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Max Cramer <Kassel> [Hrsg.]
Griechische Altertümer südrussischen Fundorts aus dem Besitze des Herrn A. Vogell, Karlsruhe: Versteigerung zu Cassel in der Gewerbehalle, ... den 26., ... 27., ... 29., ... den 30. Mai 1908 — Kassel, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.17468#0007
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Vorwort.

Es ist seit langem keine Sammlung auf den Markt gekommen, die ein wissenschaftlich wie künstlerisch
so reiches und ausgezeichnetes Material aus dem Gebiete der antiken Kleinkunst enthalten hätte, wie die
im Folgenden beschriebene Sammlung A. Vogells.

Vogell hat während seiner langjährigen kaufmännischen Tätigkeit in Nikolajeff, der Nachfolgerin
des alten Olbia, gesammelt. Wie es die Verhältnisse mit sich brachten, hat er in erster Linie von scavatori
der Umgegend, also von olbischem Gebiete, gekauft, aber sein Ruf hat auch Händler aller Art angezogen.
Vor Fälschungen ist er ziemlich bewahrt geblieben. Die gründliche Reinigung bei Aufstellung dieses
Katalogs, die auch Zweifelhaftes rücksichtslos entfernte, forderte verhältnismässig wenige Opfer. Aber ihm
sind gelegentlich auch italienische und griechische Funde zugetragen worden. Indessen verringern diese
Beimengungen den Wert der Sammlung nicht. Der neuzeitliche Import scheidet sich im Allgemeinen leicht
von dem des Altertums*), und nur bei einigen wenigen Stücken — namentlich der archaischen Keramik —
hat der Forscher die Unsicherheit der Provenienz zu bedauern.

Die Hauptstärke der Sammlung liegt auf dem Gebiete der Keramik und des Glases. Vor allem
ist die hellenistische Keramik, deren kunstgeschichtliche und künstlerische Bedeutung durch die neuere
Forschung stark hervortritt, in seltener Vollständigkeit und Qualität vertreten von älteren an altjonische
Kunstübung anknüpfenden Stufen herab bis zu der Periode der roten Gefässe, die in die Sigillata-Keramik aus-
mündet. Auch von den selteneren Specialitäten, wie der feinen Barbotine-Ware, den glasierten Gefässen
und den figürlich gestalteten Gefässen, liegen brillante Proben vor. Die Geschlossenheit des Bildes berechtigt
hier zu der oft sehr wenig angebrachten banalen Klage über die Zersplitterung privater Sammlungen.
Die Menge an Relief-Gefässen hat des Besitzers Entgegenkommen inzwischen Zahn zur Bearbeitung über-
geben, der sie in diesem Aprilheft des Jahrbuchs des Kaiserlich Deutschen Achäologischen Instituts veröffent-
licht, und ebenso hat ihm die Sigillataware vorgelegen. So sind diese Teile wenigstens für die Wissenschaft
gerettet, und aus gleichem Interesse strebt der Katalog nach einer tunlichsten Genauigkeit der Beschreibung,
wie sie durch die Zwecke der Auktion nicht grade bedingt ist.

In überaus grosser Anzahl und in vortrefflicher Qualität treten auch die griechischen Gläser auf.
Unter den farblosen fehlt die unliebsame syrische Ware nicht, aber sie bildet die Ausnahme, selbst wenn man
den unten zusammengestellten Exemplaren noch eins oder das andere zuzählen müsste. Die Formengebung
weist die allergrösste Mehrzahl mit Bestimmtheit griechischen Werkstätten zu, und die frappante Überein-
stimmung mit den rheinischen Gläsern bestätigt diese Zuteilung. Die langen Reihen der Kannen und
Schalen, Becher und Näpfe enthalten zahlreiche Beispiele, die zu den gesündesten und edelsten Erzeug-
nissen der Glasfabrikation aller Zeiten gehören. Ein imposantes Stück, gebrochen wie es ist, ist die wunder-
volle, über einen halben Meter hohe Amphora (T. X.), von der man wünschen möchte, dass sie in einem
der grossen europäischen Museen als monumentale Probe antiker Glastechnik den ihr gebührenden Platz
fände. Von den farbigen Gläsern ziehen naturgemäss die Millefiorischale und das Alabastron gleicher
Technik, wie vor allem der Becher mit aufgeschmolzener Tupfenverzierung, den die Vignette widergiebt,
durch ihre glänzende Wirkung zunächst die Aufmerksamkeit auf sich. Aber auch unter den einfarbigen,
fehlen Seltenheiten nicht, und die kleinen Salbgefässen mit eingekämmter Fadenverzierung sind in den
mannigfaltigsten Formen und schönsten Exemplaren vertreten.

Aber es ist weder die Aufgabe der Vorrede den Inhalt der Sammlung durch Einzelanführungen
anzupreisen, noch erfordert das die Art der Sammlung, die für sich selber spricht. Die zahlreichen Ab-
bildungen auf den Tafeln und im Text gestatten auch dem flüchtig Durchblätternden eine rasche Orientierung.
Selbst der verwöhnteste und selbst der modernste Geschmack kann hier auf seine Rechnung kommen, das
sollte bei einer Versteigerung griechischer Altertümer keines Wortes bedürfen. Auch so anspruchslose Werke
wie das einfache attische Kännchen No. 213 mit seinem wunderbaren Firnis, die Lekythos No. 148 mit
der Darstellung des Knaben, der sein Schulgerät dem Gotte weiht, oder die in der Abtönung des Firnisses
einzigartige Schale No. 202, sie würden jeder kunstgewerblichen Sammlung zur Zierde gereichen. Und die
Figur des trunkenen Negers No. 523 gehört, wie Margarete Bieber bei Besprechung der Vogelischen Samm-
lung in der Zeitschrift für bildende Kunst, im Aprilheft dieses Jahres, mit Recht gesagt hat, der grossen
Kunst an. Hier weht, auch in der niedrigeren Sphäre, etwas von dem Geist, aus dem heraus der Barbe-
rinische Faun geschaffen ist.

Boehlau.

*) Die Schale T. 1,11, 112, die aus Südrussland stammen könnte, ist in Korinth gefunden, wo sie Zahn
nach freundlicher Mitteilung seinerzeit aufgenommen hat.
 
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