Metadaten

Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0183
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
178

GROSSGRÜNDLACH • PFARRKIRCHE

4a DAS MAHL IN EMMAUS Fig. 76, Abb. 87
H. 69 cm, B. 51,5-52 cm.
Wappen: Nicht identifiziert: In Rot zwei silberne Sparren, dar-
unter goldenes Kreuz; Helmzier mit goldenem Greif; Decken
rot-golden.
Erhaltung: Bildfeld beidseitig und oben stark beschnitten. Die
ursprüngliche Rahmenarchitektur ist bis auf einen Zwickel
rechts oben verloren; ansonsten fast vollständig originale Sub-
stanz. Vereinzelt alte Flickstücke; Randstreifen angestückt. Die
Bemalung in den Gewändern, vor allem auf roten und violetten
Farbgläsern, teilweise reduziert. Umfassende Spuren rückseiti-
ger Lasuren mit Braunlot oder Eisenrot in den Köpfen, den
Gewölberippen, dem Tisch und der Helmzier. Bleinetz erneuert.
Ikonographie, Komposition: Gemäß dem Evangelientext Lc 24,
30-32 ist jener Moment des Mahles gewählt, in dem sich der
Auferstandene den beiden Jüngern in Emmaus zu erkennen gibt:
»Und er nahm das Brot, sprach das Segensgebet, brach und gab
es ihnen. Da wurden ihnen die Augen geöffnet und sie erkannten
ihn«. Christus wird hier - als Verweis auf den dem Mahl voran-
gehenden Gang nach Emmaus (Lc 24, 13-29) - durch den
Jakobshut als einfacher Pilger gekennzeichnet. Hinter der in drei
Arkaden geöffneten Loggia erstreckt sich eine reizvolle Seeland-
schaft mit Burgkulissen.
Farbigkeit: Christus trägt eine dunkel blauviolette Tunika unter
rotem Mantel und einen braunen Pilgerhut; Kreuznimbus gelb.
Der bärtige Jünger in blauem Gewand und rotviolettem Mantel,
sein Gegenüber mit rotem Umhang, grünen Ärmeln des Unter-
gewands, blauen Schuhen, gelbem Schultertuch und rotvioletter
Kappe. Weiß gedeckter Tisch mit bernsteingelber Holzwange;
Brot und Messergriff silbergelb; blaßbraune Inkarnate durch
rückseitigen Braunlotauftrag. Loggia mit blaßbraunem Mauer-
abschluß, roten Säulchen und weißen Gewölbekappen; Rippen
rückseitig braun marmoriert; hell graugrüner Fliesenboden.
Landschaftsausblick grün, grau und blau (Silbergelb und Braun-
lot auf blauem Farbglas). Restzwickel einer blaß amethystfarbe-
nen Architekturrahmung.
Technik: Im Wappen rückseitiger Ausschliff aus dem Rotüber-
fang.
Stil, Datierung: Unter den mit einiger Sicherheit auf Baldung
fußenden Kompositionen ist das Emmausmahl gewiß die
schwächste, was freilich nicht zuletzt auch durch die sekundäre
Begabung des ausführenden Glasmalers unterstrichen wird. Für
den Bildaufbau hat Knappe wieder einen der kleinen Andachts-
buch-Holzschnitte (D.36) als Vorbild namhaft gemacht; für die
Kopftypen wird nochmals auf den Pariser Christuskopf (K.16)


Fig. 76. ES Chor I, 4a.

und die Visierung der »Predigt des Hl. Vinzenz Ferrer« im
J. Paul Getty Museum, Los Angeles, verwiesen30. Was die Aus-
führung betrifft, so muß die Scheibe zusammen mit den dünnli-
nig-spröd gezeichneten Wöhrder Scheiben der Höllenfahrt, des
Noli me tangere und des Ungläubigen Thomas gegen 1510 ent-
standen sein (vgl. S. 549f.).
CVMA A 12241, Großdia A 99/53


Fig. 77. ES Chor I, 4b.


Fig. 78. Versuchung Christi.
Holzschnitt nach Dürer, 1503.

4b VERSUCHUNG CHRISTI Fig. 77, Abb. 82
H. 68-69 cm> B. 51 cm.
Wappen: Im rechten unteren Eck Engel mit nicht identifizierter
Hausmarke.
Erhaltung: Bildfeld beidseitig und oben beschnitten; die
ursprüngliche Rahmenarchitektur ist bis auf einen Zwickel
rechts oben verloren. Bis auf wenige alte Flicken und zwei
Ergänzungen des 19. Jh. im Steinboden originale Substanz.
Randstreifen angestückt. Nur die blauvioletten Farbgläser im
Gewand Christi sind rückseitig stark korrodiert und verbräunt.
Die Bemalung in Gewand und Mantel Christi stellenweise berie-
ben; teils Schmutzkrusten von Kittölrückständen entlang der
Bleie. Bleinetz um 1900 erneuert.
Ikonographie, Komposition: Die Bildidee für die Hauptszene, die
erste der drei Versuchungen Christi durch den Satan, »Steine in
Brot zu verwandeln« (Mt 4,1-11; Lc 4,1-13), geht offensichtlich
direkt auf Dürers kleinen Holzschnitt D. 8 aus der zweiten
Nürnberger Andachtsbuchserie zurück (Fig. 78). Für die simul-
tane Wiedergabe der kleinen Szenen im Hintergrund, insbeson-
dere für die Stadtansicht von Jerusalem und den Tempel, muß
andererseits auch der berühmte gleichnamige Kupferstich des
fränkischen Monogrammisten LCz (Lorenz Katzheimer?) vor-
ausgesetzt werden31.

30 Kat. Ausst. Karlsruhe 1959, Nr. 108; vgl. zuletzt: George R. Goldner,
with the assistance of Lee Hendrix and Gloria Williams, European
Drawings 1. The J. Paul Getty Museum, Malibu, California, Catalogue
of the Collections, Nr. 126, und Kat. Ausst. Los Angeles/Saint Louis
2000, S. Nr. 28.
31 Knappe, Baldung, 1963, S. 63; Scholz, Werkstattpraxis, 1991, S. 97 f.;
vgl. auch Fedja Anzelewsky, Eine spätmittelalterliche Malerwerkstatt.
Studien über die Malerfamilie Katzheimer in Bamberg, in: ZDVfKw 19,
1965, S. 134-150; Alan Shestack, Master L.Cz and Master W+B, New
York 1971, S. 15-49.
 
Annotationen