V O R W O R T D E S HERAU SGERERS
Die Veröffentlichung iiber das großartige Heiligtum des
Apollon von Didyma schließt eine dreiunddreißigjährige
Forschungstätigkeit der Berliner Museen an dieser Stelle
ab. Der Name des am 19. Dezember 1936 verstorbenen
Theodor Wiegand steht auf dem Titelblatt dieses Werkes,
dessen Erscheinen er nicht mehr erlebte. Daß der Riesen-
tempel freigelegt und in allen Einzelheiten untersucht
werden konnte, ist sein Yerdienst. Hätte nicht er die
Lösung dieser scheinbar iibergroßen Aufgabe in Angriff
genommen, dann wäre das Schicksal der Erforschung des
Didymaions gewesen, ein Torso zu hleiben. Docli legte er
bald nachBeginn der Ausgrahung, durdi die gleichzeitigen
Grabungen in Milet und andere Pflichten in Anspruch
genommen, die Ausführung des Werkes in die Hand von
Hubert Knackfuß. Ein gutes Stück des Lebenswerkes
heider durch gemeinsame, jahrzehntelange Arbeit eng
verbundener Männer ist in diesen Blättern enthalten.
Seit Cyriacus von Ancona, der im Jahre 1446 den Tempel
noch vor seinem endgültigen Einsturz als „ingentia mar-
morei aedificii fastigia“ bewundert hatte, lockten die
aufrecht gebliebenen Säulen und der Trümmerberg die
archäologische Forschung immer wieder an. Hierüher
wird im dritten Teil dieses Werkes ausführlicher zu be-
riditen sein. Zuletzt waren es französische Gelehrte
gewesen, 1872/73 0. Rayet und A. Tliomas, 1895/96
B. HaussouIIier und E. Pontremoli, die das von eng-
lischen Forschern Begonnene wieder aufnahmen. Das Er-
gebnis dieser Forschungen liegt in den von ihnen ver-
faßten Werken vor „Milet et le Golfe Latmique, Paris
1877—1885“ und „Didymes, Paris 1904“. Durch die fran-
zösischen Untersuchungen waren schon in der Hauptsache
Grundriß und Aufhau des großen Tempels geklärt und
Proben wichtiger Bauglieder gefunden worden, deren
schönste in den Louvre kamen. Man hatte in der Cella,
dein Adyton des Tempels, einen Längsgraben gezogen
und die Ostfront freigelegt. Yiele widitige Insehriften
wurden zuTage gefördert und in ineisterlicher Weise von
B. Haussoullier hehandelt (Etudes sur l’histoire de Milet
et du Didymeion, Paris 1902). Auch nachdem die Erfor-
schung Didymas in deutsche Hände ühergegangen war,
hewahrte B. Haussoullier den Arbeiten an diesem Orte
sein Interesse und machte sein veröffentlichtes und un-
veröffentlichtes Material den deutschen Fachgenossen in
uneigennütziger Weise zugänglich.
Den deutschen Forschern erst gelang die völlige Frei-
legung des Tempels, die Entdeckung der heiden zum
Adyton führenden Tunnel, die Verhesserung der Kennt-
nis der dreitürigen Ostwand desAdytons, die Ausgrahung
der großen Freitreppe, die ins Adyton führt, und endlich
die Auffindung des Naiskos. Mit dem Tempel wurden im
Süden und Osten wichtige Teile des umgebenden heiligen
Bezirkes freigelegt. Ein teilweiser Wiederaufbau der
Ruine stellte vor allem die Umfassungsmauern des
Adytons von innen gesehen bis zu etwa einem Drittel
ihrer ursprünglichen Höhe wieder her. Gründliche Maß-
nahmen sorgten für ihre Erhaltung, und die Masse der
ührighleibenden Architekturstücke wurde auf dein um-
liegenden Gelände übersichtlich geordnet, so daß ein
Studiuin desTempels bis in letzteEinzelheiten erinöglicht
ist. Die ununterbrochene Beobachtung des Befundes
während der Grabung gah einen gründliclien Einblick in
die Geschichte des Heiligtums von älter griechischer his
in nachantike Zeit. Wir besitzen im Didymaion ein bau-
und ornamentgeschichtliches Dokument ersten Ranges,
denn es wurde an ihm von frühhellenistischer Zeit wäh-
rend des ganzen Altertums gearbeitet, ohne daß freilich
die Vollendung erreicht worden wäre. Außerdem steht
für dieses Baudenkmal reichlich schriftlidie Überliefe-
rung durch literarische Nachrichten und Inschriften zur
Yerfügung. Aber mehr noch. Die völlige Freilegung gab
dem Tempel, soweit es der Erhaltungszustand der Ruine
erlaubt, seine Wirkung zurück. Die gewaltigen Ausmaße
des Riesenbaues, der inajestätisehe Eindruck des Säulen-
reichtums der Front, im Adyton die Geschlossenheit
eines inächtigen Raumes, in den sich die hreite Freitreppe
senkt, werden jcdem Reisenden unvergeßlich hleiben, der
aus Milet, durch eine Landschaft von großartiger Schön-
heit, kommend, das Heiligtum betritt. Er wird mit Be-
wunderung die wohlerhaltenen Teile des Baues durch-
schreiten, die geneigten und gewölbten Gänge zum Ady-
ton und das Treppenhaus mit mäandergeschmückter
Decke wie das Adyton selbst als sehr verschiedenartige
griechische Räume empfinden, wird sich in die Schönheit
der oft noch wie unherührt erscheinendcn Bauornamente
versenken, die allen Abschnitten der Bauzeit entstammen.
Schließlieh wird es niclit viele andere griechische Bauten
geben, an denen die Vollkommenheit und Feinheit
antiker Bautechnik in ihrer Eigentümlichkeit so griind-
lich studiert und bewundert werden könnte, wie an dem
Marmortempel des Apollon von Didyma. -
Am 11. Mai 1905 wurde das deutsche Forschungswerk in
Didyma durcli den damaligen deutschen Botschafter hei
der Hohen Pforte, Freiherr Marschall von Bieberstein,
eröffnet. Nacli Ahschluß der Kaufverhandlungen begann
die eigentliche Arbeit mit einer Kampagne vom 29. April
his 31. Mai 1906. Bei dieser ersten vorhereitenden
Grabung und die ersten Monate der zweiten vom 14. Sep-
temher 1906 bis 22. Juni 1907 währenden Kainpagne war
Th. Wiegand selbst als Leiter anwesend, unterstützt von
dem Architekten G. Kawerau. Es folgten vor dem Welt-
kriege acht weitere Kampagnen, die sich nicht selten iiher
ein halbes his dreiviertel Jahr ausdehnten (10. Septemher
his 28. Dezemher 1907; 23. Januar his 25. Mai 1908; 21. De-
zember 1908 his 7. Juni 1909; 17. Oktober 1909 his
18. Juni 1910; 19. Septemher 1910 his 24. Juni 1911;
12. Septemher his 2. Dezemher 1911; 9. September 1912
his 31. Mai 1913; 22. Septeinher his 16. Dezember 1913).
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Die Veröffentlichung iiber das großartige Heiligtum des
Apollon von Didyma schließt eine dreiunddreißigjährige
Forschungstätigkeit der Berliner Museen an dieser Stelle
ab. Der Name des am 19. Dezember 1936 verstorbenen
Theodor Wiegand steht auf dem Titelblatt dieses Werkes,
dessen Erscheinen er nicht mehr erlebte. Daß der Riesen-
tempel freigelegt und in allen Einzelheiten untersucht
werden konnte, ist sein Yerdienst. Hätte nicht er die
Lösung dieser scheinbar iibergroßen Aufgabe in Angriff
genommen, dann wäre das Schicksal der Erforschung des
Didymaions gewesen, ein Torso zu hleiben. Docli legte er
bald nachBeginn der Ausgrahung, durdi die gleichzeitigen
Grabungen in Milet und andere Pflichten in Anspruch
genommen, die Ausführung des Werkes in die Hand von
Hubert Knackfuß. Ein gutes Stück des Lebenswerkes
heider durch gemeinsame, jahrzehntelange Arbeit eng
verbundener Männer ist in diesen Blättern enthalten.
Seit Cyriacus von Ancona, der im Jahre 1446 den Tempel
noch vor seinem endgültigen Einsturz als „ingentia mar-
morei aedificii fastigia“ bewundert hatte, lockten die
aufrecht gebliebenen Säulen und der Trümmerberg die
archäologische Forschung immer wieder an. Hierüher
wird im dritten Teil dieses Werkes ausführlicher zu be-
riditen sein. Zuletzt waren es französische Gelehrte
gewesen, 1872/73 0. Rayet und A. Tliomas, 1895/96
B. HaussouIIier und E. Pontremoli, die das von eng-
lischen Forschern Begonnene wieder aufnahmen. Das Er-
gebnis dieser Forschungen liegt in den von ihnen ver-
faßten Werken vor „Milet et le Golfe Latmique, Paris
1877—1885“ und „Didymes, Paris 1904“. Durch die fran-
zösischen Untersuchungen waren schon in der Hauptsache
Grundriß und Aufhau des großen Tempels geklärt und
Proben wichtiger Bauglieder gefunden worden, deren
schönste in den Louvre kamen. Man hatte in der Cella,
dein Adyton des Tempels, einen Längsgraben gezogen
und die Ostfront freigelegt. Yiele widitige Insehriften
wurden zuTage gefördert und in ineisterlicher Weise von
B. Haussoullier hehandelt (Etudes sur l’histoire de Milet
et du Didymeion, Paris 1902). Auch nachdem die Erfor-
schung Didymas in deutsche Hände ühergegangen war,
hewahrte B. Haussoullier den Arbeiten an diesem Orte
sein Interesse und machte sein veröffentlichtes und un-
veröffentlichtes Material den deutschen Fachgenossen in
uneigennütziger Weise zugänglich.
Den deutschen Forschern erst gelang die völlige Frei-
legung des Tempels, die Entdeckung der heiden zum
Adyton führenden Tunnel, die Verhesserung der Kennt-
nis der dreitürigen Ostwand desAdytons, die Ausgrahung
der großen Freitreppe, die ins Adyton führt, und endlich
die Auffindung des Naiskos. Mit dem Tempel wurden im
Süden und Osten wichtige Teile des umgebenden heiligen
Bezirkes freigelegt. Ein teilweiser Wiederaufbau der
Ruine stellte vor allem die Umfassungsmauern des
Adytons von innen gesehen bis zu etwa einem Drittel
ihrer ursprünglichen Höhe wieder her. Gründliche Maß-
nahmen sorgten für ihre Erhaltung, und die Masse der
ührighleibenden Architekturstücke wurde auf dein um-
liegenden Gelände übersichtlich geordnet, so daß ein
Studiuin desTempels bis in letzteEinzelheiten erinöglicht
ist. Die ununterbrochene Beobachtung des Befundes
während der Grabung gah einen gründliclien Einblick in
die Geschichte des Heiligtums von älter griechischer his
in nachantike Zeit. Wir besitzen im Didymaion ein bau-
und ornamentgeschichtliches Dokument ersten Ranges,
denn es wurde an ihm von frühhellenistischer Zeit wäh-
rend des ganzen Altertums gearbeitet, ohne daß freilich
die Vollendung erreicht worden wäre. Außerdem steht
für dieses Baudenkmal reichlich schriftlidie Überliefe-
rung durch literarische Nachrichten und Inschriften zur
Yerfügung. Aber mehr noch. Die völlige Freilegung gab
dem Tempel, soweit es der Erhaltungszustand der Ruine
erlaubt, seine Wirkung zurück. Die gewaltigen Ausmaße
des Riesenbaues, der inajestätisehe Eindruck des Säulen-
reichtums der Front, im Adyton die Geschlossenheit
eines inächtigen Raumes, in den sich die hreite Freitreppe
senkt, werden jcdem Reisenden unvergeßlich hleiben, der
aus Milet, durch eine Landschaft von großartiger Schön-
heit, kommend, das Heiligtum betritt. Er wird mit Be-
wunderung die wohlerhaltenen Teile des Baues durch-
schreiten, die geneigten und gewölbten Gänge zum Ady-
ton und das Treppenhaus mit mäandergeschmückter
Decke wie das Adyton selbst als sehr verschiedenartige
griechische Räume empfinden, wird sich in die Schönheit
der oft noch wie unherührt erscheinendcn Bauornamente
versenken, die allen Abschnitten der Bauzeit entstammen.
Schließlieh wird es niclit viele andere griechische Bauten
geben, an denen die Vollkommenheit und Feinheit
antiker Bautechnik in ihrer Eigentümlichkeit so griind-
lich studiert und bewundert werden könnte, wie an dem
Marmortempel des Apollon von Didyma. -
Am 11. Mai 1905 wurde das deutsche Forschungswerk in
Didyma durcli den damaligen deutschen Botschafter hei
der Hohen Pforte, Freiherr Marschall von Bieberstein,
eröffnet. Nacli Ahschluß der Kaufverhandlungen begann
die eigentliche Arbeit mit einer Kampagne vom 29. April
his 31. Mai 1906. Bei dieser ersten vorhereitenden
Grabung und die ersten Monate der zweiten vom 14. Sep-
temher 1906 bis 22. Juni 1907 währenden Kainpagne war
Th. Wiegand selbst als Leiter anwesend, unterstützt von
dem Architekten G. Kawerau. Es folgten vor dem Welt-
kriege acht weitere Kampagnen, die sich nicht selten iiher
ein halbes his dreiviertel Jahr ausdehnten (10. Septemher
his 28. Dezemher 1907; 23. Januar his 25. Mai 1908; 21. De-
zember 1908 his 7. Juni 1909; 17. Oktober 1909 his
18. Juni 1910; 19. Septemher 1910 his 24. Juni 1911;
12. Septemher his 2. Dezemher 1911; 9. September 1912
his 31. Mai 1913; 22. Septeinher his 16. Dezember 1913).
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