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LX

KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG

worden waren, obwohl sie aus Kirchen der nächsten Umgebung stammen und ihre Auftraggeber in den Umkreis
des kurpfälzischen Hofes gehören"8. Zwei Umstände haben jedoch eine Klärung ihrer Lokalisierung bisher verhin-
dert: die schlechte Aufarbeitung der an Ober- und Mittelrhein erhaltenen Farbverglasungen wie der überlieferten
Quellen im Hinblick auf Glasmalerei-Werkstätten, vor allem aber ihre frühe Vereinnahmung durch eine auf klangvolle
Meisternamen fixierte Kunstgeschichtsschreibung. So waren die Neckarsteinacher Scheiben dem Meister WB, dem
Schöpfer der Mainzer Sebastianslegende — nicht nur im Entwurf, sondern auch in der Ausführung — zugeschrieben
worden "'', während man für die von Anfang an mit dem Namen Hans Baldung Griens verbundenen Ersheimer
Scheiben schließlich sogar eine Ausführung in dessen Werkstatt erwogen hatte120 - Hypothesen und Konjekturen,
die mit einer Entstehung in Heidelberg kaum vereinbar waren.
Sichtet man die in den Quellen für Heidelberg bezeugten Glasmaler wie die für sie überlieferten Aufträge und
versucht, wie dies als erster H. Wentzel getan hat121, erhaltene Glasmalereien damit zu verbinden, so ergibt
sich für das späte 15. und frühe 16. Jh. folgendes Bild: 1499 bestätigt Hans Glaser von Heidelberg, Jakob Glasers
Sohn, im Auftrage Krafts VI. von Hohenlohe für 18 fl. ein Glasfenster und für i fl. eine Wappenscheibe anzufertigen.
1 507 erhielt Hans Konberger, Glaser zu Heidelberg, 80 fl. für ain gemalet fenster, das er für Herzog Ulrich von
Württemberg in die Stiftskirche zu Backnang geliefert hatte122. Daß der Glasmalerei-Werkstatt, die Hans Konberger
genannt Glaser bereits von seinem Vater übernommen haben dürfte, ein besonderer Rang zukommt, läßt sich
nicht nur aus den beiden auf Glasmalerei bezüglichen Quellen, sondern auch daraus erschließen, daß der spätere
kurpfälzische Zeugmeister 1 516 von Kurfürst Ludwig V.umb sinder gnaden und siner kunst willen von allen Bürgerpflich-
ten befreit wurde. Die Urkunde von 1499 mit der 1499 datierten Chorverglasung der Langenburger Stadtkirche
(Textabb. 41) zu verbinden, war insofern sehr verlockend, als dort von Kraft VI. von Hohenlohe ein Fenster
mit vier Scheiben stammt, von dem sich noch sein Stifterbild und eine Strahlenkranzmadonna erhalten haben.
Aber selbst wenn man die Urkunde nur auf dieses Fenster bezieht, kommt ein ursprünglich sechs Scheiben umfassen-
des Fenster, das derselbe Auftraggeber etwa gleichzeitig mit den Langenburger Scheiben in derselben Werkstatt
für den 1 502 vollendeten Chor der Ingelfinger Stadtkirche hat anfertigen lassen, auf Grund des vereinbarten Preises
eher in Frage123. Eine der beiden hohenlohischen Fensterstiftungen dürfte die Urkunde von 1499 jedenfalls betref-
fen.
In der höfisch verfeinerten Figurenauffassung, in der metallisch glatten Oberflächenbehandlung und der umfangrei-
chen Verwendung von Eisenrot zur Modellierung wie in der Bildung der Damastgründe ergeben sich andererseits
auffällige Übereinstimmungen sowohl mit den Ersheimer als auch mit den Neckarsteinacher Scheiben, die zwar
nicht auf einen Meister, wohl aber auf die Gemeinsamkeit einer Werkstatt hinweisen. Nach der Überlieferung kann
dies nur diejenige von Vater und Sohn Konberger in Heidelberg gewesen sein. In technischer und stilistischer
Hinsicht weniger traditionsgebunden und für Neuerungen offener zeigen ihre Arbeiten trotz nicht zu leugnender
Anklänge an die Straßburger und Speyerer Glasmalerei ein allerdings auch durch den Auftraggeberkreis geprägtes
unverwechselbares Erscheinungsbild, das schon H. Wentzel zu weiteren Zuschreibungen veranlaßt hatte. Völlig
überzeugend ist allerdings nur die Zuweisung jener fünf für die Pfarrkirche von Kleinbottwar zurückgewonnenen,

118 Der Neubau der Neckarsteinacher Pfarrkirche war 1481-1485
im Auftrag Blickers XIV. Landschad von Steinach errichtet worden,
der bereits unter Friedrich dem Siegreichen das Amt des Hofmeisters
innehatte und zusammen mit seiner Frau den ranghöchsten Platz
in der Chorverglasung zur rechten Hand des Achsenfensters und
gegenüber seinem damaligen Herrn und Gönner, Philipp dem Auf-
richtigen, eingenommen haben dürfte.

119 Erstmals von H. Merten, in: Jb. der Volks- und Heimatfor-
schung in Hessen und Nassau 1953-1958, S. 149, auf der Grundlage
des von E. Buchner, in: Münchner Jb. der bildenden Kunst 4,
1927, S. 229—275, für WB zusammengetragenen uvres.

120 Sowohl F. Back, in: Führer durch die Künste und historischen

Sammlungen, Darmstadt 1908, S. 46, als auch J.L. Fischer, 1914,

S. 1396., nahmen zwar einen Zusammenhang mit Baldungs Kunst

an, dachten jedoch nicht wie H. Merten, in: Kat. Ausst. Meister-

werke alter deutscher Glasmalerei, Bayerisches Nationalmuseum
München 1947, S. 6, 25, an eine Ausführung in Baldungs Werkstatt.
Noch S. Beeh-Lustenberger (s. Anm. 117) hatte eine Vermittlung
Baldungschen Formengutes durch die Freiburger Ropstein-Werk-
statt erwogen, obgleich die fraglichen Renaissance-Motive in einer
geistig und künstlerisch so aufgeschlossenen Residenzstadt wie Hei-
delberg allenthalben verfügbar gewesen sein dürften.
121 H. Wentzel, 1967, S. 28f.
122 Nachweise hierzu bei H. Rott, III, 1938, Text S. 16 (im Wortlaut
mitgeteilt von H. Wentzel, 1967, S. 28, Anm. 29), und ders.,
1934, S. 292. Zur Person Hans Konbergers vgl. außerdem A. Seeli-
ger-Zeiss (s. Anm. 39), 1967, S. 126.
123 Zu Langenburg vgl. H. Wentzel, 1967, S. 20-25 ; zu den ebenda
S. 8 »als Kopien des 19. Jh.« ausgeklammerten Ingelfinger Scheiben
s. demnächst H. Wentzel/F. Werner, CVMA Deutschland I, 2.
 
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