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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0182

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GROSSGRÜNDLACH • PFARRKIRCHE

177

Farbigkeit: Die Farbwirkung wird bestimmt durch das plakative
Nebeneinander der Gewandfarben Violett (Christus), Gelb
(Pharisäer), Rot (Ehebrecherin), Grün (Scherge) und Rot-Weiß
(beim Abgewendeten rechts mit grüner Kopfbedeckung). Den
Hintergrund beherrscht das Rotbraun der Architektur, in das
auch die einzelnen Figuren des Hintergrunds eingebunden sind;
vereinzelt blitzen mittelblaue und grüne Gewandteile hindurch.
Kopf, Hände, Haube, Schleier und Pelzbesatz im Gewand der
Ehebrecherin weiß; Zopf, Kragen- und Ärmelsaum silbergelb.
Inkarnate im übrigen hellbraun und -grau; Christi Nimbus gelb.
Wappenengel in weißer Albe, Flügel mit blau-grünen Pfauenfe-
dern. Boden hellbraun; Restzwickel einer grünen Astwerkrah-
mung.
Technik: Silbergelbmalerei auf Blau (Pfauenfedern). Im Gewand
der Frau rückseitig kunstvoller Rotausschliff (Puffärmel, Hand
des Schergen). Im Gewand der abgewandten Gestalt wurde
großflächig weißes Glas mit aufgeschmolzenen roten Glasfäden
verwendet (für die Gürteltasche und den silbergelb gehöhten
Kragensaum zudem vorderseitig ausgeschliffen).
Stil, Datierung: Für einen zugrundeliegenden Entwurf von der
Hand Baldungs zeugen neben der gesamten Konzeption auch
zahlreiche Bezüge zum zeichnerischen Werk des Künstlers, auf
die bereits Knappe ausführlich verwiesen hat: genannt seien hier
nur die Hl. Katharina in Basel (vgl. S. 502-504, Fig. 351), der
Pariser Christuskopf und der grüßende Landsknecht, gleichfalls
Basel26. Die gesuchte Komposition weist freilich ebenso wie die
plakative Farbigkeit bereits in die Nähe von Baldungs Hallenser
Altären von 1507, womit die von Knappe erwogene Möglichkeit
einer Zweitfassung des Themas wenig Wahrscheinlichkeit be-
sitzt. Einer Entstehung der Scheibe um 1506/7 - zeitlich also
unmittelbar zum Entwurf - entspricht auch die schematisch-
routinierte Technik der Ausführung (Hirsvogel-Werkstatt); für
den Wappenengel wurde auf denselben Entwurf zugegriffen, der
auch in der Scheibe der Versuchung Christi Verwendung fand.
CVMA A 12239, Großdia A 99/51
3b CHRISTUS UNTER DEN SCHRIFTGELEHRTEN
Fig. 75, Abb. 86
H. 70-70,5 cm, B. 53,5 cm.
Wappen: Im rechten unteren Eck Engel mit nicht identifizierter
Hausmarke.
Erhaltung: Beidseitig und oben stark beschnitten; minimale
Zwickelreste der Astwerkrahmung. Seitliche Perlbandstreifen
angestückt. Kleinere Partien im Brustbereich des Zwölfjährigen,
in der Tempelarchitektur und im Schemel eines Schriftgelehrten
sind ergänzt. Violette und blaßbraune Farbgläser rückseitig kor-
rodiert. Umfangreiche Bemalungsverluste in den Köpfen und
Gewändern (verursacht durch eingedrungene Feuchtigkeit an
den zahlreichen Sprüngen). In den Köpfen des Jesusknaben, der
rechten Figurengruppe und der Tempelarchitektur sind Reste
von Rückseitenbemalung zu verzeichnen. Entlang des erneuer-
ten Bleinetzes Kittreste und Schmutzkrusten; zahlreiche Sprung-
bleie.
Ikonographie, Komposition: Die im Lukas-Evangelium (Lc 2,
41-52) und etwas erweitert im apokryphen Thomasevangelium
(19, 1-5)27 überlieferte Begebenheit zeigt den zwölfjährigen
Jesus inmitten der Schriftgelehrten, bei der Auslegung des Geset-
zes und der Sprüche der Propheten. Ausgewählt ist der Moment,
da ihn die Eltern Maria und Joseph nach dreitägiger Suche im

Fig. 74. ES Chor I, 3a.



Fig. 75. ES Chor I, 3b.

Tempel von Jerusalem wiedergefunden haben28. Die Gründla-
cher Redaktion folgt dem am weitesten verbreiteten, sogenann-
ten Lehrtypus und zeigt Jesus frontal, auf erhöhter Kathedra, im
Zentrum der Lehrer, die teils als heftig Diskutierende, teils als
nachdenklich Sinnende charakterisiert werden. Von links hinten
treten Maria und Joseph hinzu.
Farbigkeit: Die relativ bunte Gesamtwirkung ist bedingt durch
die größere Zahl der Figuren: Jesus trägt wie stets eine dunkel
blauviolette Tunika; Maria im blauen Mantel mit gelbem Nim-
bus, Joseph in blauem Rock mit rotem Schultertuch. Die im
Halbkreis auf gelben Schemeln vor dem Zwölfjährigen angeord-
neten Schriftgelehrten zeigen folgende Farbverteilung: erster
links in blaßgrün damasziertem Gewand, karminrotem Hut und
rosabrauner Gürteltasche, davor Profilfigur in rotem Mantel
über blauem Untergewand; zudem fast verdeckt ein Bärtiger mit
rotvioletter Kapuze und hellgrünem Gewand; rechts vorn Sit-
zender in blauem Mantel und silbergelber Kappe, dahinter Pro-
filfigur in moosgrünem Wams mit weißen Ärmeln und hellbraun
pelzbesetzten Säumen; im Hintergrund fast verdeckt Frontalfi-
gur in Rot und Blau. Wappenengel in weißer Albe; Schild und
Haare silbergelb. Inkarnate blaßbraun und weiß, ebenso Hände
und Bücher. Innenraum-Architektur rosaviolett (teils verbräunt);
hinter dem Jesusknaben ein kräftig grüner Damastvorhang; blaß
graugrüner Fliesenboden. Restzwickel einer gelben Astwerkrah-
mung.
Ornament: Im Gewand eines Schriftgelehrten und im Wandbe-
hang sind Damastmuster aus dem Halbton ausradiert.
Stil, Datierung: Nürnberg, um 1505/6 (Hirsvogel-Werkstatt).
Obwohl die Ausführung nicht mehr dieselbe Sorgfalt verrät wie
die frühesten Scheiben des Karmeliterzyklus, lassen Typenschatz
einzelner Schriftgelehrter und die hermetische Gesamtkomposi-
tion den zugrundeliegenden Entwurf Hans Baldung Griens - in
der Art des Abendmahls im beschlossen Gart M.236 und inspi-
riert von Dürers Kleinholzschnitt D.6 - noch deutlich genug
erkennen29.
CVMA A 12240, Großdia A 99/52

26 Knappe, Baldung, 1963, S. 64t.; vgl. Koch, 1941, Nr. 11, 13 (1505
datiert) und 16.
27 Schneemelcher, 6i99o, S. 359.
28 Schiller, I, 3i^S^, S. 134L; Volker Osteneck, in: LCI, IV, 1972, Sp.
583-589.
29 Vgl. Knappe, Baldung, 1963, S. 6}f.
 
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