Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Beilage zum Diözesan-Archiv von Schwaben — 1892

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.17219#0020
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
20

militärischen und politischen Welt nicht tvcnig Aufsehen erregte. Es
sollte leider nur zu tvahr werden; und Jomini, von Napoleon ins
Hauplquarlier berufen, sollte es sogar bcschicde» sein, seinen Freund
und Gönner Marschall Net), welcher anfangs allzu hitzig vorgegangen
und von dem Eorps des Fürsten Hohenlohe bereits sehr bedrängt war,
bei dem Dorf Vierzehnheiligen herauszuhanen. Von nun an tvard er
Ney als chef.d’etat-major bcigcgcben und kam später als solcher nach
Spanien und im Jahre 1812 nach Rußland. Im Jahre 1813 mittler-
weile längst znm General vorgerückt, ivnrdc er nach dem Treffen von Lützen
znm cbek d'ätat-major Murats ernannt. In der blutigen Schlacht von
Bantzen am 21. und 22. Mai wurde sein vortrefflicher Rat zu einer
großen Umgehung nicht befolgt; „der Tapfere der Tapfer»" besaß nicht
so viel Einsicht, mit den ihm nnvertranten 60 000 Mann den rechten
Flügel der Verbündeten zu umgehen, tvelchenfalls wohl ein entscheidender
Sieg gefolgt wäre und der ganze Feldzug eine andere Wendung ge-
nommen hätte. Auch in diesem Feldzüge leistete Jomini die ersprieß-
lichste» Dienste und der Prinz von Moskwa verfehlte keineswegs, diese
bei Napoleon geltend zu machen. Allein — hier trat ihm sein alter
Gegner, der Major-General (Generalstabschef) Alex. v. Berthier,
Fürst von Nenchatel wieder entgegen, welcher Jominis geistige Ueber-
legenheit nicht ertragen konnte und Jomini im Geheimen als seinen
Nebenbuhler und Konkurrenten nnsehen mochte. Es ist überhaupt auf-
fallend, daß Napoleon einen so eminent wissenschaftlich gebildeten und
ausgezeichneten, in Theorie und Praxis glcsch tüchtigen Osfizicr, wie
Jomini, der die meisten Generalstäbler in der Taktik weit übersah, nicht
zu sich in seine unmittelbare Nähe gezogen und sich so lange mit dem
nicht viel über mittelmäßige Größe reichenden Berthier als permanentem
Generalstabschcf begnügt hat. Jomini konnte nie schmeicheln, weder
Napoleon noch Berthier. Im Gegenteil steigerte er durch viele kritische,
wenn auch manchmal berechtigte, und boshafte Bemerkungen über An-
ordnungen von Berthier, von dessen Talenten er sich nun einmal nicht
überzeugen konnte und „dessen ebenso beschränkter als sklavischer Geist
keine Superiorität ertragen konnte", dessen Haß dermaßen, daß ein
Bruch unausbleiblich war. Berthier ließ es nicht an wiederholten
Kränkungen und Zurücksetzungen fehlen, ivas Jomini im berechtigten
Gefühle seines Wertes aufs höchste entrüsten mußte. Er erinnerte sich,
daß er als ein Ausländer au Frankreich nicht gebunden sei, sondern
auch anderswo Dienste nehmen könne; und so trat er, schon vor drei
Jahre» hiezu eingeladen, im Jahre 1813 als Gencrallientcnant und
kaiserlicher Adjutant in russische Dienste. Ein Verräter kann Jomini
um deswillen nicht genannt werden, wie von einigen, namentlich von
General Sarrazin geschehen, ivclch' letzterem Jomini vergeblich eine
Herausforderung übersandte. Napoleon selbst. der Jomini durch sein
Kriegsgericht zum Tode verurteilen ließ, sah später, wo freilich manche
seiner Allcrgetreuestcn, ivie selbst ein Berthier von ihm abgefallen waren,
die Sache etwas anders an. In seinen (1822 bei den Gebr. Bossange
zll Paris erschienenen) ,,memoires autographes“ sagte er in einer Note
von Jomini: „. . . . II n’a pas trahi ses drapeaux comme .... II
avait ä se plaindre d’une grande injustice; il a etd aveugle par
un sentiraent honorable. II n’etait pas Francais, l’amour de la patrie

ne la pas retenu.“ Auch in seinen zahlreichen Werken hat

Jomini Frankreich und seiner Armee alle, vielleicht nur zu große Ge-
rechtigkeit widerfahren lassen. Sein Einfluß ans die Kriegführung der
Verbündeten war übrigens noch geringer als der von Moreau; wohl
ans diesem Grunde zog er sich beizeiten zurück und begab sich auf die
erste Kunde, daß die Schweiz bedroht sei, in sein stets heiß geliebtes
Vaterland. Er that alles, was an ihm lag, den Sturm von seinem
Vaterlande abznwenden, doch umsonst; die Neutralität der Schweiz, die
selbst von russischer Seite verteidigt wurde, konnte bei diesem Einfälle
nicht respektiert werden. Alle Ehre machen dem Herzen und Andenken
Jominis die von ihm für seinen alten Freund und Kameraden Net) —
mit welchem er sich freilich in der Folge auch überworfcn hatte — ztt
Paris gethanen nusopferndcn allerdings vergeblichen Schritte, sowie der
Schutz, welchen er einem seiner früheren Untergebenen, dem Bataillons-
chef Koch, seinem ehemaligen Adjutanten nicht ohne eigene Gefahr an-
gedeihen ließ. Nach den langen Kriegsjahren enttvickelte er als Militär-
schriststellcr eine rege und reiche litterarische Thütigkeit, (in welcher Rich-
tung namentlich sein vollendetes Werk: „Traite des grandes ope-
rationes etc.“, sowie die „liistoire des guerres de la revolution“ her-
vorznheben wären), und überlebte fast alle seine ehemaligen Waffen-
gcsährten. P. Beck.

Uebcr den Aufenthalt Kaisers Karl V. in A » g s -
b tt r g enthält des Jesuiten Jakob M a s c n i u s „Speculum ima-
ginum veritatis occultae exhibens symbola, emblemata, hieroglypliica,
oenigmata“ Coloniae 1664 et 1693, cap. 55 (von L. Rosenlhal in
München in seiner „bibliotheca catholico theologica“ I. S. 236, sub
Z. 5320, mit Titclknpfcr, zu 3 M. 75 Pf. verzeichnet) folgende, auch
von Gottsched im zweiten Teil seines „Nötigen Vorrats zur Geschichte

der deutschen dramatischen Dichtkunst" citicrtc interessante Anekdote:

„Convenerat, una cum fratre suo Ferdinando, ad eandem ntensam

(vielleicht im Fnggerhausc, das ja der Kaiser, in dessen Reiche die
Sonne nicht unterging, öfters mit seinem Zuspruch beehrte) quando
exhilarandis convivis adfttere in aula comoedi, fabulam aliquant
lusuri. Hi, ut erant liaeretica jam opinione sectariorum depravati,
novae sectae originem causasque non ineleganti scliemate in prin-
cipum oculis explicare aggressi sunt. Primum doctorali cultu liabi-
tuque sese in conspectum obtulit larvatus homo, quem notata a
tergo inscriptio Joannis Capnionis sive Reucltlini nomine distingue-
bat. Fascem ille lignorum inferebat aulae, qnam sparsim dissolu-
teque abjecit, velut obvio cuique permissum. Successit in larva
alias, qui, ubi sparsa per aream ligna, ut erant curva rectis con-
fusa, comperisset, multo atque inutili labore ea componere unum-
que in fascem cogere aggressus, denique indignatione post frust-
ratum laborem plenus discessit, Erasmi Roterodami nomine insignis.
Sub haec religiöse habitu ingressus monachus Lutheri titulo donatus
ardentes prunas ignemque adferebat, quem lignis congestis subjecit
donec post conceptam abunde flammam et hic denique velut de-
functo munere sese subduceret. Adfuit subinde imperatorio vir
cultu illustris, qui fascem igne flagrantem intuitus, ut vim ignis
dissiparet, stricto cum gladio aggreditur, sed quo fodicat commo-
vetque vehementius, hoc magis flammam invalescere plenus sese
unde venerat reciperet. Postremum habitu sese pontificio in harte
comoediam larvatus infert, qui ad incendium consternatus, ubi pri
cul adspiceret, de remedio sollicitus duas ex propinquo amplioras
arripit, simulque advolans extinguendo incendio oleum pro aqua
imprudens affundit; unde ilamnta etiam latius sparsa, quo dämnüm
passura credebatur, incrementum accepit. Haec imago figuratae re
et quasi protasis, cuius illa fuit oppositio. — — Haec comoedia
utriusque principis an im am vehementer (ea vis fuit scliematis |
commovit, ut in autores diligente sed irrito labore inquisitum fuerit,
quum popularium fautorumque umbra abditi tutique delitescerent.“
— Diese Anekdote diente tt. n. einem vor ca. 50 Jahren erschienenen nicht
üblen Lustspiele: „Des Kaisers Zorn" („Atellanen, dramatische Arbeiten
von Rapp — Jovialis" zweite Sammlung, Stuttgart und Tübingen,
Verlag der I. G. Cottaschen Buchhandlung, 1842, S. 161—298, in
welches zwei Hans Sachssche Stücke, nämlich das Fastnachtsspiel vom
Narrenschneiden und die Komödie von Kain und Abel geschickt ein-
geflochten sind, znm Vorwurf. —ck.

Die Marquis v. Bouillon. — Kürzlich war in öffentlichen
Blättern zu lesen, daß das uralte hochedle Geschlecht der Bouillons
gegen Ende des vorigen Jahrhunderts anläßlich der Revolution ans
Frankreich ausgcwandert und ein Zweig desselben zu Kempten i. A. sich
niedergelassen habe und dermalen drei Träger dieses berühmten Namens
in der bayerischen Armee als Offiziere dienen und ein iveitcrer in das
württembergischc Armeccorps cinlretcn werde. Ein Bouillon, der
Marquis Claudius Heinrich v. Bouillon, Kapitän der Kavallerie in der
französischen Armee, Ritter des St. Ludwigordens (geboren am 8. Sep-
tember 1772 ans Schloß Bellejame, Departements de Seine ttnd d'Oise
in Frankreich) flüchtete während der sranzösischen Revolution itach Alt-
dorf-Weingartcn, woselbst sich, tvie überhaupt in manchen andern schwäbi-
schen Klöstern (Marchthal, Ottobeuren re.) öfters französische Emigranten
einstellten, und starb auch daselbst den 22. März 183!; er liegt ans
dem Gottesacker von Weingarten begraben und ist sein Grabdenkmal
heute noch erhalten. Der Stammsitz der alten Herzoge v. Bouillon lag
im heutigen Königreich Belgien (im belgischen Luxemburg), wurde aber
schon im Jahre 1096 durch das berühmteste Glied dieses Hauses, den
durch Volkssagen und Torqtiatv Tasso verherrlichten Gottfried v. Bouil-
lon, „den König von Jerusalem" — welcher er aber nicht sein wollte,
sondern „Herzog und Beschützer des hl. Grabes", da er niemals eine
Krone tragen ivolltc, Ivo Christus mit Dornen gekrönt tvordcn — als
er den ersten Kreuzzng, zu dessen Führer erwählt, antrat, an den
Bischof von Lüttich verpfändet, bei welchem Bistum das Herzogtum
Bouillon auch blieb, bis Lndtvig XIV. es eroberte und dem Hanse
Auvergne zu Lehen gab. — Die Bouillons waren in alten Zeiten mit
den Höchstgeborenen nächst verwand!: Gottfried v. Bouillon tvar der
1061 geborene älteste Sohn deS Grafen Enstach II. von Bvnlognc und
stammle mütterlicherseits ans dem Geschlcchte Karls des Großen und
gewann n. a. im Jahre 1076 das Herzogtum Niederlothringcn durch
Erbschaft und Belehnung von seiten des Kaisers Heinrich IV.; nicht
minder berühmt war sein Bruder Balduin v. Bouillon, der tapfere
Fürst von Edcssa. — Doch hatte das Geschlecht im Zeitalter der Krenz-
zügc bereits die Höhe seines Glanzes erreicht. Zn bemerken ist übrigens,
daß heutzutage das sürstliche hauptsächlich in Oesterreich begüterte Haus
Rohan-Gnemenäe-Rochefort außerdem noch den Hcrzogstitel „v. Bouillon"
führt. _ —ck.

Stuttgart, Bnchdrnckcrei der Aktiengesellschaft „Deutsches Volksblatt".
 
Annotationen