96 IV. Von Karl dem Großen bis zum Ende des romanischen Stiles
Ranken- und Tierornament entspricht. Am reichsten und üppigsten ist
der MainzerWestchor, eine Dreikonchenanlage, in die das Querschiff
nicht einbezogen ist; während er sich außen in schäumender Pracht
erhebt (Abb. 42), ist er innen von großem Ernst und schöner Raum-
innigkeit. Es ist kein Wunder, daß die Restaurationskunst des
Barock hier ihren höchsten Triumph gefeiert hat; die spätroma-
nische Anlage war ja selbst schon barock.
Das Sonderbare ist, daß überall französische Anregungen ver-
arbeitet sind, und zwar ebenso alte romanische wie moderne gotische.
Aber das Fremde wird umgewandelt, man erliegt ihm nicht, sondern
beherrscht es souverän. Drei große Invasionen französischer Kunst
in Deutschland (neben vielen kleineren) können wir um 1200 auf-
zeigen: Die südfranzösische Protorenaissance breitet sich über Italien
und die Schweiz am Oberrhein aus (Basel), wirkt auf den Mittelrhein
(Worms) und erobert den Osten: Bamberg, Regensburg (Schotten-
tor, Abb. 3) sind Stationen der Wanderung bis nach Mähren und
Ungarn (Trebitsch, Tischnowitz, Jak). Die normannische Architektur
dringt in Norddeutschland im Gebiet des Backsteinbaues vor (Lehnin),
wirkt auf den Mittelrhein und verbindet sich dort mit dem südfran-
zösischen Strom. Nord- und westfranzösische Formen werden über
die Niederlande am Rhein bekannt; Westfrankreich wirkt stark auf
die westfälische Baukunst. Wie selbständig und lebenskräftig die
deutsche Kunst in dieser Zeit ist, das sieht man daran, daß überall,
wo die französischen Anregungen verarbeitet werden, Werke bedeu-
tender Eigenart und großer Schönheit entstehen; wo dagegen die
wandernden französischen Werkstätten anscheinend selber tätig sind,
herrscht klägliche Armut und bäuerische Grobheit.
In Frankreich war schon seit dem Anfang des 12. Jhs. mit der
Architektur die monumentale Skulptur, die in Deutschland bislang
fast ganz fehlte, aufgeblüht. Mit den architektonischen Anregungen
kamen nun um 1200 die Anregungen zur steinernen Großplastik.
Die Baseler Galluspforte ist das erste Beispiel eines nach fran-
zösischem Vorbild figurierten Portals. Ost- und Westchor des Worm-
ser Doms werden nun mit dekorativer Skulptur übersponnen(Abb.47):
Tiere und Menschen, symbolisch, fabelhaft, dämonisch oder dekorativ,
sind miteinander verschlungen oder gegeneinander gestellt. Ober-
italiens, von Frankreich befruchtete Kunst steht hinter diesem Reich-
tum an Genreplastik. Aber in dem heiteren und gemütlichen Natura-
lismus einiger Szenen bricht die deutsche Eigenart durch (wie einst im
Tutilo-Elfenbein). Das schon im vorigen Kapitel erwähnte Freuden-
Ranken- und Tierornament entspricht. Am reichsten und üppigsten ist
der MainzerWestchor, eine Dreikonchenanlage, in die das Querschiff
nicht einbezogen ist; während er sich außen in schäumender Pracht
erhebt (Abb. 42), ist er innen von großem Ernst und schöner Raum-
innigkeit. Es ist kein Wunder, daß die Restaurationskunst des
Barock hier ihren höchsten Triumph gefeiert hat; die spätroma-
nische Anlage war ja selbst schon barock.
Das Sonderbare ist, daß überall französische Anregungen ver-
arbeitet sind, und zwar ebenso alte romanische wie moderne gotische.
Aber das Fremde wird umgewandelt, man erliegt ihm nicht, sondern
beherrscht es souverän. Drei große Invasionen französischer Kunst
in Deutschland (neben vielen kleineren) können wir um 1200 auf-
zeigen: Die südfranzösische Protorenaissance breitet sich über Italien
und die Schweiz am Oberrhein aus (Basel), wirkt auf den Mittelrhein
(Worms) und erobert den Osten: Bamberg, Regensburg (Schotten-
tor, Abb. 3) sind Stationen der Wanderung bis nach Mähren und
Ungarn (Trebitsch, Tischnowitz, Jak). Die normannische Architektur
dringt in Norddeutschland im Gebiet des Backsteinbaues vor (Lehnin),
wirkt auf den Mittelrhein und verbindet sich dort mit dem südfran-
zösischen Strom. Nord- und westfranzösische Formen werden über
die Niederlande am Rhein bekannt; Westfrankreich wirkt stark auf
die westfälische Baukunst. Wie selbständig und lebenskräftig die
deutsche Kunst in dieser Zeit ist, das sieht man daran, daß überall,
wo die französischen Anregungen verarbeitet werden, Werke bedeu-
tender Eigenart und großer Schönheit entstehen; wo dagegen die
wandernden französischen Werkstätten anscheinend selber tätig sind,
herrscht klägliche Armut und bäuerische Grobheit.
In Frankreich war schon seit dem Anfang des 12. Jhs. mit der
Architektur die monumentale Skulptur, die in Deutschland bislang
fast ganz fehlte, aufgeblüht. Mit den architektonischen Anregungen
kamen nun um 1200 die Anregungen zur steinernen Großplastik.
Die Baseler Galluspforte ist das erste Beispiel eines nach fran-
zösischem Vorbild figurierten Portals. Ost- und Westchor des Worm-
ser Doms werden nun mit dekorativer Skulptur übersponnen(Abb.47):
Tiere und Menschen, symbolisch, fabelhaft, dämonisch oder dekorativ,
sind miteinander verschlungen oder gegeneinander gestellt. Ober-
italiens, von Frankreich befruchtete Kunst steht hinter diesem Reich-
tum an Genreplastik. Aber in dem heiteren und gemütlichen Natura-
lismus einiger Szenen bricht die deutsche Eigenart durch (wie einst im
Tutilo-Elfenbein). Das schon im vorigen Kapitel erwähnte Freuden-