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desselben gefunden wurden, unter denen ein Stück
(Z 600/6 Tf. 82) noch fünf bis sechs flache, 104 mm breite
und 3,5 mm tiefe Rinnen erkennen läßt, scheinen darauf
hinzudeuten, daß nicht alleSäulen ausMarmor bestanden,
sondern daß, wie in Samos und Delphi, auch solche aus
Poros Verwendung gefunden hatten. Bei diesen Frag-
menten kamen im äußeren südlichen Füllschutt zwei sehr
merkwürdige und rätselhafte Stücke zu Tage (F 608
Tf. 205). Das eine zeigt die oberen Enden flacher, scharf-
kantig zusammenstoßender und halbkreisförmig abschlie-
ßender jonischer Kanneluren, über diesen ein hohes,
flaches, rechteckiges Band und darüber in flachem Relief
den Rest einer eigentümlichen Darstellung, die vielleicht
als Teil eines Schlangenleibes gedeutet werden kann,
dessen Bauchseite glatt und dessen oberer Teil mit recht-
eckigen Schuppen, ähnlich wie bei der einen Giebel-
schlange des alten Burgtempels zu Athen, gemustert ist.
Bei dem anderen Stück liegt die untere Stoßfuge nahe
unter dem Schlangenleib, und oberhalb von diesem folgt
in geringem Abstande noch ein zweiter solcher Schlangen-
leib. Leider ist die Zerstörung der Stücke zu groß, um
über Umfang und Inhalt der Darstellung zu einer Klar-
heit zu gelangen; es handelt sich anscheinend um Säulen,
die in einer gewissen unbekannten Höhe, etwa am Hals
unter dem Kapitell, von mehreren Schlangen umwunden
waren, eine höchst altertümliche und ganz vereinzelt da-
stehende Form von Reliefsäulen.

Während sich von den Anten, den inneren Pilastern und
dem sonstigen AufbaukeinerleiReste erhaltenhaben, sind
zwei sehr bemerkenswerte und eigenartige Teile des Ge-
bälkes der Zerstörung entgangen. Es sind zwei Architrav-
eckbruchstücke, welche die infolge des üblichen und
normalen Gehrungsschnittes auf die halbe Architravtiefe
verdünnten Enden von Frontbalken umfassen. Eben wegen
ihrer geringeren Stärke sind sie bei dem Sturz oder der
Verarbeitung der Architravblöcke abgespalten und so er-
halten geblieben; wahrscheinlich waren sie als Bausteine
im Fundament der Nordperistasis des jetzigen Tempels
verbaut. Das eine Stück ist schon bei der französischen
Grabung gefunden worden und steht jetzt in Istanbul
(F 609, 609a Tf.215; Mendel I Nr.239), das andere, in
Berlin befindliche (F 610, 610a Tf. 215; Z611 Tf. 83 a),
kam auf derNordseite desTempels außerhalb des Stufen-
baues zu Tage. Dieses hat eine Höhe vom Unterlager bis
zum Oberlager von 0,924 m; die Ecke des Blockes wird
eingenommen durch die in starkem Relief ausgeführte
altertümliche Darstellung einer reichgewandeten und ge-
flügelten Gorgo im Knielauf nach links, die so angeordnet
ist, daß das vorgesetzte rechte Bein, der vorgestreckte
redhte Arm und der gedoppelte redite Flügel auf der -
vom Beschauer aus — linken Fläche des Blockes, das jetzt
zerstörte nachschreitende linke Bein, der ebenfalls feh-
lende linke Arm nebst den linken Flügeln auf der rechten
Blockseite liegen, während der zerstörte Kopf und die
Brust in die Diagonale der Ecke gestellt waren. Auf
beiden Ansichtsseiten des Blockes zeigt der Reliefgrund
neben der stark vortretenden Figur drei sich überein-
ander aufbauende glatte jonische Faszien von 0,294 m,
0,330 m, 0,300 m und 0,290 m, 0,319 m, 0,315 m Höhe
und 14 mm bis 32 mm Ausladung, die infolge der Nähe
des Reliefs jedoch sehr ungenau gearheitet sind, und die,
wenn auch an einzelnen Stellen eine Rückneigung er-

scheint, doch als im wesentlichen senkrecht aufzufassen
sein werden. Am oberen Ende der unteren Faszie, auf
der vom Beschauer aus rechten Blockseite, ist eine erhaben
stehengebliebene Absplitterung erkennbar, die nach Ana-
logie des hier besser erhaltenen Istanbuler Blockes als
Reliefrest zu deuten ist. Der sich von dieser Absplitte-
rung nach oben ziehende Bruch wird jedenfalls auch
durch eine Relieferhebung veranlaßt sein. Wie unter dem
Fuß der Figur eine Schutzleiste liegt, so ist auch am
unteren Rand der untersten Faszie der rechten Seite ein
starker Schutzsteg stehengeblieben. Die linke Fläche des
Blockes endet im Abstand von etwa 0,464 m von der
Flucht der unteren Faszie mit einer senkrechten, mit
Anathyrose versehenen Anschlußfläche, so daß sich die
Stärke des ganzen Architravs zu 2 X 0,464 = 0,928 m er-
geben würde. Die andere Seite geht in geringem Abstand
vom Relief in die stark abgesplitterte Bruchfläche über,
mit welcher das Stück an den Hauptkörper des Balkens
anschloß. Im Unterlager ist ein von der Stoßfuge durch
einen Gußkanal vergießbares Dübelloch erkennbar, auf
dem Oberlager befindet sich ebenfalls ein Dübelloch und
die Bettung einer kräftigen schwalbenschwanzförmigen
Klammer mit senkrechtem Dorn, durch welche das Stück
üher die Stoßfuge hinweg mit dem rechtwinklig an-
stoßenden seitliclien Architrav verbunden war. [Ein
weiteres in den Maßen kleineres Dübelloch auf dem Ober-
lager liegt schon außerhalb des Architravkörpers im
Relief. Es diente vielleicht zur Anstückung des Oberteils
der Gorgone, die dann über das Architravoberlager hin-
aus auf das nächstfolgende Bauglied, also den Zahn-
schnitt, übergegriffen hat, wie auch aus einem am Block
selbst überstehenden Rest hervorgeht. W.]

Der 0,909 m hohe Block in Instanbul, dessen Relief
der nach rechts schreitenden Gorgo wesentlich besser er-
halten ist, zeigt ebenfalls an der hier im Oberlager
0,570 m breiten linken Seite die Stoßfuge mit glattem
Anathyroserand und an der rechten Seite Bruch. Auf
dem Oberlager findet sidi wieder Klammerbettung und
Dübelloch, ebenso im Unterlager ein großes Dübelloch.
Eine tiefe rechteckige Einarbeitung auf dem Oberlager
an der Stoßfugenkante ist unerklärt.

Ein Unterschied gegen das andere Stück besteht darin,
daß der Reliefgrund keine Faszien erkennen läßt,
sondern einfach glatt bearbeitet ist. [Auch haben hier
keine Teile des Reliefs auf das nädist höhere Bau-
glied übergegriffen. W.] Auf der rechten Ansichts-
seite erscheinen neben der Gorgo die vorgestreckten
Pranken und der Mähnenrand eines liegenden Löwen in
starkem Relief, wie es entsprechend bei dem Berliner
Stück aus den Bruchspuren angenommen wurde. Der
Hals und Kopf des Löwen, der offenbar nach vorn in
Vorderansicht gewendet ist, war angestückt in der Art,
wie dies bei den ebenfalls vorgedrehten Köpfen des
Löwentorreliefs zu Mykene der Fall war. Die scheiben-
förmige, am Rand die Mähnenzotteln tragende Anschluß-
fläche liegt in der Ebene der höchsten Erhebungen des
Gorgoreliefs und zeigt den Rest einer sorgfältig her-
gestellten Anathyrose mit glattem, hreitem Saum. Wäh-
rend diese Anschlußfläche sicher ursprünglich ist, rührt
die rohe Abarbeitung der Füße der Gorgo erst von der
Zurichtung des Blockes als Fundamentfüllstein her.

WechselimMaterial
der Säulen.
Relieftrommeln.
Architrav-
bruchstücke mit
Relief in Berlin

u. Istanbul

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