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https://doi.org/10.11588/diglit.11453#0015
Lrbenrnscdricvten über llictor Ijebn (iror)
Ls ist, wenn wir auf L>ie Geschichte ües üeutschen Geistes in den letzten
hundert Iahren zurückblicken, kein Zufall, sondern in einem merkwürdigen
Gesetze der polarität begründet, daß diejenigm Schriftsteller und Rünstler,
die den sympathetischen Zug nach südlichem, romanischem, antikem wesen
am tiefsten empfunden und darin die Lrgänzung ihrer eigenen, unvoll-
ständigen Naturanlage gesucht haben, wo nicht alle, so doch zu einem großen
Teile, Söhne des Nordens waren, so: Carstens, Gchinkel, Thorwaldsen (den
wir doch ohne Bedenken geistig Deutschland zurechnen dürfen), Minckel-
mann, Niebuhr, w. v. Humboldt. In ihre Reihe, und zwar als deren letztcr,
gehört Victor Hchn. Nicht bloß durch Stimmung und Gcsinnung ist cr
jenen verwandt, sondern auch durch üie Lage seiner Heimat an ser äußcrsten
nördlichen, potenziert: nordöstlichen, Grenze deutscher wohnsitze. Lr ist
in Dorpat geboren, am rö. Sept./s. Okt.
Ls entstehen keine klaren, starken Individualitäten, als durch Steigerung
und zugleich Reinigung der Art und Gaben ihres Stammes. Nur wer Liv-
land und die Livländer kennt, wird Victor Hchn (dessen Gchriften in jedev
Zeile von einem starken Duft persönlichen wesens durchdrungen sind) ganz
verstehen. Ls genüge, auf eines hier hinzuweisen, dessen Wirkung in die
Augen springt. Den Deutschen in den Ostseeprovinzen ist es in ^oojährigem
Besitz des Landes doch nicht beschieden worden, über die Stufe des Lolo-
nistentums hinauszukommen; sie wohnen zusammen mit Letten (Litauern)
und Lsten (8innen); sie haben im Lampfe gegen die übergreifenden schwedi-
schen, polnischen, russischen Nachbarn ihre Volksart zu behaupten gchabt.
Daß nun dem auf einem so altcn Äampfplatze nationeller Differenzen Auf-
gewachsenen der Blick für fremde Volksphysiognomie sich schärfen und in
Gympathie wie Antipathie eine feine Reizbarkeit zur Natur gehören mußte,
begreift sich leicht. Lbenso, daß das baltische Deutschtum zu einer durchaus
aristokratischen Gesellschastsorganisation gelangen mußte. Dieselbe umfaßt
drei Gruppen: außer dem grundbesitzenden Adel die städtischen patrizier
und die „Litteraten". Dcr letzteren, die in ihrer eigentümlichen Stellung ohne
Analogie zu deutschen Verhältnissen ist, gehörte Victor Hehn schon kraft
mehrerer Generationen von Vorfahren an. Sein Großvater Iohann
Martin, ein in den -yöoer Iahren aus Äönigsberg in Franken eingewan-
derter Gottesgelehrter, war Rektor der Dorpater Stadtschule, dann pastor
im Lirchspiel Odenpäh südlich von Dorpat, nahe der estnisch-lettischen
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Ls ist, wenn wir auf L>ie Geschichte ües üeutschen Geistes in den letzten
hundert Iahren zurückblicken, kein Zufall, sondern in einem merkwürdigen
Gesetze der polarität begründet, daß diejenigm Schriftsteller und Rünstler,
die den sympathetischen Zug nach südlichem, romanischem, antikem wesen
am tiefsten empfunden und darin die Lrgänzung ihrer eigenen, unvoll-
ständigen Naturanlage gesucht haben, wo nicht alle, so doch zu einem großen
Teile, Söhne des Nordens waren, so: Carstens, Gchinkel, Thorwaldsen (den
wir doch ohne Bedenken geistig Deutschland zurechnen dürfen), Minckel-
mann, Niebuhr, w. v. Humboldt. In ihre Reihe, und zwar als deren letztcr,
gehört Victor Hchn. Nicht bloß durch Stimmung und Gcsinnung ist cr
jenen verwandt, sondern auch durch üie Lage seiner Heimat an ser äußcrsten
nördlichen, potenziert: nordöstlichen, Grenze deutscher wohnsitze. Lr ist
in Dorpat geboren, am rö. Sept./s. Okt.
Ls entstehen keine klaren, starken Individualitäten, als durch Steigerung
und zugleich Reinigung der Art und Gaben ihres Stammes. Nur wer Liv-
land und die Livländer kennt, wird Victor Hchn (dessen Gchriften in jedev
Zeile von einem starken Duft persönlichen wesens durchdrungen sind) ganz
verstehen. Ls genüge, auf eines hier hinzuweisen, dessen Wirkung in die
Augen springt. Den Deutschen in den Ostseeprovinzen ist es in ^oojährigem
Besitz des Landes doch nicht beschieden worden, über die Stufe des Lolo-
nistentums hinauszukommen; sie wohnen zusammen mit Letten (Litauern)
und Lsten (8innen); sie haben im Lampfe gegen die übergreifenden schwedi-
schen, polnischen, russischen Nachbarn ihre Volksart zu behaupten gchabt.
Daß nun dem auf einem so altcn Äampfplatze nationeller Differenzen Auf-
gewachsenen der Blick für fremde Volksphysiognomie sich schärfen und in
Gympathie wie Antipathie eine feine Reizbarkeit zur Natur gehören mußte,
begreift sich leicht. Lbenso, daß das baltische Deutschtum zu einer durchaus
aristokratischen Gesellschastsorganisation gelangen mußte. Dieselbe umfaßt
drei Gruppen: außer dem grundbesitzenden Adel die städtischen patrizier
und die „Litteraten". Dcr letzteren, die in ihrer eigentümlichen Stellung ohne
Analogie zu deutschen Verhältnissen ist, gehörte Victor Hehn schon kraft
mehrerer Generationen von Vorfahren an. Sein Großvater Iohann
Martin, ein in den -yöoer Iahren aus Äönigsberg in Franken eingewan-
derter Gottesgelehrter, war Rektor der Dorpater Stadtschule, dann pastor
im Lirchspiel Odenpäh südlich von Dorpat, nahe der estnisch-lettischen
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