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30 III. Die Einheit der christlichen Kunst des Mittelalters usw.

der deutschen Kunst des Mittelalters und macht ihre Geschichte zu
einem der schwierigsten und zugleich durch Reichtum interessan-
testen Probleme der Kunstgeschichte überhaupt.
Wie verworren der Verlauf der deutschen Kunstgeschichte bis zum
13. Jh. ist und wie bestimmend durch diese ganze Zeit hindurch jene
beiden Grundkräfte blieben, von denen wir ausführlich sprachen,
das primitive Germanentum und die späte Antike, das sei an einem
Beispielpaar gezeigt, am Vergleich zweier berühmter Kunstwerke
vom Ende des in diesem Bande behandelten Zeitabschnitts, deren
Abbildungen wir zur Kennzeichnung des ganzen Stilverlaufs an den
Anfang stellen. Das Bogenfeld des Portals der Regensburger Schot-
tenkirche (Abb. 3) zeigt in profiliertem und ornamentiertem Rahmen
die Halbfiguren dreier Heiliger im Relief: in der Mitte Christus, durch
Kreuznimbus und Anredegeste bezeichnet, links ein bärtiger Heiliger,
wohl der Patron der Kirche, Jakobus, rechts ein bartloserjugendlicher
mit einem offenen Buch in der ausgestreckten rechten Hand, anschei-
nend Johannes. Fast beziehungslos, jedenfalls handlungslos, sind die
drei unbewegt nebeneinandergesetzt. Auf das einfachste und
roheste sind die rahmenden Profile gebildet: zwei Rundstäbe führen
in den Reliefgrund über, der Türsturz ist eine schlichte scharfkantige
Platte. Das Ornament ist sehr exakt und macht durch seine Dichte
einen reichen Eindruck, ist aber höchst einfach: über dem Doppel-
rundstabprofil ist der Steinbogen mit einfach ineinandergeschlun-
genen, doppelt gerillten Kreisen verziert; ein völlig primitives Orna-
ment, das zudem durch die Kerbung den Eindruck von Band-
schlingen macht. Den Türsturz ziert eine scharf die Blockgrenze
wahrende, ebenfalls bandförmig erscheinende Ranke mit Zwickel-
blättern, deren scharfe Kerbung an Schnitztechnik gemahnt. Kurz,
die Profile und das Ornament sind von einer Primitivität, die in
vorkarolingischer Zeit keineswegs verblüffen würde, es sei denn, daß
auch dort die Schlichtheit und Grobheit einen verwunderte. Nun
erst die Figuren! Ist schon die einfache Nebeneinanderstellung und
die Abschneidung der Unterkörper durch den Türsturz roh und ohne
Gefühl für das Organische, geschweige für den Reichtum der Mög-
lichkeit menschlicher Beziehungen und verrät die Überschneidung
des oberen Rahmenprofils durch die Köpfe einen erstaunlichen Man-
gel an Organisationssinn und Sinn für die Personalität der Darstel-
lung, so zeugt es von höchster Primitivität, wie die Figuren rohe
Steinblöcke bleiben, die mit denselben gekerbten Striemen verziert
sind wie die tektonischen Teile. Und zwar ist nicht allein die Gewan-
 
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