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Curtius, Ernst [Hrsg.]; Adler, Friedrich [Hrsg.]; Treu, Georg [Bearb.]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 3): Die Bildwerke von Olympia in Stein und Thon — Berlin, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.779#0166
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150

II F. Metopen.

Metopenbruchftücke ebenfowenig auf ihre urfprüngliche
Zugehörigkeit oder Anordnung gefchloffen werden kann,
wie aus den lieber oder vielleicht unverbaut ausge-
grabenen Beftandteilen der Giebelgruppen (vergl. oben
S. 99 und 101). Der Grund der Durcheinanderwirrung^
insbefondere der kleineren Fragmente, ift auch leicht ein-
zufehen, wenn man fich gegenwärtig hält, dafs, aufser
dem gröfseren Teile der Metopen felbft, ja der ganze
Oberbau des Tempels, foweit er auf den Stylobat herab
geflürzt war, insbefondere fä'mtliche Innenfä'ulen und die
gewaltigen Wandquadern hier herausgewälzt worden find.
Natürlich konnte dabei die Ordnung der Metopentrümmer
nicht ungeftört bleiben. Wie es ihnen dabei zuweilen
erging, zeigt befonders draftifch der Kopf des Löwen-
Herakles, welcher unter eine Eckquader des Unterbaues
geklemmt wurde, um diefe bequemer wegwuchten zu
können (Fundlifte n. 1, b).

Zum Glück fleht uns aber für die BefHmmung der
Reihenfolge unter den letzten' Metopen der Nordoftecke
noch ein anderes, fiebereres Hilfsmittel zu Gebote als deren
Fundftellen. Es liegt diefes in den Verfatzmarken.

Eine folche, und zwar ein A, fand ich auf dem oberen
Rand der Augeasmetope und zwar über dem Kopf des
Herakles eingemeifselt. Siehe unten Abb. 207. Eine
zweite Marke, ein l~, fleht oben auf der Atlasmetope
(Abb. 205). Weitere Verfatzzeichen haben fich freilich
nicht gefunden, auch nicht an der Stiermetope und der
Stymphaliden-Athena, wie Herr Heron de Villefoffe auf
meine Bitte die Gefälligkeit gehabt hat feftzuftellen. Trotz-
dem kann für jenes A und r kaum zweifelhaft fein, dafs
fie dazu beftimmt waren, den erften und 'dritten Platz
von der Nordoftecke aus zu bezeichnen.x) Es bleibt
mithin für das Kerberosrelief nur der zweite, alfo der
vorletzte Platz in der ganzen Reihe übrig und die Augeas-
metope nahm alfo in der That die letzte Stelle ein.
Der zeitlichen Folge von Heraklesthaten, welche mit den
Wanderungen zu den Hesperiden und in die Unterwelt
fchlofs, ift hier das elifche Abenteuer des Helden an-
gereiht worden, um der heimifchen Begebenheit den
Ehrenplatz an der Vorderfeite des Tempels neben den
letzten und fchwierigften Arbeiten des Herakles zu fichern
(Michaelis, Arch. Zeitung 1876 S. 172). Damit war das
Augeasabenteuer zum erftenmal unter die Darftellungen
feiner Grofsthaten aufgenommen.3)

Dafs es darin verblieb, hat es offenbar dem Anfehen
des olympifchen Heiligtums zu danken; ift doch auch
fonft die Nachwirkung der olympifchen Folge und ihrer
einzelnen Darftellungen in den fpäteren Heraklescyklen

') Man vergleiche Bd. V p.686 n. 669, 6 — 7, fowie die
übrigen Verfatzmarken vom Zeustempel ebenda 1—5, mit
welchen die auf den Metopen befindlichen im Charakter durch-
aus übereinftimmen.

2) Klügman, Annali delT Inst. 1864 S. 309, der ebenda
Anm. 1 auch die Vermutung ausgefprochen hat, dafs Tzetzes,
welcher Chiliades VIII, 192 v. 334 unter den Werken des
Pheidias xa.1 ht^ofiaävra Hpax\t]v tr\* xoirpiw Tip A&yilav erwähnt,
damit eben unfere Metope gemeint habe; des Pheidias Name
fei wegen der Zeusftatue auch mit den übrigen Bildwerken
des Tempels verknüpft worden. Ebenfo Förfter, Rhein. Muf.
N.F. XXXVIII S.440.

faft überall deutlich genug zu fpüren*). Diefen Ein-
flüffen im befonderen nachzugehen, konnte hier nicht
unfere Aufgabe fein. Wohl aber haben wir auch jetzt,
wie fo oft feit dem Beginn unferer Wiederherftellungs-
arbeit an den Metopen der eng verwandten Reliefreihe
am Thefeion zu gedenken, da deren unmittelbare Ab-
hängigkeit von dem olympifchen Cyklus in ihrer Rück-
wirkung den Wiederaufbau einiger feiner Darftellungen
geradezu erft wieder möglich gemacht hat.

Ehe ich diefe Erörterung über die Reihenfolge der
Metopen abfchliefse, habe ich noch der Verfuche zu
gedenken, welche darauf gerichtet gewefen find, eine
rhythmifche Entfprechung zwifchen den einzelnen Reliefs
nachzuweifen, oder gar die Wiederherftellung einzelner
Metopen auf diefer Grundlage aufzubauen4).

Eine bereits früher hiergegen ausgefprochene War-
nung (Ausgr. IV S. 30; Philolog. Wochenfchrift 1881
Sp. 399) vermag ich jetzt unter Hinweis auf unfere Ge-
famtüberficht auf Taf. XLV und die Reihe der Oftmetopen
auf S. 138 Abb.170 nachdrücklicher zu begründen.

Zweierlei Arten von Entfprechung hat man für
möglich gehalten, zum Teil fogar unter Verteilung ver-
fchiedener Syfteme auf die beiden Tempelfronten: ent-
weder einen Rhythmus, welcher eine ganze Schmalfeite
desBaues umfpannte, oder eine blofs paarweifeZufammen-
faffung. Bei erfterem müfste die Symmetrie jedoch be-
fonders fühlbar auf die Eckmetopen übergegriffen haben.
Aber was haben 1 und 6, Löwe und Amazone, oder
7 und 12, Eber und Augeas, irgend miteinander gemein?
Nicht einmal das einfache Kunftmittel des Eckabfchluffes
durch eine ruhig daftehende langbekleidete Geftalt ift auf
6 und 7 in Entfprechung zu 1 und 12 wiederholt. Oder will
man einen paarweifenRhythmus, fo müfste einfolcher doch
mindeftens an einem fo ausgezeichneten Platz, wie der
mittleren Säulenöffnung der Hauptfeite, zum Vorfchein
kommen: hier aber flehen unmittelbar nebeneinander
Geryones und Atlas, die disparateften Kompofitionen der
ganzen Folge. Eine Gruppierung zu je drei Metopen
vollends, wie fie der Zufall der Raumanordnung auf
unferer Überfichtstafel darbietet, würde wiederum mit
der architektonifchen Gliederung des Tempels in vollem
Widerfpruch flehen (vergl. S. 138 Abb. 170). Überhaupt
wäre ja eine folche Rhythmifierung der Metopenreihe eine
gefchichtliche Anomalie. Nicht einmal am Parthenon ift
fie verflicht (man vergleiche befonders Michaelis, Par-
thenon Taf. 5).

Der Einzelbefchreibung unferer Metopen tafeln fchicke
ich noch einiges über die technifchen Merkmale
voraus, welche ihnen allen gemeinfam find.

3) Nach Robert im 50. Winckelmanns - Programm der
Berliner Arch. Gefellfchaft S. 88 f. Anm. 3 follte es fogar die
Erinnerung an ihre'architektoniich bedingte Zwölfzahl fein,
welche in dem kanonifchen Dodekathlos fortlebte. Doch
vergleiche man hiergegen, was v. Wilamowitz Euripides'
Herakles 12 S. 57 ff. für einen älteren Urfprung der Zwölf-
kämpfe geltend gemacht hat.

4) Brunn, Paeonios (Sitzungsber. der bayer. Akad. 1876)
S. 318 f. Julius Schneider, Zwölf Kämpfe des Herakles S. 44.
Malmberg, Mctoiim /uieitne-riJciccKiixi. xpaaioBt S. 57.
 
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