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Beilage zum Diözesan-Archiv von Schwaben — 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.20707#0001
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Nr. 22.


eilage nun Wöpsan-Archiv

von Schwaben.

(889.

Dr. Geiger in Tübingen und die gute Betha in Reute.

„Evangelischer" Nitt und Ansflug in das „katholische" Oberschwaben.
Zum Nachdenken vorurteilsloser Protestanten und zur Aufklärung zweifelsüchtiger Katholiken
geschildert von einem, der auch einmal zehn Jahre lang au einem evangelischen Wagen ziehen mußte.

V 0 r w 0 r t.

Wer je einmal in Tübingen gewesen ist als Geselle des
ehrbaren Handwerks, als Ladenschwengel, oder als akademischer
Bürger, der hat sicher einen Ausritt oder eine Ausfahrt der
ewen und anderen studentischen Verbindung gesehen und mit
Wvhlgesallen betrachtet. Da aber ein solches Schaustück sed-
jährlich und öfters vorkommt, verliert es an Neuheit lind Jn-

rpv«ri'-

£tfcunb die jahrelang in der Stadt verweilen, verhalten
ziemlich gleichgültig ohne Staunen und Be-

, Zerung. Das Ziel eines solchen Ausritts mit Ansfahrt
i ver Regel eine benachbarte Stadt, in der man eine
do s bon ^iunden in möglichster Gemütlichkeit zubringt und
sy>n rnan dann gewöhnlich mit schwerem Kopf und leichtem
fnT+ .*n Musenstadt zurückkehrt. In dieser Stadt er-
Aus c ^ 1888 ein absonderlicher Ritt und

usslug, der weniger wegen seiner Neuheit als vielmehr wegen
ner unqualiftzierbaren Keckheit und herausfordernden An-
^ bung gerechtes Aufsehen und Staunen erregt hat. Weniger
nrJj?» seiner Neuheit, denn auch da gilt das 'Wort des Rabbi
., , a* „Es giebt nichts Neues unter der Sonne." Schon
ft r v^len, vielen Jahren geschah ein ähnlicher Ritt und Aus-
^. 3 von der Reichsstadt Kempten aus, an dessen Spitze sich
D' ^^Welischer Prädikant, der Magister Jörg Znäman, stellte.

. Pferde, die damals geritten wurden llnd an die Wagen
zJ'? waren, fresseil längst keinen Haber mehr. Die durch
üb^ ^suiten gedämpfte Zorneswut der Kempter Prädikanten
sotn „Thorheiten und Bleildlmgen der römischen Kirche"
ö te vor hundert Jahren in einer andern Reichsstadt, in Ulm,

^ ^brechen und zu einem neuen Ritt Anlaß geben, unter-
srx vUhen nicht von evangelischen Prädikanten, sondern von
r.P'kämpfern der katholischen Aufklärung. Sie ritten und
vven von der Wohlerschen Buchhandlung aus mit dem „Frei-

Gilgen", einer periodischen Schrift, und mit den „Freiburge
rip sägen zur Beförderung des ältesten Christentums und de.
^ Nsten Philosophie" in die katholische Finsternis Oberschwabens.
.Ast schon sind die Sternschnuppen, die sie dahin gebracht, er-

und die Seifenblasen der Aufklärung, die sie aus dem Stroh
As Wissens herausgezaubert, zerplatzt. Nach den berührten Vor-
zügen tst somit der vorjährige Tübinger Ausritt und Aus-
jwg nichts Neues und hat darum auch weniger wegen feiner
Neuheit gerechtes Aufsehen und Staunen erregt als wegen
stuer eklatanten Verbindung mit ben Nachkommen der evange-
Zchen Prädikanten Kemptens, und wegen der brüderlichen

wenn

der Nihilisten des Glaubens (die überall dabei sind,

- es zu frischem, fröhlichem Krieg gegell die katholische
^vche geht), in deren Erbschaft der „Evangelische Bund" ein-
3etreten zuZein scheint, sowie wegen feiner Uebernahme des
^estvermögens der katholischen Aufklärung in Oberschwaben,
man dort nicht einmal mit der Rechtswohlthat des Inventars
antreten will. Um so mehr Staunen uild Aufsehen mußte

dieser Tübinger Ausritt nnb Ausstllg erregen, da nach dem
erbitterten Kampf der sogenannten kritischen Schule Tübingens
mit dem Lehrbegriff der katholischen Theologie, in welchem die
berühmtesten Theologen damaliger Zeit in der Diözese Rotten-
burg Dreh, Möhler, Kuhn und Hefele hervorragend thätig
waren, eine Aera des besseren Einvernehmens, der Toleranz
und des Friedens infolge einer positiveren Richtung in der
evangelischen Theologie gekommen war. Noch lebt einer dieser
katholischen Heroen der Wissenschaft, wie sehr muß ihn der
neueste .feindliche Ausritt aus Tübingen in die Perle seines
Bistums geschmerzt habeil, bei dessen Kommers die ärgerlich-
sten Pereats auf die katholische Kirche und ihre Glaubens-
lehren, auf deil Papst und seine Institute, ans kanonisches
Recht und Urteil, auf Selige und Heilige der christlichen Ge-
meinschaft, auf all das, was dem katholischen Volke das kost-
barste, das größte Gut ist, an dem es im Leben und im
Sterben mit aller Zähigkeit seiner Liebe und seiner Hoffnung
hängt, auf seinen katholischen Glauben, der ihm die Heiligen-
und Reliquienverehrung gestattet, ausgebracht wurden. —

Sprechen wir uns nach diesen Andeutungen klar aus.
Der erwähnte „evangelische" Ausritt nnb Ausflug in das
katholische Oberschwaben ist beschrieben in einem Büchlein, das
in dem durch seine gehässigen Druckschriften gegen die katho-
lische Kirche bekannten Barmen gedruckt und verlegt wurde
und den Titel führt: „Elisabetha von Rente, die Patronin und
Wunderthäterin Schwabens. Eine Heiligengeschichte. Von
Dr. Geiger, Universitätsbibliothekar in Tübingen." Es lohnt
sich gewiß, diesen Ausritt und Ausflug im Interesse der katho-
lischen Geistlichkeit und der katholischen Laienwelt Oberschwa-
bens und für weitere Kreise über Schwaben hinaus zu be-
trachten und zu begleiten, damit die Augen sich aufthun und
sehen, wie man in der neuesten Zeit evangelisch denkt und
schreibt, spricht und handelt, glaubt und liebt des lieben Frie-
dens wegen mit der katholischen Kirche. Wir beginnen mit
der Ankündigung.

Tromp etenstöß e.

Die Heilbronner „Neckarzeitung" kündigte den evangeli-
schen Ausritt und Ausflug des Dr. Geiger in Tübingen in das
katholische Oberschwaben mit folgendem Trompetenstoß an:
„Es ist wohl anzunehmen, daß nunmehr alle Anstrengungen der
Oberschwaben um ihre Schutzpatronin, nämlich ihre Heilig-
sprechung zu erreichen, verlorene Liebesmühe sein werden, denn
der päpstliche Advokatus Diaboli, der bei jeder Heiligsprechung
alle dagegen sprechenden Momente zu sammeln hat, findet in
der Schrift Dr. Geigers ein Material, wie er sich's nicht
besser wünschen kann. Der Verfasser beleuchtet die Legende
der guten Betha ans den ältesten Quellen, die uns ein völlig
anderes Bild zeigen, als die Verehrer derselben sich von ihr
zurechtmachen. Jeder Freund der heimischen Geschichte, jeder
 
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