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Beilage zum Diözesan-Archiv von Schwaben — 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.17219#0039
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Angeber und Ankläger vor Gottes Gericht ins Thal Josaphat
citierte! Welch eine peinliche Lage für Seelsorger von weichem
Herzen voll Pflicht- und Menschengefühl, in der ihnen nichts
übrig blieb, als mit den schuldlos ergriffenen Schlachtopfern
der Rache, Feindschaft und des Hasses und der Geldgier im Kerker
zu weinen! — Welche schreckliche Zeit war es für jede
Frau, deren vormals blühende Schönheit Alter, Leiden und
Krankheit in das entgegengesetzte Extrem übergeführt hatten,
oder welche ihrem Mann in anderen Hinsichten entleibet war!
Konnte sie nicht fliehen oder über bedeutende Summen zu
ihrer Sicherheit verfügen, so war sie verloren. Vier Jahre
darauf, am 27. März 1629 starb ein Weib ans dem Kloster-
amt Alpirsbach eines plötzlichen Todes ans der Stiege des
Snlzer Rathauses; sie war als Hexe verhaftet und so ge-
foltert worden, daß Schreck und Schmerz ihr Leben schnell
endeten und sie vor weiteren Peinigungen bewahrten. Im
Jahre 1634 wurde die Stadl Sulz vorübergehend wieder öster-
reichisch; der Graf Karl Ludwig Ernst von Sulz aus dem
alten im Jahre 1687 ausgestorbenen Geschlechts der Grafen
von Sulz, den 13. Novembxr 1634 zum österreichischen Statt-
halter über Württemberg bestellt, wurde bald auch zum Obervogt
über Stadt und Amt Sulz ernannt und setzte als seinen
Stellvertreter einen Dr. jur. Johann Wehrlin aus Rottweil
auf die Burg Albeck; im November 1635 schenkte der Kaiser
dem Grafen Stadt und Amt Sulz. Doch dauerte diese
Herrschaft nicht lange, denn im Herbst 1638 wurde Herzog
Eberhard III. wieder in sein Land eingesetzt und fiel auch
Sulz an denselben zurück. Gräflich Sulz'scher Untervogt war
in dieser Periode von Dezember 1635 an Johann Baller,
ein rigoroser, finsterer, düsterer Mann, welcher hernach Schult-
heiß in Rottenburg a. N. wurde und noch vor dem Jahre 1642
starb. Sein gefügiges Werkzeug war Johannes Springer,
seit Oktober 1635 Stadtschreiber. Er, ein Protestant und
durch sein Amt verpflichtet, der Ratgeber und Beistand der
Bürger zu sein, wurde ihre Geisel, zuerst als ein treuer Ge-
hilse deö gestrengen Bailcr und trieb es nach desselben Abgang im
August 1636 als Untervogt noch ärger. Seit 1625 war in Sulz
kein Hexenbrand mehr vorgegangen; jetzt aber suchten Boiler
und seine Aufhetzer diesen Auswuchs der finsteren Zeit aufs
neue hervor als das beste Mittel zur Befriedigung bitterer
Nachgier und unversöhnlichen Hasses und unersättlicher Hab-
sucht; und Springer setzte es noch länger fort, um seinem
Familienhasse wie seiner schmutzigen Habgier auf diesem Wege
immer neue Befriedigung zu verschaffen. Fünf Menschen
mußten noch in diesem Jahre als Opfer derselben zu Sulz
den qualvollen Tod in den Flammen sterben und alle diese
Unglücklichen waren angesehene, für damalige Zeiten reiche
Leute. Den Anfang machten die Blutdürstlinge im Gewände
der Diener der Gerechtigkeit im Juni mit der Witwe deö
Salinenfaktors und Bürgermeisters Jakob Schmied, nackdem
man durch die Schmerzen wiederholter Folter diese alte Ma-
trone gezwungen hatte, sich selbst und ihre eigene Tochter den
16. Mai als Hexe .anzuklagen. Ihr bedeutendes Vermögen
tind der mit ihrer Verheiratung erfolgte Uebertritt von der
katholischen zur evangelischen Glaubenslehre waren die für ihre
Peiniger hinreichenden Gründe zur Folter und Verbrennung.
Im Juli traf dieses schreckliche Los zwei Bürger ans Holz-
hanscn; einen derselben, Michael Rnoff, ließ Springer so
schrecklich foltern, daß er einen Leibschaden davvntrng und an
dem einen Arm ganz lahm wurde. Den 29. August wurde
eine Bürgerin von Holzhanscn und im September eine aus
Sulz verbrannt. Ueberdies wurde die Tochter der vorge-
nannte» Bürgernieisterswitwe, Anna Maria, Gattin des
Bürgers Franz Christoph Herbst, drei Tage »ach einander

gefoltert, hielt aber die Schmerzen, denen Männer unterlegen
waren, mit einer bewunderungswürdigen Standhaftigkeit aus
(der Hexenprozeß gegen diese heldenmütige Märtyrerin wurde
nach den Akten — von Köhler? —■ im Schnhkraftschen
Unterhaltnngsblatt vom Jahre 1820 Nr. 81 und 82 ver-
öffentlicht). Vergeblich verwies ein Regiernngsbefehl vom
12. August dem Springer und seinem Blutgericht das un-
befugte Anwenden der Folter, und ein anderer vom 15. Sep-
tember die übermäßigen Zechgelage bei den Hinrichtungen,
denn unter der Amtsführung des Vogts Wolfgang Blnvm
(1636—1638), welcher hernach im Jahre 1640 kaiserlicher
Hofgerichtsprokurator in Rottweil wurde, eines schwachen
Mannes, der überdies nicht unmittelbar unter der öster-
reichischen Regierung in Stuttgart stand, wurde es dem Springer-
leicht , seine unmenschliche Verfahrnngsweise förtzusetzeu.
Manche Leute hatten sich aus diesem Orte des Schreckens,
wo man keinen Tag sicher war, nicht auch wegen Hexerei-
verdachts fistiert und prozessiert zu werden, hinweggeflüchtet
und wegbegeben. Den 26. Januar 1637 wurde der Spiel-
mann Georg Bidermann von Holzhausen, vulgo „Weberjörg"
hingerichtet. Dieser hinkende Kerl war schon den 18. August
vorigen Jahrs eingekerkert und den 30. September so gefoltert
worden, daß er alle Personen als Hexen angab, nach denen
mau fragte, und nicht nur mit seiner verstorbenen ältesten
Schwester Katharina, sondern auch der jüngeren Marie, welche
auch eingekerkert lag, Blutschande getrieben, sondern noch
viele Weiber zugehalten zu haben, bekannte. Anstatt eine
Juristenfaknltät um ihr Gutachten zu fragen, konsultierte
man den Obervogt Or. Wehrlin, welcher auf Albeck saß und
auf die Folter bloß deswegen erkannte, weil Bioermann schon
etliche Jahre ohne Scken für einen Hexenmann gehalten, auch
von fünf Hingerichteten angegeben worden sei. Der Bezieht
der Blutschande gründete sich bloß auf den Verdacht, daß er
und sein Bruder samt der Schwester als gesunde und starke
Leute schon lange unverehelicht in einem Hanse beisannnen
gelebt hätten; und von Marie, ob sie schon bei fortwährender
Behauptung ihrer Unschuld verlangte, man solle sie besichtigen,
ob sie nicht eine unverletzte Jungfrau sei, berichtete der Vogt
Blnom den 24. Oktober an die Regierung, „daß sie dennoch
verdächtig sei, weil ihr beim ernstlichen Zureden kein Auge
übergehe!" Den 11. Februar 1638 an einem Donnerstag
wurden in der Nähe in der österreichischen Stadt Oberndorfs)
sechs Personen wegen angeschnldigter Hexerei hingerichtet.
Eine unverzeihliche Neugierde, welche alles Elend der Zeiten
nicht hatte Niederhalten können, zog eine Menge Menschen
aus der ganzen Gegend herbei, und erscheint an denen, welche
ans Sulz dahin liefen, um so unverzeihlicher, je mehr sie erst
noch von 1636—1637 solche für jedes fühlende Herz em-
pörende Vorgänge bis zum Ueberdruß in ihrer eigenen Stadt
hatten sehen müssen. Endlich im Jahr 1639 wurde der
schlimme Vogt Springer abgesetzt, blieb indes nach seiner Ab-

2) lieber Hexenprozesse in der Nachbarschaft u. a. zu vgl. Zim-
merische Chronik, worunter ein Fall aus Bnrladingen vom Jahr 1533.
Namentlich i» .Hechiugen war das Hexemveseu stark im Schwünge; im
Jahre 1575 erging ein amtliches Hechinger Ausschreibeu, wornach eine
Belohnung von 5 fl. demjenigen zugesichert wird, der „einen Kobold,
eine Nixe oder ein anderes dergleichenjGespenst in seinem Haus, seinen
Ställen, in Bächen und Teichen einfange und lebendig oder tot beim
Oberjägermeister abliefere". I. Cramer in seinem Bild von der Graf-
schaft Hohenzollern (Stuttgart, Verlag von Karl Krin, 1873) fuhrt einen
Fall vom Jahre 1595 aus Rangendingen-Sickingen sowie aus dem
Jahr 1615 die gut- und peinliche llhrgicht und Bekhandtnus der Hexe
Adellhait Stansin von Zimmern bei Haigerlvch an. Zu Horb a. R.,
einem zur Grafschaft.Niederhohenberg gehörigen vorderösterreichischen
katholischen Städtchen wurden am 7. Juni 1578 nenn Hexen ver-
brannt. Es hatte sich daselbst und über die Umgegend am 15. Mai zuvor
 
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