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Parello, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Regensburg und der Oberpfalz: ohne Regensburger Dom — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 13,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.52874#0134
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NABBURG • PFARRKIRCHE ST. JOHANNES BAPT.

Bibliographie: Niedermayer 1856, S. 578 (Erwähnung kaum erkennbarer mittelalterlicher Verglasungsreste im
Chorfenster hinter dem Hochaltar); Lotz 1863, S. 312 (Glasgemälde im Chor); J. Sighart, in: Bavaria II,i, 1863,
S. 159 (»Scenen aus Jesu Leben«); Sighart 1863, S. 412 (hinter dem Altar »Scenen aus der Passion und die Auferste-
hung des Herrn«); Otte/Wernicke 4i868, S. 703 (wie Sighart 1863); Oidtmann 1898, S. 293 (spezifiziert erstmals
die Angaben zum Erhaltenen und beschreibt einen Christuskopf sowie zwei Felder mit der Auferstehung und der
Erscheinung Christi vor Magdalena, welche er jedoch erst dem 15. Jahrhundert zuordnet); Oidtmann 1907, S. 50
(wie Oidtmann 1898); Hoffmann/Mader 1910, S. 41, 148 (Beschreibung von drei [sic!] Medaillons im Nordseiten-
schiff, welche aus dem Chor stammen; »Beachtenswerte Arbeiten der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts«); Stau-
dinger 1983, S. 6 (zählt fälschlich auch die neue Kreuztragungsszene zum Originalbestand); Laipple-Fritzsche
1989a, S. 263E, Abb. 4 (weist die gegen 1330 angesetzte Verglasung dem zweiten gotischen Atelier am Regensburger
Dom zu und verbindet damit auch die Glasmalereien in Chammünster, Seligenporten und Speinshart); Fritzsche
1992, S. 77 (denkt nun an die Ausführung durch eine nicht mehr an die Dombauhütte gebundene Klosterwerkstatt);
Dausch/Luderböck 32oo6, S. io, Abb. S. 12 (folgt Laipple-Fritzsche 1989a); Dehio 1 22oo8, S. 340 (hebt die Noli-
me-tangere-Darstellung aus der Mitte des 14. Jahrhunderts hervor).
Gegenwärtiger Bestand: Im Maßwerk des Chorachsenfensters sind fünf mittelalterliche Scheiben in situ erhalten,
darunter zwei Halbfiguren adorierender Engel, eine Vera Icon und ein Lamm Gottes (Abb. 51). Das Langhausfenster
nord IV enthält zwei Medaillonfelder eines Vita-Christi-Zyklus (Fig. 108, Abb. 49E, 52, 55), die in eine historistische
Neuverglasung der Münchner Glasmalereiwerkstatt Franz Xaver Zettler aus der Zeit um 1900 eingebettet sind. Ein
in der Literatur mehrfach erwähntes drittes Medaillon mit der Kreuztragung Christi wurde hingegen von Zettler
(nach verlorenem Original?) neu geschaffen. Schließlich gibt es in der Annakapelle noch zwei weitgehend verwitterte
Maßwerkscheiben mit einer weiteren Vera Icon und einem Wappen (Abb. jjf.).
Geschichte des Baues: Sitz der Pfarrei Nabburg war ursprünglich das wenige Kilometer entfernte Perschen, das
seit 1160 dem Regensburger Domkapitel gehörte und nach Cham und Amberg eine der einträglichsten Pfarreien
der Oberpfalz war. Wohl um die Mitte des 14. Jahrhunderts, spätestens aber zur Zeit der Hussitenkriege in den
i42o/3oer-Jahren, wurde der Pfarrsitz von Perschen nach Nabburg verlegt1, und auch dort behielt sich das Regens-
burger Domkapitel das Präsentationsrecht vor.
Die Nabburger Stadtkirche steht in malerischer Lage auf dem Bergrücken oberhalb des Flusses Naab zwischen obe-
rem Markt und ehemaligem Schloss. Noch vor 1300 begonnen und gegen 1350 vollendet, zählt sie zu den bedeutends-
ten gotischen Kirchen der Oberpfalz. Ihr Baumeister war mit der Regensburger Architektur, insbesondere mit der
Arbeit der Dombauhütte, bestens vertraut2. Es handelt sich um eine doppelchörige Anlage auf zentralisierendem
Grundriss (Fig. 96). Der gegenüber dem Mittelschiff niedrigere Ostchor mit 5/8-Schluss entstammt noch einer äl-
teren Planung. Vor ihm liegt ein nicht auskragendes, über einer quadratischen Vierung angelegtes Querhaus, welches
das Mittelschiff leicht überragt. Nach Westen schließt sich ein dreischiffiges, vierjochiges, basilikales Langhaus an;
über dessen gedrungenen Arkaden befinden sich hoch sitzende Obergadenfenster mit weit herabgezogenen Sohlbän-
ken (Fig. 97). Eine Empore mit drei Arkadenbögen grenzt das Mittelschiff vom Westchor ab. Über den westlichen
Seitenschiff jochen erhob sich ursprünglich ein Turmpaar, das den Westchor flankierte; der Nordturm stürzte 1536
infolge eines Brandes ein und zerstörte Teile des Seitenschiffs. Der Hauptzugang zur Kirche erfolgt über das Stu-

1 Simbeck 1934 weist ohne Quellenbeleg darauf hin, dass Wolfhart
der Zenger bereits 1351 und 1356 als Pfarrer oder Kirchenherr zu Nab-
burg bezeichnet wird. Spätestens 1433 war St. Johannes zur Mutterkir-
che aufgestiegen; Müller-Luckner 1981, S. 91h
2 Hoffmann/Mader 1910, S. 38. In Regensburg sind sowohl das
Obermünster als auch St. Emmeram doppelchörige Anlagen; am Dom
ist das Querhaus in Schiffsbreite angelegt, sein Giebel reich mit Maß-

werk verziert. All dies findet sich in Nabburg wieder. Außerdem sind
dort über den Maßwerkfenstern des Westchores noch außenseitige, mit
Krabben besetzte Wimperge in Ansätzen erhalten, die wie am Dom
über die Traufe hinausragen. Das zentrale Kreismotiv in den Couron-
nements der Chorflankenfenster begegnet auch in den Obergadenfens-
tern des Domchores, und selbst die gedrungene Form der Scheidarka-
den ist wiederum ein Charakteristikum von St. Peter.
 
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