32
I B. Altertümliche Marmorwerke.
Gegen die Zugehörigkeit von A und B zu einer
und derfelben Gruppe fprechen folgende Gründe:
a) Die Unterfchiede in der technifchen und künft-
lerifchen Ausstattung beider Köpfe. A hat eingefetzte
Stirnlöckchen, Augen und Wimpern; B nicht. In A
find die ftraffen, dreifachen Schneckenreihen des Stirn-
haares von den längeren, leichtgewellten Löckchen im
Nacken und den flammenförmig geftalteten feinen Zotteln
des Bartes deutlich unterfchieden; B bedeckt Stirn-,
Nacken- und Barthaar gleichmäfsig mit einförmigen
Ringeln. Bei A ift der Helm auch auf feiner Rückfeite
auf das fauberfte ausgeführt; bei B fieht man am
Hinterkopf und Nackenfchirm überall noch die rohen
Meifselhiebe und eine Art Rille, welche etwa von
einem Metallkranz herrühren könnte. Überdies trägt A
einen zurückgefchobenen korinthilchen Helm, B einen
attifchen ältefter Form, ähnlich dem des Ariftion
auf der Stele des Ariftokles. Wenn man nun auch
diefen Zug, als auf dem Beftreben nach Abwechfelung
beruhend, bei Seite lallen wollte, so kommen doch
weiter hinzu:
b) Die Gröfsenunterfchiede. Über diefe belehrt am
beften ein Blick auf unfere Tafel VI. Sie erhellen aber
auch aus einer Zufammenftellung der Einzelmafse, wie
fie die Anmerkung giebt. l) Noch entfcheidender aber
find:
c) Die Verfchiedenheiten im Proportionsfchema.
Das Geficht von B bietet in der Vorderanficht ein
ziemlich gleichmäfsig umriffenes Rund, das in der Gegend
der Schläfen und Backenknochen am breiteften erfcheint.
A ift dagegen gerade um Stirn und Schläfen auffallend
eng eingezogen, während fich darunter die Backen-
knochen und noch mehr die Kinnladen ftark heraus-
wölben. Demgemäfs beträgt der innere Augenabftand
bei A ungefähr eine Augenbreite, bei B faft andert-
halb. l)
d) Die Unterfchiede der Arbeit. Einer fleifchig
faftigen und lebendigen Behandlung der Formen um
Augen, Wangen und Mund bei A fleht in B eine alter-
tümlich rohe und leere Mache gegenüber. Auch in dem
gegenwärtigen Erhaltungszustand erkennt man noch, wie
die Mundfpalte bei B in einförmigem Bogen durch-
gezogen ift, während fie in A, auch abgefehen von der
zarten Behandlung der Lippenhaut, fein bewegt erfcheint.
Das Ohr von B, welches Abb. 33 rechts dem von A zur
Vergleichung gegenüberstellt, ift gegen die Wange zu
fchematifch begrenzt; das von B zeigt die fliefsenden
Übergänge der Natur. Das Ohrläppchen von A ift klein
und angewachfen; das von B grofs, fleifchig und voll-
Haaranfatz bis Mundfpalte
Schläfenabftand.........
Ohrenabltand...........
Backenknochenabitand. ..
Augenbreite.............
Innerer Augenabftand ...
Aufserer Augenabftand ..
Mundbreite.............
H e 1 m k 0 p 1
A.
He
mkopf B.
(Taf. VI, [-
4.)
(Taf
VI, 9—10.)
10,5 cm
11,5 cm
13 .
14 .
■4,5 ■
15 »
13,7 .
"4,3 ■
2,8 •
2,7 "
2,6 .
3,9 ■
7,8 .
9,1 .
4,7 •
5,2 "
rund ausgebildet. — Dergleichen Unterfchiede find an
einer und derfelben Gruppe gewifs kaum denkbar
Sie fcheinen mir vielmehr nicht nur auf verfchiedene
Hände, fondern auch auf einen Wechfel der Zeiten
hinzudeuten. B ift ficberlicb älter als A.
Ohren der behelmten Köpfe A und B. {x 13).
e) Auch nach der Bewegung der Köpfe dürfte es
fich als fchwer möglich erweifen, die Statuen, denen A
und B angehörten, zu einer Kampfesgruppe zu vereinigen
Eigentümlich ift beiden Köpfen die auffallend Harke
Hebung und Vorftreckung des Kinnes, welche auch für
A trotz dem Verluft des Halfes durch den breiten Nacken-
bruch und die Spannung der Haut über den Kinnladen
gefichert ift. Nun find für einen Wiederaufbau der
Kampfesgruppen zwei Annahmen möglich: entweder
war der eine der Kämpfer zu Boden geworfen, beziehent-
lich fonft irgendwie als Befiegter gekennzeichnet; oder
die beiden Gegner ftanden einander Auge in Auge gegen-
über. Die erftere Vorausfetzung ift gewifs die wafar-
fcheinlichere, vollends bei den Gruppen des Phormis
[tqv a-TgarttoTviv \jXv tov (jta%opLsvop ^öoßw su/ai). Aber
wie foll es möglich fein, A den Niederblick auf einen
befiegten Feind abzugewinnen? Und auch zu B den
Körper eines Unterliegenden hinzuzuergänzen wird immer
fchwieriger, je mehr man es im einzelnen verflicht.
Jedenfalls will es mir nicht gelingen, dies mit den be-
kannten ftatuarifchen Stellungen fertig zu bringen. Da-
bei ift der fchon erwähnten Rille am Hinterkopf des
Helmes von B noch nicht einmal gedacht, welche viel-
leicht auf einen Kranz deutet. War ein folcher wirk-
lich vorhanden, fo würde fchon dadurch allein die Zu-
teilung des Kopfes an einen Unterliegenden unmöglich.
Entfchliefst man fich nun aber zu der, doch fchon an fich
unwahrfcheinlicheren Annahme, dafs die Gegner fich in
annähernd gleicher Stellung und Höhe gegenüber-
standen, fo bleibt nicht nur die auffallend ftarke Vor-
ftreckung des Halfes bei beiden unerklärt, fondern es
ftimmt vor allem auch die ruhige Armhaltung des
Schildes (a) nicht recht (flehe S. 30). Denn man würde
dann nach dem Sinn der Handlung und der heftigen
Bewegung der Köpfe vielmehr erwarten, dafs der Kämpfer
feinen Schild zum Schutze vorftreckte, wie es das Erz-
bildchen von Dodona (Archäolog. Zeitung 1882, Taf. 1)
und die aeginetifchen Vorkämpfer thun.
Die zuletzt angeführten Gründe bleiben auch in
Geltung, wenn man darauf verzichtet, beide Köpfe ein
und demfelben Werke zuzufchreiben und fie an ver-
I B. Altertümliche Marmorwerke.
Gegen die Zugehörigkeit von A und B zu einer
und derfelben Gruppe fprechen folgende Gründe:
a) Die Unterfchiede in der technifchen und künft-
lerifchen Ausstattung beider Köpfe. A hat eingefetzte
Stirnlöckchen, Augen und Wimpern; B nicht. In A
find die ftraffen, dreifachen Schneckenreihen des Stirn-
haares von den längeren, leichtgewellten Löckchen im
Nacken und den flammenförmig geftalteten feinen Zotteln
des Bartes deutlich unterfchieden; B bedeckt Stirn-,
Nacken- und Barthaar gleichmäfsig mit einförmigen
Ringeln. Bei A ift der Helm auch auf feiner Rückfeite
auf das fauberfte ausgeführt; bei B fieht man am
Hinterkopf und Nackenfchirm überall noch die rohen
Meifselhiebe und eine Art Rille, welche etwa von
einem Metallkranz herrühren könnte. Überdies trägt A
einen zurückgefchobenen korinthilchen Helm, B einen
attifchen ältefter Form, ähnlich dem des Ariftion
auf der Stele des Ariftokles. Wenn man nun auch
diefen Zug, als auf dem Beftreben nach Abwechfelung
beruhend, bei Seite lallen wollte, so kommen doch
weiter hinzu:
b) Die Gröfsenunterfchiede. Über diefe belehrt am
beften ein Blick auf unfere Tafel VI. Sie erhellen aber
auch aus einer Zufammenftellung der Einzelmafse, wie
fie die Anmerkung giebt. l) Noch entfcheidender aber
find:
c) Die Verfchiedenheiten im Proportionsfchema.
Das Geficht von B bietet in der Vorderanficht ein
ziemlich gleichmäfsig umriffenes Rund, das in der Gegend
der Schläfen und Backenknochen am breiteften erfcheint.
A ift dagegen gerade um Stirn und Schläfen auffallend
eng eingezogen, während fich darunter die Backen-
knochen und noch mehr die Kinnladen ftark heraus-
wölben. Demgemäfs beträgt der innere Augenabftand
bei A ungefähr eine Augenbreite, bei B faft andert-
halb. l)
d) Die Unterfchiede der Arbeit. Einer fleifchig
faftigen und lebendigen Behandlung der Formen um
Augen, Wangen und Mund bei A fleht in B eine alter-
tümlich rohe und leere Mache gegenüber. Auch in dem
gegenwärtigen Erhaltungszustand erkennt man noch, wie
die Mundfpalte bei B in einförmigem Bogen durch-
gezogen ift, während fie in A, auch abgefehen von der
zarten Behandlung der Lippenhaut, fein bewegt erfcheint.
Das Ohr von B, welches Abb. 33 rechts dem von A zur
Vergleichung gegenüberstellt, ift gegen die Wange zu
fchematifch begrenzt; das von B zeigt die fliefsenden
Übergänge der Natur. Das Ohrläppchen von A ift klein
und angewachfen; das von B grofs, fleifchig und voll-
Haaranfatz bis Mundfpalte
Schläfenabftand.........
Ohrenabltand...........
Backenknochenabitand. ..
Augenbreite.............
Innerer Augenabftand ...
Aufserer Augenabftand ..
Mundbreite.............
H e 1 m k 0 p 1
A.
He
mkopf B.
(Taf. VI, [-
4.)
(Taf
VI, 9—10.)
10,5 cm
11,5 cm
13 .
14 .
■4,5 ■
15 »
13,7 .
"4,3 ■
2,8 •
2,7 "
2,6 .
3,9 ■
7,8 .
9,1 .
4,7 •
5,2 "
rund ausgebildet. — Dergleichen Unterfchiede find an
einer und derfelben Gruppe gewifs kaum denkbar
Sie fcheinen mir vielmehr nicht nur auf verfchiedene
Hände, fondern auch auf einen Wechfel der Zeiten
hinzudeuten. B ift ficberlicb älter als A.
Ohren der behelmten Köpfe A und B. {x 13).
e) Auch nach der Bewegung der Köpfe dürfte es
fich als fchwer möglich erweifen, die Statuen, denen A
und B angehörten, zu einer Kampfesgruppe zu vereinigen
Eigentümlich ift beiden Köpfen die auffallend Harke
Hebung und Vorftreckung des Kinnes, welche auch für
A trotz dem Verluft des Halfes durch den breiten Nacken-
bruch und die Spannung der Haut über den Kinnladen
gefichert ift. Nun find für einen Wiederaufbau der
Kampfesgruppen zwei Annahmen möglich: entweder
war der eine der Kämpfer zu Boden geworfen, beziehent-
lich fonft irgendwie als Befiegter gekennzeichnet; oder
die beiden Gegner ftanden einander Auge in Auge gegen-
über. Die erftere Vorausfetzung ift gewifs die wafar-
fcheinlichere, vollends bei den Gruppen des Phormis
[tqv a-TgarttoTviv \jXv tov (jta%opLsvop ^öoßw su/ai). Aber
wie foll es möglich fein, A den Niederblick auf einen
befiegten Feind abzugewinnen? Und auch zu B den
Körper eines Unterliegenden hinzuzuergänzen wird immer
fchwieriger, je mehr man es im einzelnen verflicht.
Jedenfalls will es mir nicht gelingen, dies mit den be-
kannten ftatuarifchen Stellungen fertig zu bringen. Da-
bei ift der fchon erwähnten Rille am Hinterkopf des
Helmes von B noch nicht einmal gedacht, welche viel-
leicht auf einen Kranz deutet. War ein folcher wirk-
lich vorhanden, fo würde fchon dadurch allein die Zu-
teilung des Kopfes an einen Unterliegenden unmöglich.
Entfchliefst man fich nun aber zu der, doch fchon an fich
unwahrfcheinlicheren Annahme, dafs die Gegner fich in
annähernd gleicher Stellung und Höhe gegenüber-
standen, fo bleibt nicht nur die auffallend ftarke Vor-
ftreckung des Halfes bei beiden unerklärt, fondern es
ftimmt vor allem auch die ruhige Armhaltung des
Schildes (a) nicht recht (flehe S. 30). Denn man würde
dann nach dem Sinn der Handlung und der heftigen
Bewegung der Köpfe vielmehr erwarten, dafs der Kämpfer
feinen Schild zum Schutze vorftreckte, wie es das Erz-
bildchen von Dodona (Archäolog. Zeitung 1882, Taf. 1)
und die aeginetifchen Vorkämpfer thun.
Die zuletzt angeführten Gründe bleiben auch in
Geltung, wenn man darauf verzichtet, beide Köpfe ein
und demfelben Werke zuzufchreiben und fie an ver-