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Dehio, Georg
Geschichte des Erzbistums Hamburg-Bremen: bis zum Ausgang der Mission (Band 1) — Berlin, 1877

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https://doi.org/10.11588/diglit.43359#0216
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Sechstes Capitel.

sowol der großen Slawenstadt Jnmne an der Odermündung als der ku-
rischen Küste gerade gegenüber gelegen haben soll, vielleicht das heutige
Borgholm aus Oeland*. Hierher setzte Adalbert den Hiltin, Abt seines
Familien-Klosters Gosels als Missionär Johannes genannt, einen gebo-
renen Baiern. Nach zweijährigen Anstrengungen (1062 — 1064), von denen
leider nicht bemerkt wird, wie weit sie ihn sührten, davon überzeugt, daß
seine Arbeit doch unsruchtbar bleiben werde, schnürte er sein Bündel zur
Heimkehr und legte den Hirtenstab in Adalbert's Hände zurück?. Nach
ihm hat denselben niemand mehr ergriffen. Seit der gesährlichen Er-
schütterung der kirchlichen Zustände Schwedens im Jahre 1066 verschwand
auch jede Möglichkeit dazu. Desgleichen jene !Kirche in Kurland, aus die
der Dänenkönig so große Hoffnungen setzte, hat ohne Frage nur kurze
Dauer gehabt.
Für diese Völker war die Stunde noch nicht gekommen.
Es ist eine nicht seltene Erscheinung, daß der Gang der Geschichte
an der Schwelle einer bedeutenden neuen Epoche stehend, plötzlich um-
kehrt und daß erst eine spätere Zeit aus anderem Wege wieder zn ihr
gelangt und die verschlossenen Tore sprengt. Wie der Gedanke Adal-
beros, die östlichen Küsten des baltischen Meeres dem christlich-europäischen
Kulturleben einzuverleiben, völlig in Vergessenheit geriet, und erst im Jahre
1186 wieder durch die Einsetzung eines Missionsbischoss sür Livland neu-
ausgegrifsen wurde: so ist schon damals aus der entgegengesetzten Seite der
nördlichen Halbkugel eine Entdeckung umsonst gemacht worden, welche durch
ihre, freilich ein halbes Jahrtausend jüngere, Wiederausfindung einen der
tiefsten Einschnitte machte, die die Geschichte der Menschheit auszuweisen
hat — ich meine die Entdeckung Amerikas. Wie bekannt, ist von demselben
Nordmann Leif Eiriksson, der im Jahre 1000 die Ansiedler aus Grönland
zum Christentum brachte, in demselben Sommer das ,,gute WeinlandO
ausgesegelt worden, d. i. der heutige nordamerikanische Staat Massa-
chusets. Im Jahre 1003 ließ sich eine größere Kolonie hier nieder, welche
indeß, nachdem sie drei Winter geblieben, vor der feindlichen Uebermacht der Ein-
geborenen sich zurückzog. Die Nordleute haben bis ins 14. Jahrhundert hinein
von Zeit zu Zeit Winland immer wieder ausgesucht. Für die übrige Welt
war die Kenntniß des neuen Erdteils wie nicht vorhanden. Nur einen
Punkt gab es in dem Bereiche der europäischen Lande, wo man diesen
normannischen Fahrten Beachtung schenkte: Bremen^. Meister Adam von
Bremen war der erste und Jahrhunderte lang der einzige Schriftsteller,
der von der Existenz Amerikas Kunde gab; aber niemand verstand die
Kunde zu deuten. Es ist, wo nicht strict beweisbar, so doch wahrscheinlich,
 
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