Die Konstanzer Bildschnitzer der Spätgotik und ihr Verhältnis zu Niklaus Gerhaert 89
gens bei allen Figuren), die Verteilung der Haarstränen (die eine hinten, die andere
vorne am Mantelrand), die Art der Falten, der lockere Griff der rechten Hand —
das alles ist wie am Unterschächener Altar.
Vom Katharinenthaler Gestühl mag man den Propheten mit der Konsolbüste
Inv. Abb. 23 vergleichen: wieder das breitgebaute, fleischige Gesicht mit kräftigen
Backenknochen, muskulöser Mundpartie, kleinem Kinn bei breitem Unterkiefer und
abstehenden Haarsträhnen. (Die uhuartigen Augenbrauen sind vielleicht so zu er-
klären, daß der Anstreicher des 20. Jahrhunderts schräg ansteigende Stirnfalten mit
den Augenbrauen verwechselte; solche Stirnfalten haben mehrere der Frauenfelder
Halbfiguren.) Oder man vergleiche die beiden Schmerzensmänner: Deutlich verrät
sich der Meister durch die auffällige Bildung der Hals- und Brustpartie: Schlüssel-
bein und Halsmuskeln bilden zwei spitze Winkel, und die Brustwirbel bzw. ihre
Zwischenräume haben die Form rundlicher Vertiefungen. Der Umriß der Hände ist
sich ganz gleich geblieben. Auch das für Katharinenthal charakteristische Faltenwerk
kehrt wieder, am deutlichsten an der Baumeisterfigur.
Es ergibt sich also, daß der Meister gelegentlich auch Steinarbeiten ausführte. Für
einen Schüler Iselins ist das nicht weiter erstaunlich, denn auch Iselin arbeitete ja
bei Bedarf in Stein, wie wir aus den Schriftquellen wissen (Heft 81, S. 44).
Die Skulpturen der Löwkapelle haben noch vieles von der gespannteren Haltung
der Katharinenthaler Figuren („gespannt“ im Vergleich zum späteren Werk des
Meisters!). In anderen Merkmalen, etwa den gelängten Nasen, nähern sie sich dem
Altar von Unterschächen. Sie liegen also zeitlich zwischen den beiden Werken: und
da sie 1515 datiert sind, bestätigen sie den frühen Ansatz des Katharinenthaler
Gestühls.
IDENTIFIZIERUNG DES MEISTERS
Mit Hilfe der bis jetzt ermittelten Werke ist es möglich, den Meister des Katha-
rinenthaler Gestühls namentlich zu bestimmen.
Daß er in einer Schaffhauser Kirche Steinmetzenarbeit verrichtete, läßt vermuten,
daß er in Schaffhausen ansässig war. Denn hätte sich die Stadt für einen solchen
Auftrag nach auswärts gewandt, so hätte sie sicher ausgesprochene Fachkräfte (Stein-
metzen) berufen und keinen Bildschnitzer. Sie wollte sich aber offenbar gerade auf
die eigenen Möglichkeiten beschränken.
Ein Bildhauer, der in Konstanz bei Iselin gelernt hat und später in Schaffhausen
wirkte, ist uns nun aus den Quellen wohlbekannt: Es ist Augustin Henckel. Daß
Henckel wirklich mit unserem Meister identisch ist, bestätigt die Inschrift am Unter-
schächener Altar mit den ineinander gesetzten Initialen A. H.
Seltsamerweise hat die frühere Literatur (Hugelshofer, Baier-Futterer) das Mono-
gramm stets — als wäre das selbstverständlich — als H. A. aufgelöst. Unter dieser
Bezeichnung zog dann der Meister in den Thieme-Becker ein (Bd. 37, S. 400). Das
H und das A sind aber ineinander verschlungen, so daß die Reihenfolge der Buch-
staben aus dem Monogramm allein noch nicht hervorgeht. Erst Max Bendel (B. S. 74)
hat die richtige Lesart — A. H. = Augustin Henckel — gefunden und den Altar
für Henckel in Anspruch genommen. (Allerdings setzte er bei seiner Beweisführung
stillschweigend voraus, daß die Skulpturen der Löwkapelle von Henkel seien, was
ja erst zu begründen war.)
gens bei allen Figuren), die Verteilung der Haarstränen (die eine hinten, die andere
vorne am Mantelrand), die Art der Falten, der lockere Griff der rechten Hand —
das alles ist wie am Unterschächener Altar.
Vom Katharinenthaler Gestühl mag man den Propheten mit der Konsolbüste
Inv. Abb. 23 vergleichen: wieder das breitgebaute, fleischige Gesicht mit kräftigen
Backenknochen, muskulöser Mundpartie, kleinem Kinn bei breitem Unterkiefer und
abstehenden Haarsträhnen. (Die uhuartigen Augenbrauen sind vielleicht so zu er-
klären, daß der Anstreicher des 20. Jahrhunderts schräg ansteigende Stirnfalten mit
den Augenbrauen verwechselte; solche Stirnfalten haben mehrere der Frauenfelder
Halbfiguren.) Oder man vergleiche die beiden Schmerzensmänner: Deutlich verrät
sich der Meister durch die auffällige Bildung der Hals- und Brustpartie: Schlüssel-
bein und Halsmuskeln bilden zwei spitze Winkel, und die Brustwirbel bzw. ihre
Zwischenräume haben die Form rundlicher Vertiefungen. Der Umriß der Hände ist
sich ganz gleich geblieben. Auch das für Katharinenthal charakteristische Faltenwerk
kehrt wieder, am deutlichsten an der Baumeisterfigur.
Es ergibt sich also, daß der Meister gelegentlich auch Steinarbeiten ausführte. Für
einen Schüler Iselins ist das nicht weiter erstaunlich, denn auch Iselin arbeitete ja
bei Bedarf in Stein, wie wir aus den Schriftquellen wissen (Heft 81, S. 44).
Die Skulpturen der Löwkapelle haben noch vieles von der gespannteren Haltung
der Katharinenthaler Figuren („gespannt“ im Vergleich zum späteren Werk des
Meisters!). In anderen Merkmalen, etwa den gelängten Nasen, nähern sie sich dem
Altar von Unterschächen. Sie liegen also zeitlich zwischen den beiden Werken: und
da sie 1515 datiert sind, bestätigen sie den frühen Ansatz des Katharinenthaler
Gestühls.
IDENTIFIZIERUNG DES MEISTERS
Mit Hilfe der bis jetzt ermittelten Werke ist es möglich, den Meister des Katha-
rinenthaler Gestühls namentlich zu bestimmen.
Daß er in einer Schaffhauser Kirche Steinmetzenarbeit verrichtete, läßt vermuten,
daß er in Schaffhausen ansässig war. Denn hätte sich die Stadt für einen solchen
Auftrag nach auswärts gewandt, so hätte sie sicher ausgesprochene Fachkräfte (Stein-
metzen) berufen und keinen Bildschnitzer. Sie wollte sich aber offenbar gerade auf
die eigenen Möglichkeiten beschränken.
Ein Bildhauer, der in Konstanz bei Iselin gelernt hat und später in Schaffhausen
wirkte, ist uns nun aus den Quellen wohlbekannt: Es ist Augustin Henckel. Daß
Henckel wirklich mit unserem Meister identisch ist, bestätigt die Inschrift am Unter-
schächener Altar mit den ineinander gesetzten Initialen A. H.
Seltsamerweise hat die frühere Literatur (Hugelshofer, Baier-Futterer) das Mono-
gramm stets — als wäre das selbstverständlich — als H. A. aufgelöst. Unter dieser
Bezeichnung zog dann der Meister in den Thieme-Becker ein (Bd. 37, S. 400). Das
H und das A sind aber ineinander verschlungen, so daß die Reihenfolge der Buch-
staben aus dem Monogramm allein noch nicht hervorgeht. Erst Max Bendel (B. S. 74)
hat die richtige Lesart — A. H. = Augustin Henckel — gefunden und den Altar
für Henckel in Anspruch genommen. (Allerdings setzte er bei seiner Beweisführung
stillschweigend voraus, daß die Skulpturen der Löwkapelle von Henkel seien, was
ja erst zu begründen war.)