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Curtius, Ernst [Hrsg.]; Adler, Friedrich [Hrsg.]; Treu, Georg [Bearb.]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 3): Die Bildwerke von Olympia in Stein und Thon — Berlin, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.779#0049
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Taf. VI. Behelmte Köpfe.

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fchiedene Kampfesgruppen verteilen wollte. Gegen die-
jenigen des Phormis würde m. E. überdies fchon die
Zeit fprechen, auf welche der Stil hinweift. Für B
ift dies ohne weiteres einleuchtend. Es gilt aber
wohl auch für A.

Unter den verfchiedenen Verfuchen, den jüngeren
Helmkopf A nach Schule und Zeit zu beftimmen, welche
die Überficht der Befprechungen aufzählt, bietet offen-
bar die Zufammenftellung mit dem Athenahaupt vom
peififtratifchen Tempel der Göttin, fchon um der voll-
faftigen Wangen und Lippen wegen, bei weitem den
am meiften geficherten Anhalt.1) A fcheint allerdings
etwas fpäter als der Athenagiebel. Immerhin wird man
zunächft geneigt fein, auch ihn, insbefondere mit Rück-
ficht auf die jüngeren Fundftücke im Perferfchutt der
Akropolis, noch in die letzten Jahrzehnte des VI. Jahr-
hunderts zu fetzen, jedenfalls aber kaum mehr als höch-
ftens um einige Jahre die Grenze des neuen Jahrhunderts
zu überfchreiten. Auch diefer Umftand alfo fcheint mir
der Zurückfiihrung auf die Weihgefchenke des Lykortas
wenig günftig, die man fich doch wohl erft nach den
Grofsthaten des Hieron errichtet denken mufs, an welchen
Phormis Teil hatte, alfo fchwerlich vor der Einnahme
von Syrakus und der Schlacht von Himera.

Wenn die Köpfe alfo m. E. weder zu den Phormis-
anathemen, noch überhaupt zu Kampfesgruppen gehört
haben werden, fo fragt fich, was fie denn fonft darfteilen.

Robert (Archä'olog. Märchen S. 113, Anm. 1) hat
wenigstens fragweife zur Erwägung geftellt, ob fie nicht
von Zeusftatuen flammen könnten. Allein felbft wenn
man bei einer derartigen Deutung an Helm, Schild und
der ftarken Vorftreckung des Kinnes keinen Anftofs
nehmen wollte, fo würde ihr doch fchon das Phrixos-
abzeichen widerfprechen.

Nach der Haltung der Köpfe fcheint es mir viel-
mehr bei weitem das wahrfcheinlichfte, fie Waffen-
läufern zuzufchreiben. Diefer Gedanke liegt jetzt um
fo näher, nachdem Haufer einen folchen in derTuxfchen
Bronze (Jahrb. des Arch. Inst. I, Taf. 9) wiedererkannt und
den gleichen Typus in einer Anzahl von Vafenbildern und
auf einem kyzikener Stater nachgewiefen hat (ebenda II,
S. 95 ff.J. In allen diefen Werken kehrt als gemeinfamer
Zug das ftarke Vorrecken des Kinnes bei vorgebeugtem
Oberkörper und feitwärts zurückgenommenen Schilde
hervor. Natürlich ift jetzt nicht mehr zu entfcheiden,
wie weit die verlorenen Körper unferer Statuen jenen
Bildern im einzelnen ähnlich waren; die Köpfe in ihrer
auffallenden Haltung entfprechen jedoch thatfächlich
einem verbreiteten Typus von Hoplitodromenbildern,
für deren ftatuarifche Verwendung auch die bafisartige
Andeutung der Balbis auf den Vafen- und Münzbildern
zeugen.

Ich habe früher (Archäolog. Zeitung 1880 S. 48 f.)
auch noch weiter gehen und in dem jüngeren Helm-
kopf (ÄJ, fowie dem Schildarm Reffe von dem Stand-
bilde des Eperaftos erkennen zu dürfen geglaubt, und

L) Für die Arbeit des Haares vergleiche man auch das
weibliche Standbild von der Akropolis "E$. Ap^. 1886 Tafel 5.
= Musees dAthenes Tafel 7—8.

Olympia. HI, i.

zwar wegen des Phrixos im Schildrund.2) Für diefes
feltene und daher gewifs nicht bedeutungslofe Abzeichen
fehlen fich mir am ungezwungenften eine Erklärung zu
finden, wenn man es als Familienwappen deffen fafste,
der fich auch auf dem Fufsgeftell feiner Statue der Ab-
ftammung von Klytios und Melampus gerühmt hatte,
die ihrerfeits aus demfelben Gefchlechte theffalifcher
Aioliden entfproffen waren, dem auch Phrixos angehörte.3)
Diefe Combination hat viel verlockendes, weil fie das
Schildzeichen am befriedigendften erklären würde. Denn
die Deutung auf die erfolgreiche Meerfahrt des Phormis
oder deffen heimifchen Gott Hermes würde mit der
Beziehung der Bruchftücke auf die Lykortas-Anatheme
fo wie fo hinfällig, auch wenn Hermes nicht ohnehin
ausgefchloffen wäre (fiehe oben S. 30, Anm. 3). Allein
da wir die Zeit des Eperaftos nicht kennen und von
ihm überhaupt nur durch die angeführte Stelle des
Paufanias etwas willen, fo ift hier dennoch über eine
blofse Möglichkeit nicht hinaus zu kommen. Der Name
Eperaftos begegnet uns fonft nur noch auf einem Be-
amtenverzeichnis aus dem Ende des II. oder Anfang des
III. nachchriftlichen Jahrhunderts, wo er als ««ÄjjwepcS'uT*!?
erfcheint.*1) Es wäre alfo keineswegs ausgefchloffen, dafs
auch der Waffenläufer gleichen Namens diefer fpäten
Zeit angehörte.

Flafch (in Baumeifter's Denkmälern II, S. 1104, V)
hat gegen die Zuteilung des behelmten Kopfes A und
des Schildarmes a an die Statue des Eperaftos den
Umftand geltend gemacht, dafs die Bafisinfchrift des
Phrixos nicht gedenke und dafs das Schildzeichen
für den Hoplitodromen unpaffend gewefen wäre,
da die Waffenläufer nicht mit eigenen, fondern mit
offiziellen Schilden zu laufen pflegten. Allein Paufanias
teilt uns, wie er ausdrücklich hervorhebt, nur den Schlufs
der Weihinfchrift mit. Und felbft wenn Phrixos in deren
Anfang nicht ausdrücklich genannt war, fo könnte das
Schildzeichen den Stammbaum der Infchrift zu ergänzen
beftimmt gewefen fein. Was aber die Verwendung amt-
licher Schilde beim Waffenlauf anbetrifft, fo fcheint fie
mir die Anbringung des Familienwappens an der Statue
des Siegers nicht ausfchliefsen zu muffen, zumal wenn
diefer, wie in unferem Falle, feiner Abftammung fich
auch in der Weihinfchrift gerühmt hatte. Ich kann diefe
Einwände daher nicht mit Reifch (griech. Weihgefchenke
S. 42, A. i) für entfeheidend halten.

Viel fchwerer wiegt der Umftand, dafs aus der
Epoche, in welche man den Kopf aus ftiliftifchen Gründen

3) Pauf. VI, 17,5: hS,"W,i^_____EnkpuoTo; icr-rm o Qwyovov

onkav vixrjv avYjpvjukv^. eivai 5s /.ai jiavjo; i 'Enep"a"ro; tcu JQ.ut(-
S"wv ykvous ([»yja-iv etti tov sirtypauuato^ t?j rikevTy '

Folgt der Stammbaum des Melampus und des Klytios.

3> So deutet auch Paufanias V, 25, 9 den Hahn auf dem
Schilde des Idomeneus auf denen Abftammung von Helios,
um von den Beifpielen, welche Fuchs aus Dichtern gefammelt
hat, ganz zu fchweigen (de ratlone quam veteres artifices in
clipeis imaginibus exornandis adhibuerint S. i/f.).

4) Archäolog. Zeitung 1878 S. 97 n. 160 (vergl. 1880
S. 57 n. 347) und Band V diefes Werkes.

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