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Dell, Josef
Das Erechtheion in Athen: bauanalytisch, unters., erkl. u. ergänzt — Brünn [u.a.], 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.6030#0020
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Ein älteres Bild des Zustandes vor dem Jahre 1889, als diese Studien
begonnen wurden, mögen die photographischen Aufnahmen I und II geben.
Am besten kommt das Äußere des Baues weg, aber das Innere ist vollkommen
leer; man kann sagen, daß dem Gebäude das Haupt abgeschlagen und die
Eingeweide herausgerissen wurden, eine Folge der Wiederbenützung und der
dazu nötigen Umbauten (Abb. III).

Der Bau besitzt zwei Hauptachsen, eine denselben der ganzen Länge
nach symmetrisch in der Mitte durchziehende, von Ost nach West gerichtete,
und senkrecht darauf eine, am westlichen Ende des Baues liegende, von Nord
nach Süd gerichtete kurze Achse, die übereinstimmt mit den Achsen der Nord-
halle, der Nordtür und der Fenstertür in der Südmauer, die auf die Karyatiden-
halle führt. Sie stimmt aber nicht mit der Achse der letzteren Halle überein,
sondern ist um das Maß A gegen dieselbe verschoben, was jedoch nur im Plane
zum Ausdrucke kommt, vom Beschauer der Ruine aber nicht empfunden wird.

Die Umfassungsmauern, welche mit ihren Fundamenten ganz in die Ecke
der Felsstufe eingesetzt wurden, sind ungleich in Ausdehnung und Erhaltung.
Sie stehen aber alle am Äußeren auf einem dreistufigen Unterbau, haben ein
Fußgesimse und gehen dann im isodomen Läuferverband, mit einer Wand-
bekrönung endigend, vollkommen lotrecht aufwärts bis zu dem den ganzen
Bau bekrönenden Hauptgesimse, welches auch die östliche Vorhalle mit ein-
bezieht. Darüber war ein Satteldach mit Giebelfronten.

Die Mauern wurden in griechischer Technik aus gleichgroßen, vortreff-
lich behauenen Quadern ohne Mörtelverband, mit vergossenen Eisendübeln
verbunden, versetzt. An den Gebäudeecken sind natürlich die entsprechenden
Fugenverbände mit dazu passenden Quadern ausgeführt. Die Südmauer I
(Abb. 5) ist am besten erhalten, von der Ostmauer IV fehlt bis auf die Ecken
alles. Die Nordmauer II (Abb. 6) ist in ihrer östlichen Hälfte im oberen Teile
mehr zerstört wie in der westlichen, wo sie am Nordportikus einen Rückhalt
fand bei der Pulverexplosion im Parthenon. Die Westmauer III (Abb. 7) ist
der Höhe nach zweigeteilt, im unteren Teile eine volle Mauer mit einer Öffnung;
die Quaderhöhen stimmen mit jenen der Nordmauer überein. Der obere Teil
der Westmauer hat eine gesäulte Front mit drei Fenstern in den mittleren
Interkolumnien.

In architektonischer Hinsicht sind jene vollkommen ebenen Außenwände
der Südmauer zwischen der Süd- und Osthalle wie der Nordmauer zwischen
der Ost- und Nordhalle in ihrer ganzen Ausdehnung vollkommen ungeteilt
und glatt, so daß sie in ihrer ruhigen Richtungslosigkeit ganz bedeutend ab-
stechen von den vertikal aufstrebenden gesäulten Fronten im Osten wie im
Westen mit den danebenliegenden südlichen und nördlichen Vorhallen. Es
entsteht dadurch eine schöne architektonische Gegenwirkung.

Sehr beachtenswert ist das Verzeichnis der Werkstücke, welches aus der
Zeit der Wiederaufnahme des eingestellt gewesenen Baues stammt; es wurde
in der Nähe der Propyläen aufgefunden. Darin sind alle Maße in Fußen ange-
geben, woraus man ersehen kann, daß nach diesem Maße entworfen und gebaut

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