EHEMALS NÜRNBERG • KARMELITERKLOSTER
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Fußwaschung im Achsenfenster chronologisch aus der fortlaufenden Verglasung des Kreuzgangs heraus. Offenkundig
hatte man die bereits um 1460 neu errichtete und komplett ausgestattete Ottilienkapelle vorläufig ausgespart, um erst
die Kreuzgangsflügel zu verglasen, dabei jedoch die vorhandenen Fensteröffnungen schon in die ikonographische
Abfolge der Erzählung mit einkalkuliert. Betrachtet man alle 32 mehr oder weniger fragmentiert erhaltenen Felder auf
ihr stilistisches Erscheinungsbild hin, dann erweist sich, daß der Ostflügel - von den Nachzüglern in Fenster 1 und 2
abgesehen - zwischen 1504 und 1506, der Südflügel etwa zwischen 1506 und 1508 und der Westflügel schließlich von
1508 bis etwa 1511 ihre Verglasung erhalten haben müssen, während die kompakte Gruppe der Kapellenfenster von
1511 den Abschluß der Kampagne markiert.
Eine von Karl-Adolf Knappe behauptete »thematische Überschneidung« von Gefangennahme und Christus vor Annas
in Henfenfeld mit »einstigen« Scheiben in Wöhrd entspricht nicht den Tatsachen30: Eine Gefangennahme hat es in
Wöhrd nie gegeben und bei der heute verschollenen Darstellung eines Verhörs aus Wöhrd handelte es sich in Wahrheit
um die Szene Christus vor Pilatus51. Daß Schwemmers Deutung der schon damals sehr beschädigten Scheibe zu trauen
ist, dafür spricht außerdem der Umstand, daß Pilatus in der ebenfalls verschollenen Handwaschung (Fig. 389!.) eben
genau dieselbe Kleidung mit Turban und Pelzbesatz an Ärmeln und Schultern des Mantels trägt. Im übrigen bestehen
engste formale Bezüge zu Baldungs Holzschnitt im Beschlossen Gart52, und auf Baldungs Betreuung der Scheibenstif-
tung deutet eben auch der Profilkopf Christi hin. Zusammen mit dem erhaltenen Verhör durch Kaiphas in Wöhrd
(Chor süd II, 2a) wäre die Reihe noch immer nicht vollständig, bedenkt man, daß in den kleinen Illustrationen des
Beschlossen Gart das Thema des Verhörs gleich fünfmal ohne nennenswerte Unterscheidung dargestellt wurde
(M.238-242). Mit letzter Sicherheit läßt sich die Frage nach der gemeinsamen Herkunft aus dem Kreuzgang des Kar-
meliterklosters freilich ohne Quellenfunde nicht mehr beweisen. Es wäre aber doch ein unglaublicher Zufall, wenn sich
aus verschiedenen Zyklen gerade nur soviel erhalten hätte, um daraus wieder einen einzigen nahezu vollständig rekon-
struieren zu können.
Ornament: Auf dekorative Ornamentik wurde im gesamten Zyklus nahezu vollständig verzichtet; zu den wenigen
Ausnahmen zählt der großflächige Stoffmusterrapport in der Anbetung der Könige (X, 33) sowie kleinere, frei gemalte
Gewanddamaste, etwa in den Szenen des Bethlehemitischen Kindermords, des Zwölfjährigen im Tempel oder der
Samariterin am Brunnen.
Farbigkeit: Obwohl in der verfügbaren Palette an Farbgläsern während des ersten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts
keine merklichen Verschiebungen aufgetreten waren, lassen sich in der Farbigkeit der Karmeliterscheiben im Verlaufe
ihrer Entstehung durchaus unterschiedliche Tendenzen aufzeigen:
Die brillante Gesamterscheinung der heute im östlichen Chorfenster der Gründlacher Pfarrkirche zusammengestellten
Felder basiert - selbstverständlich im Verein mit der vorzüglichen Erhaltung - auf einem relativ großen Anteil heller
Farbgläser, Weiß und Silbergelb sowie der jeweiligen Konzentration auf wenige großflächige Farbakkorde. Die ausge-
sucht dominanten Kontraste von Gelb und Blau in der Webstuhlszene, Rot/Grün/Blau in der Verlobung Mariae,
Rot/Grün und Blau/Violett beim Abschied Joachims von Anna, Gelb/Rot/Blau in der Darbringung im Tempel und
schließlich vor allem das plakative Nebeneinander der Gewandfarben Violett, Gelb, Rot, Grün im Verein mit einem
raffinierten rot-weiß gestreiften Glas in der Szene mit der Ehebrecherin (Fig. 68) erinnert nachhaltig an die Farbigkeit
in den frühen Hallenser Altären des Hans Baldung Grien, der hier sicher nicht nur die Kompositionen entworfen hat,
sondern ebenso exakte Vorgaben für die Farbwahl getroffen haben muß. Die Farbigkeit der späten Scheiben des Kar-
meliterzyklus verrät demgegenüber in ihrer Buntheit keine spezifische Regelhaftigkeit.
Technik: Neben die traditionellen Mittel vorder- und rückseitiger Schwarz- und Braunlotmalerei (Halbtonlasur und
Kontur), die freilich in den frühesten Scheiben des Zyklus (Großgründlach und Wöhrd) in der Subtilität einer an
Federzeichnungen orientierten und damit wetteifernden aufwendigen Binnenzeichnung von Köpfen und Gewändern
nur in wenigen zeitgenössischen Glasgemälden Nürnberger Provenienz ihresgleichen findet, treten Ausschliff aus dem
Überfang, insbesondere in den Wappen, aber auch in einzelnen Gewandpartien (Ehebrecherin), und die Verwendung
einer ausgefallenen Glassorte mit aufgeschmolzenen roten Glasfäden auf farblosem Glas.
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Fußwaschung im Achsenfenster chronologisch aus der fortlaufenden Verglasung des Kreuzgangs heraus. Offenkundig
hatte man die bereits um 1460 neu errichtete und komplett ausgestattete Ottilienkapelle vorläufig ausgespart, um erst
die Kreuzgangsflügel zu verglasen, dabei jedoch die vorhandenen Fensteröffnungen schon in die ikonographische
Abfolge der Erzählung mit einkalkuliert. Betrachtet man alle 32 mehr oder weniger fragmentiert erhaltenen Felder auf
ihr stilistisches Erscheinungsbild hin, dann erweist sich, daß der Ostflügel - von den Nachzüglern in Fenster 1 und 2
abgesehen - zwischen 1504 und 1506, der Südflügel etwa zwischen 1506 und 1508 und der Westflügel schließlich von
1508 bis etwa 1511 ihre Verglasung erhalten haben müssen, während die kompakte Gruppe der Kapellenfenster von
1511 den Abschluß der Kampagne markiert.
Eine von Karl-Adolf Knappe behauptete »thematische Überschneidung« von Gefangennahme und Christus vor Annas
in Henfenfeld mit »einstigen« Scheiben in Wöhrd entspricht nicht den Tatsachen30: Eine Gefangennahme hat es in
Wöhrd nie gegeben und bei der heute verschollenen Darstellung eines Verhörs aus Wöhrd handelte es sich in Wahrheit
um die Szene Christus vor Pilatus51. Daß Schwemmers Deutung der schon damals sehr beschädigten Scheibe zu trauen
ist, dafür spricht außerdem der Umstand, daß Pilatus in der ebenfalls verschollenen Handwaschung (Fig. 389!.) eben
genau dieselbe Kleidung mit Turban und Pelzbesatz an Ärmeln und Schultern des Mantels trägt. Im übrigen bestehen
engste formale Bezüge zu Baldungs Holzschnitt im Beschlossen Gart52, und auf Baldungs Betreuung der Scheibenstif-
tung deutet eben auch der Profilkopf Christi hin. Zusammen mit dem erhaltenen Verhör durch Kaiphas in Wöhrd
(Chor süd II, 2a) wäre die Reihe noch immer nicht vollständig, bedenkt man, daß in den kleinen Illustrationen des
Beschlossen Gart das Thema des Verhörs gleich fünfmal ohne nennenswerte Unterscheidung dargestellt wurde
(M.238-242). Mit letzter Sicherheit läßt sich die Frage nach der gemeinsamen Herkunft aus dem Kreuzgang des Kar-
meliterklosters freilich ohne Quellenfunde nicht mehr beweisen. Es wäre aber doch ein unglaublicher Zufall, wenn sich
aus verschiedenen Zyklen gerade nur soviel erhalten hätte, um daraus wieder einen einzigen nahezu vollständig rekon-
struieren zu können.
Ornament: Auf dekorative Ornamentik wurde im gesamten Zyklus nahezu vollständig verzichtet; zu den wenigen
Ausnahmen zählt der großflächige Stoffmusterrapport in der Anbetung der Könige (X, 33) sowie kleinere, frei gemalte
Gewanddamaste, etwa in den Szenen des Bethlehemitischen Kindermords, des Zwölfjährigen im Tempel oder der
Samariterin am Brunnen.
Farbigkeit: Obwohl in der verfügbaren Palette an Farbgläsern während des ersten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts
keine merklichen Verschiebungen aufgetreten waren, lassen sich in der Farbigkeit der Karmeliterscheiben im Verlaufe
ihrer Entstehung durchaus unterschiedliche Tendenzen aufzeigen:
Die brillante Gesamterscheinung der heute im östlichen Chorfenster der Gründlacher Pfarrkirche zusammengestellten
Felder basiert - selbstverständlich im Verein mit der vorzüglichen Erhaltung - auf einem relativ großen Anteil heller
Farbgläser, Weiß und Silbergelb sowie der jeweiligen Konzentration auf wenige großflächige Farbakkorde. Die ausge-
sucht dominanten Kontraste von Gelb und Blau in der Webstuhlszene, Rot/Grün/Blau in der Verlobung Mariae,
Rot/Grün und Blau/Violett beim Abschied Joachims von Anna, Gelb/Rot/Blau in der Darbringung im Tempel und
schließlich vor allem das plakative Nebeneinander der Gewandfarben Violett, Gelb, Rot, Grün im Verein mit einem
raffinierten rot-weiß gestreiften Glas in der Szene mit der Ehebrecherin (Fig. 68) erinnert nachhaltig an die Farbigkeit
in den frühen Hallenser Altären des Hans Baldung Grien, der hier sicher nicht nur die Kompositionen entworfen hat,
sondern ebenso exakte Vorgaben für die Farbwahl getroffen haben muß. Die Farbigkeit der späten Scheiben des Kar-
meliterzyklus verrät demgegenüber in ihrer Buntheit keine spezifische Regelhaftigkeit.
Technik: Neben die traditionellen Mittel vorder- und rückseitiger Schwarz- und Braunlotmalerei (Halbtonlasur und
Kontur), die freilich in den frühesten Scheiben des Zyklus (Großgründlach und Wöhrd) in der Subtilität einer an
Federzeichnungen orientierten und damit wetteifernden aufwendigen Binnenzeichnung von Köpfen und Gewändern
nur in wenigen zeitgenössischen Glasgemälden Nürnberger Provenienz ihresgleichen findet, treten Ausschliff aus dem
Überfang, insbesondere in den Wappen, aber auch in einzelnen Gewandpartien (Ehebrecherin), und die Verwendung
einer ausgefallenen Glassorte mit aufgeschmolzenen roten Glasfäden auf farblosem Glas.