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Kissling, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]; Deibele, Albert [Bearb.]
St. Leonhard in Schwäbisch Gmünd und die ihm angeschlossenen Pflegen: Geschichte u. Verzeichnis d. Urkunden, Akten u. Bände mit e. Anh. über d. Dreifaltigkeitskapelle u. den St. Salvator ; 1323 bis zur Gegenwart — Schwäbisch Gmünd, 1971

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https://doi.org/10.11588/diglit.37739#0090
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Kapelle nach der Erstellung der äußeren Stadtmauer eingerichtet worden zu sein.
Vielleicht war der Torturm als Brückenturm über die Rems, die damals noch un-
mittelbar an ihm vorbeifloß, erbaut worden. St. Nikolaus war nämlich auch ein
beliebter Brückenheiliger, wie die Kapellen von Calw und Eßlingen beweisen.
Eine Urkunde von 1324 (Reg. 360) spricht von „des Roten Haus vor Capeilum
Tor an der Brücke“. Außerdem war St. Nikolaus ein Patron der Reisenden. Daß
die hiesige Nikolauskapelle sehr alt ist, beweisen die Urkunden von 1323, 1324,
1337, 1345 (Reg. 359, 360, 361, 362); denn sie sprechen von einem Kapellenturm,
setzen also das Bestehen der Nikolauskapelle voraus.
Schon frühe erwarb sich die Kapelle einige Güter und Kapitalien. So kauften
ihre Pfleger 1387 (Reg. 364) von Peter Aigner und seiner Hausfrau Agnes
1 Pfund Heller aus der Hüfelwiese. Im Staatsarchiv Ludwigsburg (B 138
Nr. 1948) hat sich ein Pergamentheft erhalten, das den Besitz und die Einkünfte
von St. Nikolaus 1400 genau verzeichnet. Es sind dort als Ausstattung der Kapelle
aufgeführt: 1 Meßbuch, 1 Kelch, 2 Korporale, 2 Meßgewänder, 3 Altartücher,
3 Ämpelchen, 1 kleines Glöcklein. Die Einkünfte der Kapelle betrugen im
ganzen jährlich 6 Pfund 15 Schilling 6 Heller, 2 Hühner; ferner gehörte zu St.
Nikolaus noch eine Hofstatt. (Siehe Beilage 11!). Diese recht bescheidenen Einnah-
men, die sich auch später nicht wesentlich steigerten, lassen erkennen, daß nie
daran gedacht war, eine eigene Kaplaneipfründe zu schaffen. Dazu war schon die
Kapelle viel zu klein; doch reichten die Bezüge aus, den Unterhalt des kleinen
Heiligtums zu bestreiten und hin und wieder dort einen Gottesdienst abzuhalten.
Wegen der geringen Einkünfte bezahlt die Nikolauskapelle auch keine Steuer,
wenigstens tritt sie weder in der Steuerliste im Handbuch der Dekane von 1518
noch 1523, noch auch später unter den Veranlagten auf.
Die Kapelle hatte ursprünglich ihre eigenen Pfleger. 1387 (Reg. 363) ver-
kauften Peter Aigner und seine Hausfrau 1 Pfund Heller Zins „an St. Nikolaus
auf dem Cappeltor“ und seine Pfleger, und 1422 (Reg. 367) sind die Pfleger
Walter Fischer und Hans Nidung genannt. Wie die übrigen kleinen Pflegen wurde
auch St. Nikolaus auf dem Turm schon frühe mit der Leonhardspflege ver-
einigt und verlor damit ihre Selbständigkeit.
Vom kirchlichen Leben in der Kapelle melden die spärlichen Urkunden wenig.
Auffallenderweise wurde das Patrozinium am 6. Januar, also am Dreikönigs-
feste, gefeiert. St. Nikolaus, der alte Patron, wurde also durch die drei Weisen
verdrängt. Anlaß dazu mag die Altarweihe von 1522 (Reg. 369) gegeben ha-
ben. Damals wurde der Altar St. Nikolaus, St. Emmeran und den heiligen drei
Königen geweiht. Zu dieser Zeit hatte die Verehrung des hl. Nikolaus ihren
Höhepunkt schon überschritten, während diejenige der drei Könige immer belieb-
ter wurde. Das beweist schon die starke Zunahme der Vornamen Kaspar, Mel-
chior und Balthasar in hiesiger Stadt. Außerdem war die Verehrung der drei
Weisen von jeher in Gmünd recht volkstümlich. Es sei nur an das prächtige
Nordwestportal am Schiff des Münsters und an die Figuren an der nördlichen
Außenwand des Chores erinnert. Dazu kam noch eine Legende von einem
Wunder, das im Zusammenhang mit den hl. drei Königen vor dem Kappelturm
sich ereignet haben sollte (siehe im Folgenden!). All dies zusammen mag die
Änderung des Patroziniums herbeigeführt haben.
Am Dreikönigstage bewegte sich alljährlich eine feierliche Prozession zur

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