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Curtius, Ernst
Die Altäre von Olympia — Berlin, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.1015#0038
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38 C u R t i u s :

äufsere Zucht eine ethische Norm von tiefem Sinne, der Grundsatz, dafs
ein Opfer nur dann wohlgefällig sein könne, wenn es arglos und mit
reinem Gewissen dargebracht werde.

Wo so viel Wissen von allen Seiten zusammenströmte, wurde die
Autbewahrung der Tradition unwillkürlich ein besonderer Gegenstand der
Aufmerksamkeit. So war es auch eine Art von Reliquiendienst, wenn
man die eine alterschwache Holzsäule des Königspalastes, mit Klammern
rings umfafst, unter einem von vier Säulen getragenen Schirmdache mit
ängstlicher Sorgfalt aufrecht zu erhalten suchte.

Endlich gehört zu den Zügen des alterthümlichen Wesens das streng
geordnete System geistlicher Ämter, wie es uns hier vorliegt und das
auch Pausanias so merkwürdig erschien, dafs er genau darüber berichtet
(V 15, 10) in fast vollkommener Übereinstimmung mit den jetzt gefun-
denen Urkunden. Wir finden hier eine Organisation geistlicher Würden,
einen Fortbestand uralter Sehergeschlechter, eine Verbindung von Priester-
thum mit städtischem Patriziat, dessen Söhne sich in diesen Ämtern fol-
gen, eine hierarchische Stufenfolge der Ämter, wie sie uns sonst nirgends in
Griechenland überliefert ist, und so führen uns die Studien über Olym-
pia, welche jetzt erst begonnen haben, des neu gewonnenen Materials
allmählich Herr zu werden, zu neuen Anschauungen des höheren Alter-
thums und ergänzen unsere Kenntnifs hellenischer Culturgeschichte auch
auf den Gebieten, für welche wir am wenigsten Aufklärung erwartet hat-
ten. In dem stillen Olympia, das Jahr aus Jahr ein seiner Altardienste
wahrnahm, dem Olympia ävev rn? Trav^yv^sw? (Paus. V 13, 10) lernen wir
das Volksleben von einer Seite kennen, wie es uns in der griechischen
Staatengeschichte am wenigsten vor Augen tritt.
 
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