besonders in der Prosilansicht bemerkte. Seine Augenbrauen waren
nicht eben buschig, die Augen mehr klein als groß, von Hornfarbe mit
gelblichen und hellblauen Flecken gemischt. Haupt- und Barthaare waren
schwarz und gegen Ende seines Lebens mit grauen gemengt, der Bart war
nicht sehr lang, gabelartig getheilt und nicht stark. Sein Ausdruck war
dabei angenehm, lebhaft und bestimmt.
So war Michelangelo der letzte und größte der kunstgerechten Meister.
Seine gigantische Erscheinung beschließt und resumirt die durch Dante und
Giotto eingeleitete und durch Orcagna, Brunellesco und Leonardo da Vinci
fortgesetzte Richtung. Ist er auch in einigen der Künste, die er gepflegt
hat, von mehreren seiner Zeitgenossen oder Vorgänger übertroffen worden,
fo hat doch sein stolzes und ernstes Genie allen seinen Werken ein un-
verlöschliches Gepräge verliehen. Man kann behaupten, daß er keine Vor-
gänger hatte, denn er ist einer von denen, die ihre Stellung, ihre Größe
sich selbst verdanken, prolem sine inulre ereutum, und an dem Tage, an
dem er starb, starb er ganz. „Meine Kunst, hatte er gesagt, wird ein
Volk von Ignoranten erzeugen." Es würde ungerecht sein ihn für die
Extravaganzen seiner schwächlichen Nachfolger verantwortlich zu machen,
welche, indem sie das Erhabene affectirten und vergaßen, daß Kühnheit
ohne Kraft lächerlich ist, ihm nachzuahmen glaubten. Nicht nur durch die
schöpferische Energie seiner mächtigen Einbildungskraft, sondern auch durch
das außerordentliche Zusammentreffen hoher und seltener Eigenschaften ragt er

vierzig Jahren dargestellt ist, daselbst befindet sich noch eine Marmorbiiste von Antonio
Novelli. Zu Rom: im Palazzo de' Conservatori auf dem Capitol eine bronzene Büste
(von Ricciarelli?). Zu Paris: bei Piot, eine der auf dem Capitole ähnliche Bronze-
büste; bei Beurdeley eine schöne Wiederholung derselben Arbeit; bei Chaix-d'Est-Ange
ein prächtiges durch den Stich von Francois bekanntes Bildniß; im Louvre ein wie das
in der Casa Buonarroti dem Bugiardini zugetheiltes Exemplar, welches besonders durch
folgende Inschrift interessant ist: Hliob. ^.nZo. LonnrottLnus. lllorentinns sonlptor. Op-
tiinu8. ^nno aetatis 8nao 47. — Keines dieser Bildnisse ist von der Hand Michel-
angelo's.
 
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